THE GIFT

„Kids are mean.“ – „Kids are honest.“

The Gift ~ USA 2015
Directed By: Joel Edgerton

Das Ehepaar Simon (Jason Bateman) und Robyn Callem (Rebecca Hall) zieht von Chicago nach Los Angeles, wo Simon einen aufstiegsversprechenden Posten angetreten hat. Während die beiden dabei sind, das neue Haus einzurichten, treffen sie in der Mall auf Gordon Moseley (Joel Edgerton), einen alten Schulkameraden von Simon, an den dieser sich jedoch nicht unmittelbar erinnert. Von diesem Moment an heftet sich Gordon, genannt „Gordo“, immer dichter an das Ehepaar, hinterlässt Geschenke und besucht Robyn häufiger, wenn Simon auf der Arbeit ist. Diesem werden Gordos Aufdringlichkeiten bald zuviel und im Zuge eines etwas seltsam verlaufenden Besuch in dessen Haus macht Simon Gordo klar, dass er ihn und Robyn künftig in Ruhe lassen soll. Obschon Gordo in einem Brief versichert, dass er sich dieem Wunsch fügen wird, kommt es zu immer bedrohlicheren Ereignissen im Haus der Callems: Der Hund verschwindet für ein paar Tage spurlos, Robyn, die meint, einen Fremden im Haus zu sehen, erleidet einen mehrstündigen Blackout. Als sie schließlich schwanger wird – zum zweiten Mal, nachdem sie einst eine stressbedingte Fehlgeburt hatte -, und Simon befördert wird, scheint sich alles zum Guten zu wenden. Eine Monate später stattfindende, zufällige Begegnung mit Gordo führt dazu, dass Robyn schließlich ihre eigenen Nachforschungen über dessen und Simons gemeinsame Vergangenheit anstellt. Diese offenbaren ihr vor allem eine Erkenntnis: Ihr Gatte ist nicht der Mann, den sie seit Jahren zu kennen glaubt…

Sein Langfilmdebüt als Autor und Regisseur konnte Joel Edgerton bei Blumhouse unterbringen, wobei „The Gift“ sich zumindest auf den ersten Blick durchaus konform in das genregeprägte Portfolio von Jason Blums Company eingliedert. In rein dramaturgischer Hinsicht arbeitet der Film nämlich zuvorderst mit zweierlei durchaus gängigen Suspense-Elementen: Der Evozierung einer von zunehmender Bedrohung geprägten Stalking-Atmosphäre sowie dem sorgsam vorbereiteten twist, der die vormals als halbwegs zuverlässig eingestufte Wahrnehmung der Rezipientenschaft mit der genüsslichen Weisheit der sich allmählich anbahnenden, eigentlich doch längst offensichtlichen Erkenntnis auf den Kopf stellt. Während mit Simon Callem und Gordo Moseley zwei männliche Antagonisten mit gemeinsamer, trüber Vergangenheit, die ganz genau um die sie unweigerlich aneinander schweißenden, lange zurückliegenden Ereignisse wissen, ihr heimliches Katz-und-Maus-Spiel entfesseln, ist man als ZuschauerIn auf die Perspektive der Protagonistin Robyn Callem angewiesen, einer von Rebecca Hall wie gewohnt als selbstbewusste, kluge und sympathische Person gespielten „Frau „woman with issues“. Denn auch diese gibt es, wie sich bald zeigt – Robyn litt vormals unter anscheinend paranoiden Episoden, die die Nutzung starker Beruhigungsmittel erforderten und wohl auch mitverantwortlich waren für den unfreiwilligen Schwangerschaftsabbruch. Der Umzug nach Kalifornien soll demnach auch für sie eine biographische Zäsur mit sich führen – zumindest dürfte dies dem Traum ihres Ehemannes von einem makellosen Familienleben zupass kommen. Doch ist Simon eben nur vorgeblich selbst frei von charakterlichem Dunst. Ob er am Ende, als er, schicksalsbedingter wie moralisch ausgebooteter Verlierer und finale Projektionsfläche seiner Ränkespiele, alles verloren hat, zur große Selbsterkenntnis befähigt sein wird, bleibt fraglich. Wenn jedoch in jüngeren psychologisch gefärbten Medienessays von Narzissten, Sozio- oder Psychopathen und Gaslightern die Rede ist, dann ist zumindest die Publikums-„Analyse“ schnell bei der Hand: Um so einen (oder vielleicht alles auf einmal) handelt es sich auch bei Simon Callem, der zeitlebens rücksichtslos verbrannte Erde hinterlässt, weil er es eben kann.
Simons Demaskierung nun geht, mit Ausnahme des Verlusts von ein paar Koi-Karpfen, stets in halbwegs zivilisierten Bahnen vonstatten; selbst der putzige Haushund Mister Bojangles baumelt nicht wie zunächst befürchtet am Apfelbaum im Garten, sondern kommt einfach zurück. Moseley erweist sich als geschickt genug, seine frühere Nemesis mit den eigenen Waffen zu schlagen, ohne dabei selbst zum Kapitalverbrecher zu werden. Timing und suggestive Verunsicherung genügen. Damit ist „The Gift“ womöglich der cleanste Rachethriller der letzten zehn Jahre.

