LE MAGNIFIQUE

Zitat entfällt.

Le Magnifique (Belmondo – Der Teufelskerl) ~ F/I 1973
Directed By: Philippe de Broca

Der heruntergekommene Schundautor François Merlin (Jean-Paul Belmondo) sitzt Kette rauchend in seiner maroden Pariser Altbauwohnung und denkt sich Abenteuer für seinen Romanhelden Bob Saint-Clair (Jean-Paul Belmondo) aus, einen Superagenten, der alles kann und jede Frau ins Bett bekommt. Die seine Ergüsse lesende Massenkundschaft erwartet dabei nur möglichst viel Blut und Sex, der Rest wiederholt sich mehr odder weniger in Endlosschleife. Die Personen und Begebenheiten seines Alltags sublimiert Merlin dabei stets via Schreibmaschine, so dass er sich umgehend und auf subtilste Weise an allen Nervensägen rächen kann. Als ihm die schöne Soziologiestudentin Christine (Jacqueline Bisset) ins Auge fällt, die prompt auch Merlins schmieriger Verleger Charron (Vittorio Caprioli) umgarnt, muss Merlin endlich auch im realen Leben und als er selbst aktiv werden…

Gelangweilte Autoren, die ihre Romanhelden als alter ego begreifen und stellvertretend für sich selbst die wundersamsten Abenteuer erleben lassen – das bietet seit eh und je feinen Komödienstoff. Nach achtjähriger Pause begegneten sich auch Bébel und Philippe de Broca zu einem entsprechenden Stelldichein wieder, wobei „Le Magnifique“ der prallen Überdrehtheit der vormaligen Kollaborationen in nichts nachsteht. Vielmehr tobt der Regisseur sich auf geradezu entfesselte Weise aus, wenn er den Supermann Bob Saint-Clair seine imaginären Feinde auf der Leinwand gleich in legionärer Anzahl und auf blutigste Art und Weise niedermähen lässt. Durch die fiktive Doppelbödigkeit des Ganzen kommt der Film natürlich auch breit grinsend davon mit dieser eigentlich unerhörten Gewaltaufbietung, die in ähnlicher Textur erst Paul Verhoeven wieder beleben sollte. Einer der narrativen Kniffe besteht darin, den Zuschauer erst nach guten zwanzig Minuten Erzählzeit überhaupt darauf hinzuweisen, dass die just gesehene Farce lediglich den Hirnwindungen eines dem vormals eingeführten Protagonisten verblüffend ähnlich sehenden, jedoch weitaus weniger glanzvoll auftretendem Normalbürger entfleucht ist. Fortan weiß man die Verrücktheiten rund um Saint-Clair natürlich in korrekter Weise zu deuten und sitzt dem Schmarren nicht weiter auf. Stattdessen rücken sich der wesentlich alltagsangebundenere François Merlin und dessen Geschicke ins Zentrum des Interesses, wobei die direkte Gegenüberstellung von trivialer Spionagewelt und ordinärer Pariser Großstadt-Tristesse natürlich ganz bewusst zugunsten zweiterer entschieden wird. Am Ende emanzipiert sich Merlin endgültig von seiner erfolgreichen Romanfigur – und damit auch ein Stück weit von sich selbst. Gut für ihn, unsereiner jedoch stiert in die Röhre… als hätte die Welt plötzlich keine Bob Saint-Clairs mehr nötig!

7/10

BAD BOYS

„One way or the other, I’m going to get to the bottom of this.“

Bad Boys ~ USA 1983
Directed By: Rick Rosenthal

Nachdem er bei der Flucht vor der Polizei versehentlich einen kleinen Jungen überfahren hat, wird der bereits einschlägig vorbestrafte Mick O’Brien (Sean Penn) zu einer Haftstrafe im Jugendgefängnis verurteilt. Dort arbeitet er sich in der Hackordnung mehr oder weniger gezwungenermaßen flugs nach oben, genießt jedoch die Sympathie des Sozialarbeiters Herrera (Reni Santoni). Derweil verlangt es Paco Moreno (Esai Morales), den Bruder des Jungen, den Mick auf dem Gewissen hat, nach Rache. Er verprügelt und vergewaltigt Micks Freundin J.C. (Ally Sheedy) und muss bald darauf selbst in den Jugendarrest, wegen Platzmangels in dieselbe Anstalt, in der auch Mick einsitzt. Eine Konfrontation der beiden Widersacher ist unausweichlich.