7/10

GLASS ONION: A KNIVES OUT MYSTERY

„I’ve learned through bitter experience that an anonymous invitation is not to be trifled with.“

Glass Onion: A Knives Out Mystery ~ USA 2022
Directed By: Rian Johnson

Gemeinsam mit einigen anderen mehr oder weniger wertigen Gästen findet sich der weltbeste Privatdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) auf der sonnenverwöhnten, privaten Ägäis-Insel des exzentrischen Multimilliardärs Miles Bron (Edward Norton) wieder. Dieser hat seinen erlesenen Freundeszirkel für ein Exklusivwochenende in seinen luxuriösen Wohnkomplex „Glass Onion“ eingeladen, um dort ein gleichfalls partyseliges wie kriminalistisch herausforderndes Wochenende zu verbringen, mit ihm selbst als Mordopfer und der sich daraus ergebenden Frage um den Täter und dessen Motiv. Da mit Ausnahme des Detektivs alle Anwesenden gleichermaßen in einem perfiden Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem „Freund“ und Gastgeber stehen, kommt jeder in Frage, doch Blanc, der, wie sich bald herausstellt, mitnichten auf Brons Wunsch hin vor Ort ist, torpediert dessen Spiel kurzum und nonchalant. Bald jedoch gibt es eine wirkliche Leiche…

Benoit Blancs wiederum von Rian Johnson geschriebenes und inszeniertes zweites Filmabenteuer wird aktuell direkt von bzw. via Netflix lanciert, was eigentlich auch ganz gut passt zu dem sich bereits jetzt als strukturgewohnt abzeichnendem Kriminal-Serial. Seine satireaffine Poirot-Liebe bringt Johnson abermals in Höchstmaßen zu Geltung; wer die Kinostücke um Peter Ustinov kennt, weiß grob umrissen bereits, was Daniel Craig alias Benoit Blanc zu bieten hat: mondäne Schauplätze, luxuriöses Ambiente, spektakuläre Architektur und Interieurs. Dazu ein zumindest halbwegs prominent besetztes Ensemble, das genussvoll eine Schar grober, von Egozentrik, Gier und Arroganz zerfressener Unsympathen darbietet, an deren Spitze – natürlich – das (in diesem Fall eigentlich nur potenzielle) Mordopfer steht. Als recht witzig entpuppen sich die diersen Seitenhiebe in Richtung der Covid-Pandemie und des zeitweiligen Umgangs mit ihr, die darüberhinaus zahllos okkurierenden Popkultur- (und Selbst-)referenzen zu entdecken, überlässt Johnson findigen Zuschauern noch als zusätzliches Bonmot. Wesentlich mehr jedoch bleibt sich über den allseitig professionell (und demzufolge gediegen überrschungsfrei) gehandhabten „Glass Onion“, der seinen etwas unsinnigen Untertitel wohl ausschließlich zur Steigerung des Wiedererkennungseffekts trägt, kaum zu sagen. Das Beziehungsgeflecht der illustren Beteiligtenschar nimmt sich ebenso vordergründig kompliziert wie obsolet aus und dient allein dem Alibi der großzügigen Erzählzeit. Es hagelt MacGuffins in Hülle und Fülle, sowohl in Objektform, als auch in narrativen Finten. Spaß macht „Glass Onion“ nichtsdestotrotz schon, zumal er in kommenden Jahren vielleicht als endgültige Initiation einer Art internationaler „Traumschiff“-Variante für die Festtagssaison gelten mag. Einen Blanc alle zwei, drei Jahre zu Weihnachten, hell, schick und ein kleines bisschen hohl, fände ich durchaus erträglich. Den als einziges Ingredienz völlig aus dem Rahmen fallenden, schlurrigen Kifferhippie Derol (Noah Segan), der erfreulicherweise gar keine Funktion besitzt (außer vielleicht die, findigen Freizeitdetektiven frustrierte Fragezeichen zu entlocken), sollte man allerdings als künftigen running gag gern beibehalten.

7/10

SAVAGE SALVATION

„Welcome to the family, Shelby John.“

Savage Salvation (Pfad der Vergeltung) ~ USA 2022
Directed By: Randall Emmett

Kriegsveteran Shelby John (Jack Huston) und seine Freundin Ruby Red (Willa Fitzgerald) sind Heroinjunkies. Ihren Stoff beziehen sie von dem rücksichtslosen Straßendealer Elvis (Swen Temmel), der recht ungehalten reagiert, als das Paar durchblicken lässt, nach einem kalten Entzug clean geworden zu sein und auf den Pfad der Tugend zurückkehren zu wollen. Shelby hat Ruby mittlerweile sogar einen Heiratsantrag gemacht und sie möchte sich darüberhinaus zur Feier der Entwöhnung baptistisch taufen lassen. Doch dazu kommt es nicht mehr; Elvis bringt Ruby auf dumme Gedanken, woraufhin diese sich den goldenen Schuss setzt. Für den wutschäumenden Shelby – ganz zum Unwillen von Sheriff Church (Robert De Niro) – Grund genug, seine kombattanten Fertigkeiten zu reaktivieren und sich mit deren Einsatz bis zum unerwarteten Kopf der hiesigen Drogenmafia vorzuarbeiten…

Als wahres Cringefest entpuppte sich dieser offenbar von der Baptistenkirche gesponsorte, erzreaktionäre Film aus dem Bodensatz einer spezifischen medialen Trübnis, in der ich künftig erst gar nicht weiter stochern möchte. Natürlich lockten die Namen De Niro und Malkovich, bis vor rund zwei Dekaden zwei der zuverlässigsten und besten Schauspieler im anglophonen Raum, von denen man nie und nimmer gedacht hätte, dass sie ihr Brot dereinst so sauer würden verdienen müssen. Es dürfte ihnen, wie ja offenbar recht vielen betagteren Darstellern, die ihr Altersauskommen in käsigem Genreschmodder für den DTV-Markt gefunden haben, mittlerweile recht mies gehen, um ihre Kunst für Müll wie „Savage Salvation“ korrumpieren lassen zu müssen. Der Regisseur Randall Emmett entpuppt sich nach kurzer Recherche als bedauernswerter Produzent zahlloser Bruce-Willis-Vehikel, den der dem Vernehmen nach recht lädierte Akteur einzig und allein durch Mini-Auftritte seinen Stempel aufdrückte und die recht unansehnlich sein sollen. Für seine zweite eigene Inszenierung standen Emmett dann zumindest drei renommierte Namen zur Verfügung, doch was helfen die im Angesicht einer dezidiert biblisch-konservativ konnotierten Rachegeschichte, die letztlich nur für regelmäßige Kirchgänger und Sonntagsspaziergänger genießbar sein kann?
„Savage Salvation“ bedient ausnahmslos jedes zur Verfügung stehende dulle figurale Klischee; der PTBS-versehrte Veteran und seine schöne Maid ziehen sich gegenseitig am Schopf aus dem Sumpf der Drogenhölle, nur um dann doch wieder zu Opfern der unnachgiebigen Pusher zu werden, jene natürlich vornehmlich unkaukasischer Ethnie zugehörig. Dem trauernden Verlustierer bleibt nurmehr blutige Vigilanz, irgendwann sogar mit dem zähneknirschenden Segen des treusorgenden Sheriffs, der den eigenen Sohnemann einst ebenfalls ans Rauschgift verlor. Am auch noch die allerletzten Sympathien kapernden Ende lässt sich dann auch Shelby John nach getanem Werk kopfüber in den Fluss tunken – ein Schäfchen mehr für Gottes wackre, weiße amerikanische Reihen. Dass dabei selbst die versprenkelt eingestreuten Actionszenen lahm und unbeholfen daherkommen – geschenkt. Ernsthaft: schon lange nicht mehr so im Strahl gekotzt.

2/10

INEXORABLE

Zitat entfällt.

Inexorable (Eiskalter Engel) ~ B/F 2021
Directed By: Fabrice du Welz

Just als die reiche Verlegerin Jeanne (Mélanie Doutey) mit ihrem Gatten, dem einst von ihr berühmt gemachten Autoren Marcel Bellmer (Benoît Poelvoorde) und der gemeinsamen kleinen Tochter Lucie (Janaina Halloy) auf das stattliche Familienanwesen in der Provinz zurückzieht, macht die Familie die Bekanntschaft der verloren erscheinenden Gloria (Alba Gaïa Bellugi). Gloria gewinnt rasch Lucies Sympathien. Auch Jeanne und Marcel schenken ihr bald Vertrauen und stellen die junge Frau als Hausmädchen ein. Doch pflegt Gloria ihre ganz persönliche Agenda, die in einer dunklen, gemeinsamen Vergangenheit mit Marcel fußt und die das familiäre Idyll geradewegs in den Abgrund führt.

Seinen steten Hang zur Erkundung menschlicher Abseitigkeiten pflegt der Belgier Fabrice du Welz auch in seiner jüngsten Regiearbeit wieder aufs Neue. Obschon die durchaus klassisch anmutende Grundkonstellation, in der es um die umfassende Vergeltung einer um ihre Existenz geprellten und verratenen Frauen-, respektive Tochterfigur geht, vergleichsweise tradierte Tropen bedient, gelingt es du Welz dennoch, seiner Inszenierung eine tiefe Abgründigkeit zu verleihen, die andere Filmemacher in dieser Konsequenz möglicherweise gescheut hätten. Jener böse Fatalismus resultiert nicht zuletzt aus dem „Inexorable“ inhärenten Welt- und Menschenbild, in dem es im Prinzip nur zwei rundheraus unschuldige Figuren gibt: das noch im Grundschulalter befindliche Mädchen Lucie und den schneeweißen, zu Beginn des Films aus dem Tierheim adoptierten Schäferhund Odysseus. Dieser symbolisiert gewissermaßen den Dreh- und Angelpunkt für Glorias zunächst noch diffusen Plan. Indem sie sich das Vertrauen von Hund und Kind erschleicht, öffnen sich Gloria Tür und Tor zu ihrem eigenen Vorhaben, das bei aller Perfidie auf einer tief gestörten, autoaggressiv geprägten Borderline-Persönlichkeit gründet. Doch auch das Ehepaar krankt an Lügen und Trugbildern. Weder ist Marcel in Wahrheit der als genialisch gefeierte Literat, den alle Welt in ihm wähnt, noch vermag Jeanne seine vermeintlich mittelfristig stagnierende Kreativität durch ihre offenen, sexuellen Avancen zu befördern. Lucie legt auf ihrer eigentlich als soziale Initiation geplanten Geburtstagsparty ein empörliches Black-Metal-Playback hin; auf den armen, braven Odysseus wartet die Todesspritze. Der höhlende Wurm steckt da längst im Apfel; Gloria muss ihn nurmehr um ein paar wenige Häppchen nähren und ans Tageslicht locken. Am Ende ihrer destruktiven Bemühungen steht dann tatsächlich die Auflösung der Bastion Familie; die Karten liegen auf dem Tisch, das blutige Duell zweier reziprok entkernter Seelen endet mit einem Remis. Die Überlebenden werden diese sinistren Ereignisse noch lange beschäftigen.