Ein finsterer, unerbittlicher Film, wie es seiner in den noch weniger materialistisch orientierten, frühen Achtzigern, der Prä-Yuppie-Ära sozusagen, einige gab. Der urbane Moloch, Chicago im vorliegenden Falle, findet sich darin oftmals abgebildet als lebensfeindliches, hässliches, schmutziges Areal voller Slums, über dem wahlweise kalte Regenwolken oder Nachthimmel hängen, in denen sich jeder selbst der Nächste ist und in der Zuneigung und Sympathie bestenfalls als letzte Zivilisationsrelikte auftreten. Exakt jene Welt bildet auch Rosenthals „Bad Boys“ ab. Mick O’Brien geht noch zur High-School und kennt dennoch bereits all die unangenehmen Seiten, die das Leben einem Minderjährigen nur bieten kann. Die alleinerziehende Mutter bringt allenthalben einen anderen „Onkel“ mit nach Hause, Kriminalität und äußere Härte bergen die einzigen Erfolgserlebnisse. Als es darum geht, den Latino Paco Moreno und seine Freunde um einen gut bestückten Koffer voller Drogen zu erleichtern, stirbt nicht nur Micks einziger Freund Carl (Alan Ruck) im Kugelhagel, es kommt auch noch zu einer weiteren Katastrophe, der ein Achtjähriger zum Opfer fällt. Dann geht es von der Straße in den Strafvollzug und der ist keinen Deut besser. Au contraire, hier spiegeln sich die Machtverhältnisse in hemmungsloser Gewaltbereitschaft und sexueller Gewaltausübung wider. Wer überleben will, muss die miesesten Typen noch an Bosheit überflügeln – nur so erntet man großflächigen Respekt. Dass Mick O’Brien trotz all jenem noch zur Identifikationsfigur und zum Helden der Story taugt, verdankt man seinem immer noch guten Herzen und Sean Penns nuancierter Interpretation. Wenn Mick mit seiner Freundin zusammen ist oder die Freundschaft zu seinem nerdigen Knastkumpel Horowitz (Eric Gurry) verteidigt, erahnt man den weichen Kern in seinem Inneren, schließlich überwindet er sogar den situativ übermächtigen Todestrieb. Diese Mehrdimensionalität gilt übrigens nicht allein für Sean Penns Figur: Selbst die von Esai Morales und Clancy Brown gespielten Oberekel und Bösewichte erleben eine vergleichsweise differenzierte Charakterisierung. Insofern und wegen der besagten, zeitgebundenen Zeichnung vom großstädtischen Makrokosmos zählt „Bad Boys“ in jedem Falle zum Besseren, das das Genre aufbietet.

8/10

FLOWERS IN THE ATTIC

„We’re the children of the bride!“

Flowers In The Attic (Blumen der Nacht) ~ USA 1987
Directed By: Jeffrey Bloom

Nachdem ihr geliebter Vater (Marshall Colt) verstorben ist, ziehen die vier Kinder Cathy (Kristy Swanson), Chris (Jeb Stuart Adams), Carrie (Lindsay Parker) und Cory (Ben Ryan Ganger) gemeinsam mit ihrer Mutter (Victoria Tennant) in das altehwürdige Anwesen der Großeltern. Der „Plan“ der Mutter sieht vor, sich einen Platz im Testament ihres sterbenskranken Vaters (Nathan Davis) zurückzuerschleichen, nachdem sie vor Jahren in Ungnade gefallen ist. Die Großmutter (Louise Fletcher) jedoch erweist sich als hartherzige, bigotte Frau, die ihre eigenen Enkelkinder verachtet, einsperrt und hart bestraft. Das Quartett richtet sich derweil auf dem großzügigen Dachboden ein, sieht das Tageslicht jedoch nurmehr durch Gitterstäbe. Als Cory, der Jüngste, krank wird und stirbt und selbst darauf die Reaktion der immer längere Zeiträume abwesenden Mutter verhalten bleibt, entschließen sich Chris und Cathy zu einer längst überfälligen Maßnahme: raus aus dem Haus!