8/10

FOREVER MINE

„You will never be loved the way you are now. You have have never been and you will never be.“

Forever Mine ~ USA/CA/UK 1999
Directed By: Paul Schrader

Im Sommer 1973 arbeitet der Student Alan Riply (Joseph Fiennes) in einem mondänen Strandhotel als „cabana boy“. Hier verliebt er sich auf den ersten Blick in Ella (Gretchen Mol), die Gattin des wohlhabenden Geschäftsmannes und Urlaubsgasts Mark Brice (Ray Liotta), die Alan fortan umgarnt. Bald erwidert Ella seine Gefühle und die beiden verleben eine nur wenige Tage währende Kurzromanze, bevor Ella und ihr Mann nach New York zurückkehren. Alan weigert sich jedoch, das geliebte Wesen einfach aufzugeben, reist ihr kurzerhand hinterher und beginnt vor Ort eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Als die streng katholische Ella Mark ihre Affäre beichtet, setzt dieser alles daran, Alan „unschädlich“ zu machen. Zunächst hängt er ihm eine Verurteilung wegen Drogenbesitzes an, doch Alan lässt sich selbst im Gefängnis nicht ausbooten und schreibt Ella einen Liebesbrief nach dem anderen, bis der immer eifersüchtigere Mark keinen anderen Ausweg sieht, als den Nebenbuhler um die Ecke bringen zu lassen. Alan überlebt jedoch schwer verletzt und sinnt auf Rache. Vierzehn Jahre später ist es soweit: Unter neuer Identität als Rechtsberater Manuel Esquema kehrt er zu den Brices zurück und mischt die Karten neu…

„Forever Mine“, eine Liebeserklärung an die Liebe, zählt zu den eher selten erwähnten Werken in Schraders Œuvre, dabei handelt es sich nach meinem Dafürhalten um einen seiner schönsten Filme. Voller Reminiszenzen und Avancen an Wegbegleiter und Kulturgenossen steckt seine zwölfte Kinoregie, eine sehr revisionistisch gefärbte Noir-Romanze in Breitwand, wie sie – zumindest auf rein inhaltlicher Ebene – auch ebensogut in den vierziger oder fünfziger Jahren hätte entstehen mögen. So rekurriert Schraders Inspirationspool neben dem geradeheraus zitierten, berühmten Flaubert-Roman „Madame Bovary“ unter anderem auf Robert Floreys wunderbaren „The Face Behind The Mask“, Elmore Leonard und das Kino von Brian De Palma (für den Schrader 1976 das Script zu „Obsession“ verfasst hatte und dessen Hauskomponist Angelo Badalamenti in „Forever Mine“ durchaus ähnliche Harmonien erklingen lässt). Die für Schraders Verhältnisse ungewöhnlich herzlich und herzergreifend erzählte Liebesgeschichte scheut keinerlei Kitschrisiken, wobei der auteur die entsprechenden Momente freilich stark zu transzendieren weiß – auch „Forever Mine“ offeriert trotz seines völlig typologisch eingesetzten Ensembles und der mit weichgezeichneten Rückblenden versetzten Oberflächenpolitur eine vornehmlich düstere, nicht selten melancholische Atmosphäre, wobei Missgunst, Gefahr und Brutalität vornehmlich von dem gehörnten Ehemann ausgehen, der zu arrogant ist, um klein beizugeben und seine immer weiter forttreibenden Felle schwimmen zu lassen. Allein durch sein rücksichtsloses Intervenieren wird irgendwann auch Alan Riply gezungen, kriminell zu werden und sämtliche ursprünglich avisierten Lebensentwürfe über den Haufen zu werfen.
Freilich lassen sich auch hier die ewigen Schrader-Topoi Calvinismus, (Über-)Lebenskampf, Schuld, Sühne und Erlösung ausmachen; diesmal jedoch in einer dem reinen Streben nach verdienter Zweisamkeit untergeordneten Auslotung, was „Forever Mine“ sehr gut tut. Ich muss zugeben, dass ich gerade jetzt in einer höchst empfänglichen Stimmung für derlei Schmonziges bin, warum „Forever Mine“ auch unerwartet massiv bei mir einschlagen konnte.
Schön!

9/10

DYING OF THE LIGHT / DARK

„The truly dangerous people are the ones who follow orders.“

Dying Of The Light / Dark ~ USA/BAH 2014/2017
Directed By: Paul Schrader

Seit der CIA-Agent Evan Lake (Nicolas Cage) vor zweiundzwanzig Jahren von dem Islamistenführer Muhammad Banir (Alexander Karim) einem Folterverhör unterzogen wurde, ist er von dem Gedanken besessen, seine alte Nemesis dingfest zu machen. Nach dem Zugriff der Agency galt Banir offiziell als tot, Lake jedoch ist überzeugt davon, dass er sich noch irgendwo unter anderem Namen versteckt hält. Als Lake erfährt, dass er unter FTD leidet, einer besonders aggresiven Form von Demenz, setzt er alles daran, seine letzte persönliche Mission noch durchführen zu können, wird aber umgehend in den Ruhestand versetzt. Lakes Kollege Milton Schultz (Anton Yelchin) erhält derweil brandaktuelle Informationen, die über Umwege zu dem sich in Mombasa versteckt haltenden Banir führen: Offenbar leidet auch dieser an einer tödlichen Krankheit namens Thalassämie, für die er ein spezielles Medikament benötigt, das er aus Bukarest bezieht. Lake und Schultz reisen nach Rumänien und finden heraus, dass ein Doktor Cornel (Serban Calea) Banirs medizinische Versorgung übernommen hat. Lake nimmt Cornels Identität an und stellt sich Banir in Kenia.