„Flowers In The Attic“ ist der bekannteste Roman der amerikanischen Trivialliteratin V.C. Andrews, dessen Erfolg, wie die meisten anderen ihrer Werke auch, gleich vier Fortsetzungen nach sich zog, zu einer „Saga“ ausgebaut und mitunter von einem Ghostwriter verfasst wurde.
Der Roman lässt sich wohl umreißen als „Erwachsenenmärchen“, angesiedelt irgendwo zwischen gothic horror und Kitschbelletristik, das allerdings nicht ohne konservatives Echo blieb. Die Geschichte beinhaltet nämlich eine inzestuöse Beziehung zwischen Bruder und Schwester, die sich im Laufe ihrer rund dreijährigen Zwangsgefangenschaft ineinander verlieben, sowie Anklänge an sadomasochistische Gelüste, die in Verbindung mit den Peitschenhieben der Großmutter stehen. Eine starke Koloratur also, die Blooms Erstverfilmung (im letzten Jahr wurde noch eine weitere fürs Fernsehen inszeniert) in „geschmackvoll“ austarierte Bahnen lenkt. Hier werden jene beiden pikanten Aspekte nurmehr angedeutet und in vager Schwebe belassen, wobei der Kenner der Vorlage natürlich bereits eines Besseren belehrt ist. Allerdings entwickelt Bloom eine wirklich horrible, gräuliche Atmosphäre, der die Abschwächung der sexuellen Motivik eher gut tut und die nunmehr hervorragend als Transponierung der grimm’schen Märchen auf die Moderne gelesen werden kann: Die – sowohl durch das plötzliche Ableben des liebenden Vaters als auch durch den Verrat der habgierigen Mutter – im Stich gelassenen Kinder, die in der obersten Etage eines Hexenschlosses überleben müssen, wobei das Schwächste von ihnen vergiftet wird und stirbt, das ist nicht erst bei näherer Betrchtung von ebenso finsterem wie kinderschrecklichem Albtraumgehalt. Zudem finden wir in Blooms Werk ein schönes, kleines Revival des vergessen geglaubten Hag-Horror vor; von elder ladies in distress. Louise Fletcher beweist einmal mehr, dass sie böse Frauenzimmer zu personifizieren vermag wie kaum eine andere. Diese Großmutter ist so eine widerliche, alte Hexe, dass man ihr qua von Minute Eins an das Fegefeuer an die Textilien wünscht.
Ein sehenswerter, auf seine spezifisch-bizarre Weise schöner Film, der es nicht verdient hat, so aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden zu sein.

8/10

LES TRIBULATIONS D’UN CHINOIS EN CHINE

Zitat entfällt.

Les Tribulations D’Un Chinois En Chine (Die tollen Abenteuer des Monsieur L.) ~ F/I 1965
Directed By: Philippe de Broca

Der superreiche Arthur Lempereur (Jean-Paul Belmondo) hat so ziemlich alles, was man vom Leben verlangen kann – außer Spaß an selbigem. Darum inszeniert er immer wieder spektakuläre Suizide, die er dann am Ende doch nicht recht finalisieren mag. Seine Verlobte (Valérie Lagrange) langweilt ihn noch zusätzlich zu Tode. Als die Nachricht kommt, dass Arthur urplötzlich ruiniert ist, entwickelt sein väterlicher Freund Mr. Goh (Valéry Inkijinoff) einen Plan, dem geliebten Mündel die Freude am Dasein zurückzuverschaffen: Eine befristete Lebensversicherung soll Monsieur L. davon überzeugen, dass die irdische Existenz durchaus etwas ist, an dem zu hängen sich lohnt. Die Folge ist ein gewaltiges Tohuwabohu aus Missverständnissen, Liebes- und Geldgierbekundungen, währen dessen Arthur immerhin die Bekanntschaft der reizenden Striptänzerin Alexandrine (Ursula Andress) macht…

Lose basierend auf einer Vorlage von Jules Verne nimmt sich dieses dritte farbenprächtige Abenteuer, das Philippe de Broca ganz auf seinen Hauptdarsteller zuschneidet, mindestens ebenso kregel und hyperaktivistisch aus wie der direkte Vorgänger „L’Homme De Rio“. Auch noch etwas alberner und mit deutlich erhöhtem Personal angereichert präsentiert sich der Film, der den etwas befremdlichen Titel der Tatsache verdankt, dass die Yacht Arthur Lempereurs gerade im Hafen von Hong Kong vor Anker liegt und die Kronkolonie somit den Haupt-Handlungsort stellt. Dennoch gibt es Ausflüge nach Indien und Nepal, die Bébel einige spektakuläre Szenen mit Bergen, Schnee, Religionsfanatikern und einem Heißluftballon verfügbar machen sowie ins südchinesische Meer nebst Insel-Showdown. Die Figuren-Ménagerie umfasst neben dem anfangs mit einer bescheuerten Tolle auftretenden Bébel, seinem exotischen Mentor und der Andress noch einen erztreuen Butler (Jean Rochefort), zwei tölpelhafte Versicherungsangestellte (Mario David, Paul Préboist), eine fiese Schwiegermutter in spe (Maria Pacôme), deren verblödeten Hofmacher (Jess Hahn) und, als Krönung sozusagen, einen fetten Gangsterboss (Joe Saïd), der Monieur L. unbedingt das Lebenslicht ausblasen will. Hinzu kommt wiederum ein Dauerfeuerwerk aus teilweise albernsten Gags und Stunts, einige betörende Einstellungen rund um die in Bestform befindliche Ursula Andress und diverse andere Zwangsmethoden, dem Publikum nur ja kein Sekündchen der Langeweile zu gönnen. Diese Mission dürfte dann wohl als geglückt zu verbuchen sein.

7/10

L’HOMME DE RIO

Zitat entfällt.

L’Homme De Rio (Abenteuer in Rio) ~ F/I 1964
Directed By: Philippe de Broca

So hat sich der Gefreite Adrien Dufourquet (Jean-Paul Belmondo) seinen einwöchigen Heimurlaub nicht vorgestellt: Anstatt wie geplant mit seiner geliebten Agnès (Françoise Dorléac) herumzuturteln, findet er sich unversehens in einem filmreifen Abenteuer wieder, das den Raub wertvoller maltekischer Statuetten, einen riesigen Schatz sowie ein Doppel-Kidnapping beinhaltet und ihn nach Rio verschlägt.

In „L’Homme De Rio“ und dessen Quasi-Nachfolger „Les Tribulations D’Un Chinois En Chine“ versetzte Philippe De Broca und Autor Daniel Boulanger ihren Superstar Bébel jeweils in exotische Gefilde und ein Dauerfeuerwerk turbulenter Situationen, die es für den verdutzten Tausendsassa zu meistern gilt. Besonders „L’Homme De Rio“ erfreut sich dabei am Lokalkolorit des Zuckerhuts, gewährt europäisch-romantisierte Einblicke in die mit Folklore und Samba angefüllten Favelas von Rio, die feudale Petrópolis und die unglaubliche Architektur des frisch aus dem Boden gestampften Distrito Federal der Planhauptstadt Brasilia. Besonders von diesen Hintergründen zehrt der gepflegt überhastete und gemäß seiner Entstehungszeit hübsch überdrehte Film. Die Narration derweil zeichnet sich durch ihre Unvorhersehbarkeit aus sowie durch ihre multiplen Volten: alles kann immer und überall passieren; nichts, außer vielleicht dem angesichts der luftigen Atmosphäre versprochenen Happy-Ends scheint zu irgendeinem Zeitpunkt sicher festlegbar. Slapstickhafte Zeitraffer lösen dramatische Aufholjagden ab, einer der Helden erweist sich als Bösewicht, derweil der vormals gezielt als solcher avisierte Schurke nicht den an ihn gerichteten Erwartungen entspricht. Fraglos verstehen sich darüberhinaus beide Filme von de Broca als vom französischen savoir vivre sowie der hiesigen Art des Filmemachens geprägte Variationen der just in Mode befindlichen Bond-Abenteuer, da großzügig mit ebenso überlebensgroßer wie halsbrecherischer Aktion, wie gewohnt zumeist vom Hauptdarsteller selbst dargeboten, nicht gegeizt wird. Schlägereien mit superstarken Indio-Killern und Verfolgungen in schwindelerregender Höhe bilden da lediglich eine Facette. Vom Urwald-Showdown schließlich dürften, neben etlichen anderen Abenteuerfilmern der Folgejahre, nicht zuletzt auch die Köpfe hinter den „Indiana Jones“-Filmen zutiefst beeindruckt gewesen sein, da sich hier diverse Motive mehr oder weniger stark variiert wiederfinden.

7/10

GET HARD

„Don’t sexually harass me – I’m already sad!“

Get Hard (Der Knastcoach) ~ USA 2015
Directed By: Etan Cohen

James King (Will Ferrell) gehört zu jener Bevölkerungsschicht von 10 Prozent, die den größten Teil der landesweiten Einkommen bezieht: Er ist erfolgreicher Broker mitsamt feinstem Riecher, unverschämt reich und leider auch unverblümt dämlich. Denn über den Rand seines goldenen Tellerchens hat er nie so recht hinausgeblickt und ist der festen Meinung, dass jeder den amerikanischen Traum für sich beanspruchen kann – so er es nur ganz fest möchte. Als er zum Opfer einer Intrige seines Chefs und potenziellen Schwiegervaters in spe (Craig T. Nelson) wird, die James zum Sündenbock für seine krummen Geschäfte stempeln soll, winken zehn Jahre San Quentin. Angsterfüllt sieht James den einzigen Ausweg, mit der unausweichlichen Situation klarzkommen, darin, sich „fit für den Knast“ zu machen. Dazu holt er sich den Autopfleger Darnell Lewis (Kevin Hart), der, James‘ entwaffnender Logik gemäß, als Farbiger natürlich bestens mit dem Innenleben von Gefängnissen vertraut sein muss und ihm daher alles Überlebenswichtige antrainieren kann. Darnell indes, der noch keine Strafanstalt von innen gesehen hat, nutzt James‘ Naivität aus, da er seine Familie dringend aus Crenshaw herausholen will und von James das nötige Startkapital erhält…