Geht es um „Dying Of The Light“, ist dessen unrühmliche Herstellungs- und Veröffentlichungsgeschichte unumgänglich. Der beinahe fertige Film, der ursprünglich von Nicolas Winding Refn mit Harrison Ford und Channing Tatum hatte inszeniert werden sollen, wurde Regisseur Schrader während der Postproduktionsphase aus den Händen gerissen, umgeschnitten, mit neuer Musik sowie einem veränderten color grading versehen mit dem Ziel, die sperrige Fallstudie des Protagonisten für ein größeres Publikum kommensurabel und somit kommerziell attraktiver zu gestalten. Schrader, Cage, Yelchin, Refn und etwas später auch dp Gabriel Kosuth distanzierten sich daraufhin öffentlich von dem Film infolge der Art und Weise, wie ihr künstlerisches Engagement mit Füßen getreten wurde, sie durch einen Knebelvertrag zur Kommentarenthaltung gezwungen und ihnen dennoch die Möglichkeit verwehrt wurde, ihre Namen aus dem Projekt zurückzuziehen. Das Thema ließ Schraders künstlerische Inegrität freilich nicht los und er erstellte drei Jahre später nochmals eine reeditierte Fassung mit dem Titel „Dark“, eine Art fragmentarisch anmutende Rumpf- oder Torsovariation seines ursprünglich geplanten Films. Für die Arbeit daran befleißigte er sich einiger aus der Produktionsphase stammender Workprint-DVDs, da ihm das originäre Digitalmaterial nicht zur Verfügung stand. „Dark“, ursprünglich ausschließlich zur Vor-Ort-Betrachtung in drei amerikanischen Filmarchiven vorbehalten, allerdings längst via semilegale Kanäle beschaffbar, ist fast zwanzig Minuten kürzer als „Dying Of The Light“ und von wesentlich herausfordernder Gestalt, was sowohl seine Form als auch seine inhaltliche conclusio anbetrifft. Den allgemein verfügbaren Produzentenschnitt empfinde ich dabei keineswegs als jenes Volldebakel, zu dem er immer wieder gern deklariert wird. Gewiss, Schraders Signatur ist darin kaum mehr identifizierbar. Der Film lebt beinahe ausschließlich von der sukzessiven Verspiegelbildlichung der Antagonisten Lake – Banir und wirkt ansonsten wie ein in jeder Hinsicht glattgebügelter, risikoloser Agententhriller, der sich vermutlich nicht eklatant von dem Rest von Cages zu dieser Zeit inflationär herausgehauenem DTV-Œuvre abheben dürfte. Anders verhält es sich mit „Dark“, bei dem sich Schrader und sein Cutter Benjamin Rodriguez Jr. unter spürbar avantgardistischer Ägide austobten. In diversen Szenen signifikant kürzer, völlig anders montiert, dabei vollgepfropft mit Farbverfremdungen, Bild-im-Bild-Zooms und vor allem einem an „2001: A Space Odyssey“ gemahnenden, psychedelischen Farbrausch zum Ende, manifestiert sich in diesem Projekt wohl vor allem der – durchaus gelungene – Versuch einer Satisfaktion, eine Veranschaulichung dessen, was grundsätzlich möglich gewesen wäre. Das finale Duell zwischen Lake und Banir, das „Dying Of The Light“ noch ausformuliert (in Form eines aktionsreich inszenierten Terroranschlags auf das Hotel von Lake und Schultz, einem anschließenden, mit der Tötung Banirs endendem Zweikampf sowie Lakes Freitod auf der Straße), wandelt sich in „Dark“ in die vor gleißenden Farb- und Formspektren berstende Reise in ein perzeptives Nirwana, das offenbar Lakes endgültigen geistigen Zerfall im Angesicht seiner kurz vor ihrem Ziel stehenden Reise veranschaulicht. Unter welchen Umständen Lakes Grabstein auf den Arlington-Friedhof kommt, bleibt dann hier wie dort ein Mysterium.
Im Nachhinein empfand ich es als überaus gewinnend, beide Varianten unmittelbar hintereinander sehen zu können, da sich darin eine noch immer halbwegs analytische Vergleichsmöglichkeit feilbietet und sich sowohl Differenzen als auch Gemeinsamkeiten recht zielgenau in Relation setzen lassen.
Zur erhellenden und tiefergehenden Weiterbeschäftigung mit dem Thema möchte ich potenziellen Interessenten noch ein Essay von Lukas Foerster für den Filmdienst, der sich auf höchst lohnenswerte Weise mit Schraders Spätwerk im Allgemeinen, über weite Strecken jedoch primär mit dem Phänomen „Dying Of The Light“/“Dark“ befasst, ans Herz legen sowie einen Beitrag zum Regisseur, den Dominik Graf 2018 im Schatten des Baseler „Bildrausch-Festivals“ für die F.A.Z. (kostenlose Registrierung erforderlich) veröffentlicht hat.