Eine neue Ferrell-Komödie ist grundsätzlich immer zu begrüßen. Will Ferrell ist immerhin der US-Komiker, der in Jahren emsiger Kultivierung das Fremdschamprinzip zur darstellerischen Kunstform erhoben hat und für genau diese Sparte immer wieder ideale Rollen auf den Leib geschrieben bekommt. Nun gibt es zum Einen die unschlagbaren Instant-Klassiker, die zumeist in inszenatorischer Verbindung mit Mastermind Adam McKay stehen, der es wie bislang kein Zweiter vermag, Ferrells Humor in kongeniale Kinogewandung zu kleiden. Für „Get Hard“ schusterte McKay – leider, wie man wohl konstatieren muss – lediglich Teile von Idee und Story zu und überließ die Regie dem Langfilmdebütanten Etan Cohen, dessen Namen ich zunächst für ein lustiges Pseudonym hielt. Doch den Mann gibt es tatsächlich und er heißt auch so. Seine Arbeitsweise ist im Direktvergleich mit der von McKay noch ausbaufähig, worin bereits eine recht prägnante Schwäche von „Get Hard“ konstituiert wäre. Die zweite liegt in Ferrells unverzichtbarem Stichwortgeber, denn der Comedy-Gigant benötigt zur ganzen Entfaltung seiner Bandbreite bekanntermaßen stets einen oder mehrere Antagonisten, die erst so richtig deutlich machen, welch sozialdefizitäres Kleinlicht er nun wieder personifiziert. Hier stellt diesen Kevin Hart und der ist – Verzeihung – keine echte Ergänzung für Will Ferrell. Mit eher eng eingezäuntem Sitcom-Humor kann Hart kaum einen Lacher für sich verbuchen, womit nahezu die gesamte Arbeit bei dem wie stets großartigen und den Film auf ganzer Linie rettenden Ferrell liegt. Konnte sich dieser zuvor fast immer auf zumindest nahezu ebenbürtige Größen John C. Reilly, Zach Galifianakis oder Mark Wahlberg stützen, mimt Kevin Hart eher den schlichten Mainstream-Comedy-Typen, und somit einen, der eine andere Humorwellenlänge repräsentiert. Ferrell indes zeigt einmal mehr, was er längst perfektioniert hat: den gänzlich merkbefreiten, kleinen Jungen, der mindestens dreißig Jahre Sozialisation verschlafen hat, im Körper des Mittvierzigers; der wie ein Schlosshund heult, als sich ihm die Realität mit ganzer Härte offenbart und der dazu noch zu blöd ist, sich ihr auch nur halbwegs adäquat zu stellen. Stimmte der Rest auch noch, wäre einmal mehr das Optimum erreicht; so langt es immerhin zu hundert Minuten Hofierung des glücklicherweise fast omnipräsenten Ferrell, dessen Apologeten sich, wie auch ich selbst, von „Get Hard“ bestimmt abermals in weiten Teilen angesprochen fühlen werden.

6/10

DAS EWIGE LEBEN

„Schauen’s, woas ich Ihnen mit’bracht hoab: Katzenzungen.“

Das ewige Leben ~ AT 2015
Directed By: Wolfgang Murnberger

Dem Ex-Polizisten, Unfallsdetektiv und Lebenskünstler Simon Brenner (Josef Hader) geht es alles andere als rosig – er muss aufs Amt und Stütze anmelden. Da fällt ihm ein, dass er ja noch Hausbesitzer ist: In Puntigam, Graz steht noch das Heim seines Großvaters. Vor Ort angekommen findet Brenner nicht nur ein ziemlich heruntergekommenes Obdach ohne Strom und mit Löchern im Dach vor, sondern auch alte Bekannte mit gemeinsamer Vergangenheit. Da ist der vermeintlich klamme Trödelhändler Köck (Roland Düringer), der mittlerweile zum Polizeichef aufgestiegene Aschenbrenner (Tobias Moretti) und die Gastwirtin Maritschi (Margarete Tiesel), mit der der Brenner selbst, Aschenbrenner und auch der schon damals bei einem Unfall verstorbene Saarinnen (Daniel Langbein), der Vierte aus dem einstigen Bunde, mal „was hatten“. Nach einem Besuch von Aschenbrenner erwacht der unter barbarischen Migräne-Attacken leidende Brenner im Spital – eine Walther-Kugel hat ihm den Frontallappen perforiert. Kurz darauf findet er den Köck in seinem Laden tot. Jetzt ist schon wieder was passiert…

Buch 6, Film 4: Der Brenner ist mittlerweile so down, man könnte ihn schon fast als ‚down under‘ bezeichnen. Mitsamt den ausgewaschenen Bartstoppeln sieht er zudem auch noch aus wie ein Sandler, oder zumindest das, was einem solchen am nächsten kommt. Schlimmer wird es dann nach einer unfreiwilligen Selbstattacke, bei der zwar der Zuschauer Zeuge wird, die der Brenner jedoch – zu seinem seltsam koinzidenzialen Glück – selbst gar nicht mitbekommt und falsch interpretiert. Billiges Dosenbier verzehrend, die Augen blunterlaufen, Blutrinnsale aus Nase und Mund. Gut, dass der Mann wie gewohnt auch in harschesten Situationen nie seinen Galgenhumor einbüßt und jedem Widersacher, und möge dieser noch so im Vorteil sein, immer noch eine nette Frechheit entgegenzumurmeln weiß. Brenner-Film # 4 bietet, selbstverfreilich unter Aufbietung der gewohnten Qualitätsattribute in Regie, Adaption und Hauptrolle, gewohnte Spitzenqualität. Zwar bleibt der unmittelbare Vorgänger „Der Knochenmann“ unangefochtenes Kronjuwel des bisherigen Kinozyklus um den Ermittler par situation, das lag jedoch an dessen Brillanz hinsichtlich Milieuzeichnung und Genregrenzauflösung sowie dem phantastischen Josef Bierbichler. Wobei Tobias Moretti als dem Bösen verfallener Briagadier, der alle moralischen Schranken behende hinter sich gelassen hat, ihm sogar beträchtlich nahekommt.
Dennoch, in „Das ewige Leben“ bewegen wir uns wieder etwas mehr Richtung kriminalistischer Erdung, wenngleich Abgründe wie Inzest, Verrat sowie alternsbedingte Boshaftigkeit ihre langen Schatten auf das Geschehen werfen. Dadurch, dass wir bereits vorab geifernden Zuschauer die wahren Hintergründe und Besorgnisse Brenners, die sich aus den längst verdrängt geglaubten Zusammenhängen der Vergangenheit ergeben (kongenialer Soundtrack zu Brenners splittrigen Revisionen: „When I Was Young“ von den Animals), nur bruchstückhaft kennen und zu interpretieren lernen, ergibt sich ein sich schrittweise aufbauender Spannungsbogen, der die bislang privateste Involvierung des verlotterten Kriminalers im Film aufbietet. Echtes Obers is des amal wieder.
Nach der bisherigen Relation müssten jetzt nebenbei sieben Jahre bis zum nächsten Brenner-Film vergehen. Da mir dies entschieden zu lang dauert, lege ich dagegen hiermit vorsorglichen Protest ein!

9/10

LIONHEART

„May this beat always and forever remind you of your vow!“

Lionheart ~ USA/HU 1987
Directed By: Franklin J. Schaffner

Frankreich, um das Jahr 1190: Der junge Ritter Robert Nerra (Eric Stoltz) löst sich von seinem Vater, um zu Richard Löwenherz (Neil Dickson) zu stoßen, der soeben den Dritten Kreuzzug ins Heilige Land antritt. Auf seiner Reise nach Süden begegnet er vielen weiteren Jugendlichen und Kindern, die es aus den unterschiedlichsten Gründen in die weite welt verschlagen hat und die sich insbesondere vor Sklavenhändlern wie dem berüchtigten, bösen „Schwarzen Prinzen“ (Gabriel Byrne) fürchten. Sie alle schließen sich Robert an. Kurz vor dem Treffen mit Löwenherz kommt es zum finalen Duell zwischen Robert und dem Schwarzen Prinzen, an dessen Ende Robert sich einer neuen Agenda besinnt.