THE CARD COUNTER

„All in.“

The Card Counter ~ USA/UK/CH/S 2021
Directed By: Paul Schrader

Nach achteinhalb Jahren Haft in Leavenworth nennt sich der vormalige PFC William Tillich (Oscar Isaac) nunmehr William Tell, reist von Casino zu Casino und verdient sein Geld als Kartenspieler beim Pokern und Black Jack. Die passenden Gewinnstrategien hat sich der einsame Drifter während seiner Gefängniszeit selbst beigebracht. Auf einem Kongress für Sicherheitstechnik begegnet er dem jungen Cirk (Tye Sheridan), der William unversehens seine Kontaktdaten übergibt. Cirk entpuppt sich als der Sohn von Roger Beaufort, der eine ganz ähnliche Vergangenheit wie William aufweist, an PTBS litt und sich das Leben genommen hat. Beide Männer dienten als Folterverhörspezialisten in Abu Ghraib unter dem Kommando von Major John Gordo (Willem Dafoe), der mittlerweile als Privatier reich geworden ist, während William und Roger as Sündenböcke herhalten und hohe Gefängnisstrafen absitzen mussten und mit ihren Erinnerungen nie fertig werden konnten. Cirk, für sein Alter recht hoch verschuldet, plant, sich an Gordo zu rächen, indem er ihn in der von ihm selbst vorexerzierten Weise foltert und tötet. William setzt sich zum Ziel, das zu verhindern und nimmt den jungen Mann, den er fortan „The Kid“ nennt, unter seine Fittiche. Gemeinsam mit der Spielerakquisiteurin La Linda (Tiffany Haddish), in die sich William verliebt, plant William, genug Geld für sich selbst und für Cirks Zukunft zu gewinnen und sich dann zur Ruhe zu setzen. Doch der Junge kann sich von seinen Rachegedanken nicht loslösen…

Paul Schrader schafft es auch in hohen Jahren und nachdem man hier und dort zwischenzeitlich bereits versucht war, ihn, ähnlich wie andere New-Hollywood-Veteranen wie Friedkin oder De Palma, als betagten Anti-Studio-Don-Quijote abzuwatschen, der den Kampf gegen die Geldgeber endgültig verloren hat, kleine Meisterwerke zu produzieren, ohne dabei auch nur einen Hauch seiner künstlerischen Signatur zu denunzieren. „The Card Counter“ steht als jüngster Film des calvinistischen auteurs in einer langen Motivgenealogie um schuldbeladene, einsame Männer, die sich in ihrer jeweiligen Profession strukturell einrichten und denen die tief im Inneren ersehnte Erlösung versagt bleibt. Erst ein vermeintlich sinnbeladener Gewaltakt scheint als Katalysator ihrer schlummernden, doch omnipräsenten Traumata der Katharsis Raum zu geben – notfalls auch um den Preis des eigenen, physischen Lebens. Durch die jüngeren Arbeiten zieht sich zudem immer wieder das Thema des Einsatzes der US-Streitkräfte im Irak nach 9/11 – früher war es Vietnam. William Tell, von Oscar Isaac in der mit Abstand besten Leistung, die ich bis dato von ihm gesehen habe, umwerfend gespielt, personifiziert in „The Card Counter“ erneut jenen Archetypus, dem man schon so häufig begegnet ist, den einamen Traumatisierten, der auf seinem Weg Herz und Lächeln eingebüßt hat und versucht, auf Erden zu bestehen – notfalls auch, indem er die Dinge auf eine wiederum verlustintensive Weise geradezurücken versucht. Schrader zeichnet den Weg Tillichs/Tells durch Motels und Casinos minutiös nach und schafft eine umfassende Charakteristik ohne viele Worte. Um Ruhe zu finden, kleidet William seine Zimmer stets sorgsam mit schneeweißen Laken aus und hängt alle Bilder ab; der Anschein äußerer Reinheit soll die innere bedingen. Er spielt nicht um des Spielens der gar des Nervenkitzels Willen, sondern um sich damit über Wasser zu halten, seiner Existenz eine sich selbst perpetuierende Alltagsstruktur zu verleihen – allesamt Facetten, die er am passiven Gefängnisleben zu schätzen gelernt hat. Gefühle für andere zuzulassen fällt ihm schwer, da sie zwangsläufig Unwägbarkeiten bedeuten und doch treten zwei Menschen in sein Leben, die schließlich so etwas wie das Miniaturmodell einer Familie repräsentieren. Wo jedoch die partnerschaftliche Liebe zögerlich erblüht (Schrader genehmigt sich hier eine wunderschöne Sequenz im beinahe psychedelisch beleuchteten Missouri Botanical Garden), wird die väterliche gewaltsam enttäuscht. Folter und Kasteiung bleiben unwiderrufliche Elemente in Williams Biographie. Robert Levon Beens sphärische Musik reichert die Sogwirkung von Schraders kontemplativer visueller Erzählweise nochmals an und verehrt „The Card Counter“ das letzte formale Finish. Brillant.

9/10

LES FAUVES

Zitat entfällt.