Ein recht trauriges Exempel für verschenkte Möglichkeiten, von der Filmhistorie – und solches zu konstatieren trifft mich selbst hart – zu Recht vergessen. In seiner vorletzten Regiearbeit begibt sich der alternde Franklin J. Schaffner ein zweites Mal, ganze siebenundzwanzig Jahre nach dem sehr gelungenen „The War Lord“, ins finstere mediävistische Milieu. Die Geschichte des im Jahre 1212 stattgefundenen Kinderkreuzzuges beeinflusste offenbar auch die von „Lionheart“, rückte sie allerdings chronologisch zurück und verquickte sie mit dem rund zwei Dekaden zuvor anzusiedelnden Engagement König Löwenherz‘ betreffs der Kreuzzüge. In die Hauptrolle setzt man einen jungen Ritter mit nicht vollends begreiflicher Motivation [er flieht entsetzt, nachdem sein Onkel (Nicholas Clay), der sich zuvor bereits dem englischen König anschließen wollte, auf dem Schlachtfeld gefallen ist] und dessen Ziel im Grunde den ganzen Filmen über im Trüben wabert. Etliche vielversprechende und schöne Mosaiksteine säumen „Lionheart“, darunter die seherischen Fähigkeiten eines geheimnisvollen Mädchens (Nicola Cowper), oder die Idee mit den tuberkulösen Waisenkindern in den Katakomben unter Paris. Jerry Goldsmiths pompöser Score indes plustert den Film zu visuell wie atmosphärisch uneinlösbaren Sphären auf und wirkt damit hoch eklektisch. Die größte Crux von „Lionheart“ jedoch liegt darin, sich, vermutlich unbewusst, zwischen alle Stühle zu setzen: bald den Atavismus des Mittelalters beschwörend, dann wieder liebäugelnd mit dem klassischen Ritterfilm, schließlich nach Zugeständnissen suchend, um sich dem zeitgenössisch-familiär orientierten Blockbusterkino der Mitt- bis Spätachtziger anzuschließen. Das Resultat ist ein in unbefriedigender, weil unausgeglichener Schwebe befindliches, leider phasenweise gar uninteressantes Werk, das lediglich für eherne Schaffner-Komplettisten oder Mittelalter-Allesseher noch von Restbedeutung sein dürfte.

4/10

CARTOUCHE

Zitat entfällt.

Cartouche (Cartouche, der Bandit) ~ F/I 1962
Directed By: Philippe de Broca

Paris im frühen 18. Jahrhundert: Nach einem Zwischenspiel bei der kaiserlichen Armee schwingt sich der listige Tagedieb Louis-Dominique Bourguignon (Jean-Paul Belmondo) zum Räuberhauptmann „Cartouche“ auf, der mit seinen ihm treu ergebenen Männern auschließlich reiche Adlige ausplündert und mit diesen seine subversiven Scherze treibt. Besonders der Polizeipräfekt Ferrussac (Philippe Lemaire), auf dessen schöne Gattin Isabelle (Odile Versois) der auch als gehöriger Filou umtriebige Cartouche ein Auge geworfen hat, fühlt sich von den kostspieligen Streichen des Banditen brüskiert. So nutzt er seine Frau, um Cartouche eine Falle zu stellen, die letztlich dessen Geliebte Vénus (Claudia Cardinale) mit dem Leben bezahlen muss.

„Cartouche“ markierte die erste von insgesamt fünf Kollaborationen zwischen Regisseur Phillipe de Broca und Jean-Paul Belmondo und richtete dem im Aufstieg begriffenen Star zugleich dessen zweites, später dominierendes Standbein als gewitzter, romantischer Abenteurer und Actionheld ein, nachdem er bis dahin vornehmlich als dramatischer Darsteller in Nouvelle-Vague-Filmen aufgefallen war. De Brocas Film nimmt sich der bereits a priori cinephilen Geschichte des gleichnamigen Pariser Herumtreibers und Ganoven an, der in unmittelbar postnapoeleonischer Zeit sein Unwesen in der Metropole trieb und als einer Art „französischer Robin Hood“ die Annalen beflügelte. Bébel entpuppt sich umgehend als außerordentlicher Glückstreffer für die Rolle des Cartouche; allein sein allenthalben sarkastischer Gesichtsausdruck, der ihm den unnachahmlichen Hauch des Überheblichen, bisweilen stets etwas besser Informierten verleiht, ist die halbe Miete. Dass die Gratwanderung zwischen Verletzlichkeit und Ernst von ihm nicht minder trefflich gemeistert wid, untermauert noch den ikonographischen Status von Film und Figur. Die Inszenierung und dramaturgische Dichte vermag allerdings nicht mit den großen US-Vorbildern aus dem Swashbuckler- und Kostümfilmsegment Schritt zu halten. Besonders in der ersten Hälfte zerfällt de Brocas Narration immer wieder ins Episodenhafte und nimmt sich zuviel Zeit für letztlich Unerhebliches. Claudia Cardinales Figur der Vénus, die ich als eine der interessantesten des Films wahrnahm und deren Part sich ja im Nachhinein auch als stark motivatorisch für den Titelhelden entpuppt, wird derweil zu gering vertieft, zumal die Cardinale, jung und schön, vor aufregender Vitalität nur so sprüht.
Ein nicht ganz makelloser Abenteuerfilm also, der zumindest für jeden, der sich halbwegs intensiv mit Belmondos filmischem Schaffen befasst, eine allerdings unerlässliche Vorstellung impliziert.

7/10

LINKEROEVER

Zitat entfällt.

Linkeroever (Nightmare On Left Bank) ~ BE 2008
Directed By: Pieter Van Hees

Nachdem sie mitten im Schuhgeschäft kollabiert ist, erhält die junge Antwerpener Läuferin Marie (Eline Kuppens) die Diagnose, unter einem aggressiven Virus zu leiden und sich dringend auskurieren zu müssen – ausgerechnet kurz vor den anstehenden Meisterschaften. Da kommt ihr der schmucke Bogenschütze Bobby (Matthias Schoenaerts), in den sie sich heftig verliebt, gerade recht: Bobby bietet ihr an, sich in seiner Wohnung am linken Ufer der Schelde zu erholen, für Marie, deren dem Ökolgiewahn verfallene Mutter (Sien Eggers) ihr gehörig auf den Keks geht, eine willkommene Option. Dann jedoch mehren sich beunruhigende Gegebenheiten: Marie leidet unter bizarren Träumen, ein unerlaubter Waldlauf endet mit einem Sturz, der ein verwundetes, sich immer schlimmer entzündendes Knie nach sich zieht und Recherchen betreffs Bobbys verschwundener Vormieterin Hella (Ruth Becquart) werfen noch mehr Fragen auf. Schließlich ist da der geheimnisvolle, verriegelte „Keller 51“, in dessen Innerem sich ein kreisrundes Loch mit hochviskoser, schwarzer Flüssigkeit befindet…

Ein sehr schön gestalteter Horrorfilm aus Belgien, der sich zwar wiederum bei etlichen altbekannten Genremotiven bedient und diese neu arrangiert, dabei jedoch von liebevoller bis fachkundiger Hand gestaltet und erzählt wird. Anstatt sich in bei seinem kleinen Budget vermutlich ohnehin eher störender Effekthascherei zu ergehen, bleibt das Allermeiste gepflegt diffus und der Zuschauerkonstruktion überlassen. Grundsätzliche Ahnherren finden sich einmal mehr in Person Roman Polanskis, nominell dessen Meisterwerken „Rosemary’s Baby“ und „Le Locataire“ sowie Hardys „The Wicker Man“, wobei der phantastische Einschlag in „Linkeroever“ sich um Einiges stärker und akuter manifestiert als bei zumindest den zwei Letztgenannten. Wir erfahren nämlich im Laufe der Geschichte, dass Marie in die Fänge eines paganistischen, bereits seit vorchristlicher Zeit umtriebigen Kults geraten ist, der seit jeher am linken Schelde-Ufer sein uraltes Unwesen treibt und mit einer geheimnisvollen Entität im Erdinneren in Verbindung steht. Jene fordert alles sieben Jahre ein Opfer pünktlich zu Allerheiligen, das die Ernte der Folgejahre gewährleisten soll und durch Seelenwanderung reinkarniert wird. Der als „Zulieferer“ fungierende Bobby scheint dabei, wie Marie und der sie unterstützende Dirk (Tom Dewispelaere) herausfinden, selbst nicht zu altern. Dabei erhöht Van Hees den Unbehaglichkeitsfaktor kaum merklich und sukzessive bis hin zur perplexen Gewissheit, sind Glauben und Wirken der paganistischen Bruderschaft doch nicht wie gemeinhin üblich von destruktivem Satanismus oder apokalyptischen Weissagungen dominiert, sondern von der Überzeugung, dass das Leben einem unaufhörlichen Zyklus obliegt. Dass man bei der Geheimhaltung der allenthalben durchgeführten Praktiken recht rigoros zu Werke gehen muss, liegt ferner in der Natur der Sache, schließlich kann und darf die aufgeklärte Gesellschaft derlei unzivilisiertes Treiben nicht gutheißen.

8/10