Les Fauves (Großstadthölle – Gehetzt und gejagt) ~ F 1984
Directed By: Jean-Louis Daniel

Stuntfahrer Christopher Bergham (Daniel Auteuil), genannt Berg, freut sich auf eine gemeinsame Zukunft mit seiner von ihm schwangeren Partnerin und Geliebten Bela (Gabrielle Lazure). Als unerwartet jedoch Belas psychotischer, ihr in inzestuöser Liebe verfallener Bruder Léandro (Philippe Léotard) auftaucht und damit droht, Berg zu töten, wenn sie nicht mit ihm käme, hat das Glück ein jähes Ende. Bela eröffnet Berg unter Tränen und ohne Angabe von Gründen, dass sie ihn verlassen müsse. Den nachfolgenden, gemeinsamen Todessprung vermasselt Berg mit Absicht, doch nur Bela verbrennt in dem verunglückten Wagen. Drei Jahre später arbeitet Berg, der das Geschehene nie verwunden hat, bei der privaten Pariser Sicherheitsfirma „La Veillance“. Deren Mitarbeiter, durchweg gescheiterte Existenzen mit ominöser Vergangenheit, patroullieren nachts durch die Metropole, um Straftaten zu verhindern. Als der rachsüchtige Léandro, den Berg nie persönlich gesehen hat, diesen ausfindig macht, heuert er ebenfalls bei La Veillance an. Eines Nachts versucht Jeff Garcia (Jean-François Balmer), einer von Bergs anderen Kollegen, die junge Bardame Mimi (Véronique Delbourg), auf die auch Berg ein vorsichtiges Auge geworfen hat, zu vergewaltigen. Auf einen Hinweis Léandros hin stellt Berg Jeff, nachdem sich Mimi losreißen konnte, schießt ihm in die Schulter und rast verwirrt davon. Kurz darauf erscheint Léandro, verpasst Jeff einen Kopfschuss und stellt das Ganze so hin, als habe Berg ihn hingerichtet. Unter der Führung des wutschnaubenden Keller (Farid Chopel) jagt das gesamte Team von La Veillance Berg und Sylvia durch die Pariser Nacht.

Ein buchstäblicher Wahnsinnsfilm, wie er in seiner finalen Ausprägung und Gestalt wohl nur in den frühen Achtzigern in Frankreich entstehen konnte. Das völlig freidrehende Script vereint der Reihe nach folgende motivische Blitzlichter: Autostunts, Inzest per Kindesmissbrauch, Totschlag aus enttäuschter Liebe, Rache, organisierte Bürgerwehr, sleazige Modeschauen, homosexueller Frust, Vergewaltigung, schlechte englischsprachige Rocksongs, Amoklauf, Selbstjustiz, Verfolgungsjagden und ganz allgemeinen Irrwitz. Jean-Louis Daniel inszeniert all das deutlich weniger exploitativ als man annehmen möchte, dafür jedoch mit dem unerschütterlichen Selbstverständnis eines Künstlers, der sich just im Begriff wähnt, der Nachwelt etwas ganz Großes zu verehren. Daniel, einem spärlich arbeitenden, jedoch bis heute aktiver Regisseur mit einem recht schillernden Œuvre, merkt man unweigerlich an, dass er sich wenig um freiheitsbeschränkende Erschwernisse wie dramaturgische Schieflagen oder gar inhaltliche Unzulänglichkeiten scherte; was ihn interessiert, sind sein Ensemble und der bloße Sinn für möglichst prominent inszenierte Einsätze von scheinbar bedeutungslosen Details, Momenten, Schauplätzen. Der Ratio gilt es ergo zu entsagen. Dann erlebt man einen noch jungen Auteuil, der seine völlig stoische Mimik zur oberen schauspielerischen Maxime deklariert und vor allem den wunderbaren Philippe Léotard, der mir in letzter Zeit schon häufig begegnet ist mit seinem seltsam verkniffen wirkenden Antlitz. Über den alles andere als klassisch schönen Darsteller ist auf die Schnelle nicht allzu Umfassendes in Erfahrung zu bringen, außer, dass er keine 61 wurde, aus einer politisch aktiven Familie stammte, wechselnde Beziehungen zu Frauen pflegte und wohl zeitlebens mit Alkohol- und Drogenproblemen zu kämpfen hatte, auch dergestalt, dass er Mitte der Neunziger wegen Kokainhandels verurteilt wurde. Ein faszinierender Typ, für den „Les Fauves“ auch ein kleines Denkmal markiert: Als inzestuös veranlagter Provinzpsycho, dem die Großstadt über den Kopf wächst, schwitzt er trotz winterlichen Szenarios so unentwegt stark, dass die Kameralinse zu beschlagen droht, verdreht allenthalben delirant die Augen, hat die dreckigsten Hände der Welt und spielt unvermittelt das ewigselbe Thema auf einer Querflöte (augenscheinlich eine Reminiszenz an Charles Bronson in Leones „C’Era Una Volta Il West“). Ob er wirklich drauf war, weiß ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen, aber es sieht verdammt danach aus, als habe Daniel ihn einfach machen lassen. Jedenfalls lohnte der komplett durchgeknallte „Les Fauves“ bereits allein seinetwegen. Und noch wegen manch anderem.

7/10

RUN ALL NIGHT

„Tell everyone to get ready. Jimmy’s coming.“

Run All Night ~ USA 2015
Directed By: Jaume Collet-Serra

Nachdem der irischstämmige New Yorker Jimmy Conlon (Liam Neeson) viele Jahre als Killer für seinen besten Freund, den Syndikatsboss Shawn Maguire (Ed Harris) gearbeitet hat, fristet er sein Leben als dauerbesoffener Schnorrer und Tagedieb. Sein Sohn Mike (Joel Kinnaman), verheiratet und Vater zweier Kinder, will von ihm nichts wissen. Shawn hat derweil seinerseits Probleme mit dem eigenen Filius Danny (Boyd Holbrook), einem koksenden, lauten Störenfried, der seinen Vater gern in Geschäfte mit der albanischen Heroinmafia einspannen würde. Als dieser ablehnt und Danny jede weitere Hilfe versagt, erschießt dieser die beiden entsandten Albaner (Radivoje Bukvic, Tony Naumovski) kurzerhand, wird dabei jedoch durch einen dummen Zufall von deren Chauffeur, Mike Conlon, beobachtet. Nunmehr macht Danny Jagd auf Mike. Jimmy erfährt von der Sache und rettet Mike das Leben, indem er Danny tötet. Der vor Wut schäumende Maguire Senior vergisst alle Freundschaft und will weder Vater noch Sohn Conlon lebend davon kommen lassen. Ihn und seine Leute, einen übereifrigen Police Detective (Vincent D’Onofrio) und einen psychopathischen Profikiller (Common) auf den Fersen, erwartet die Conlons eine lange Nacht.

Einen der kaum mehr überschaubar vielen Genrefilme, auf die sich Liam Neeson im Alter und wohl beginnend mit Pierre Morels „Taken“ verlegt hat. Auch gemeinsam mit dessen Regisseur, dem spanischstämmigen Jaume Collet-Serra, hat Neeson nunmehr bereits vier Filme gemacht, wobei ich „Run All Night“ immerhin hinreichend ansehnlich fand, mir die übrigen drei in Kürze auch anschauen zu wollen. Nun darf man von diesem, einem grundsätzlich amttlich gecrafteten Gebrauchsfilm immerhin, keine sonderliche Innovation erwarten. Collet-Serras diverse neo-klassische Elemente aus Action- und Gangsterkino fusionierendes Werk schippert auf den ersten Blick im direkten Fahrwasser von Chad Stahelskis „John Wick“: Ein verzogener Gangsterfilius weckt durch sein koksinduziertes, egomanisches Verhalten einen eigentlich zu allseitiger Milieuberuhigung lange schlafenden Hund, der sein vormaliges Handwerk reumütig an den Nagel gehängt glaubt. Der aufgrund fehlgeleiteter Familienehre gekränkte Bossvater entfesselt daraufhin eine leichenreiche Hatz, deren Verlierer am Ende zwangsläufig er selbst und seine Organisation sein müssen, da die sie mitreißende Ein-Mann-Naturgewalt allzu entschlossen agiert. Soweit das Grundprinzip eben auch von „Run All Night“, der insofern noch interessant ist, als dass er sich ein wenig in die Subkultur irischen Migrantentums vortastet und mit Ed Harris einen diesbezüglich ja hinlänglich beschlagenen Antagonisten aufbietet. So ist es vor allem das Väterduell der beiden alternden Stars, das das Herz das Films schlagen lässt. Davon unabhängig, dass der eine der beiden, zumindest bezogen auf ihren gegenwärtigen Clinch, auf der moralisch sicheren Seite steht, hat Jimmy Conlon freilich allzu viele Sünden auf dem Kerbholz, um dem im Morgengrauen und upstate angesiedelten Finale als Katholik noch lebend entweichen zu dürfen – zu viele Opfer sind dem zeitweilig als „The Gravedigger“ Berüchtigten ehedem vor den Lauf geraten. Dabei sühnt Jimmy im Inneren bereits seit vielen Jahren. Vom Gewissen erdrückt, dem Sohn entfremdet und dem Suff verfallen, ist er seinen alten Kumpanen bestenfalls noch für schäbige Scherze gut und darf gerade noch volltrunken den Weihnachtsmann auf Shawns Familienfeier darbieten. Doch wehe, es wird persönlich (und das wird es) – Jimmy ist schneller nüchtern als die nächste Whiskeyflasche entkorkt und türmt im Nullkommanichts Leichen auf wie zu seinen besten Zeiten.
Collet-Serra inszeniert diesen doch relativ austauschbaren Plot dynamisch und wendungsreich; dabei gefällt er sich durch mäßig aufregende, um nicht zu konstatieren redundante Regiesperenzchen wie gewaltige time lapse shots durch das nächtliche New York, die dem eigentlichen Wesen des Narrativs als kammerspielartiger Doppelvendetta eher zuwider laufen. Dennoch bietet „Run All Night“ summa summarum noch immer genug an brauchbaren Elementen, um im leicht überdurchschnittlichen Qualitätssektor bestehen zu können.

7/10

LE BATTANT

Zitat entfällt.

Le Battant (Der Kämpfer) ~ F 1983
Directed By: Alain Delon

Jacques Darnay (Alain Delon) kommt nach acht Jahren Haft vorzeitig aus dem Knast. Er saß wegen eines Überfälls auf den Diamantenhändler Chabry, der bei dem Bruch erschossen wurde. Auch der Tote ging zu Lasten Darnays, obwohl er diesen gar nicht wirklich auf dem Gewissen hat. Die Diamanten im Wert von sechs Millionen Francs sind seither verschwunden, im Gegensatz zur Gier früherer Verbündeter und neuer Widersacher, die sich die Steine unter den Nagel reißen wollen und zu diesem Zweck alles andere als zimperlich vorgehen. Nachdem bereits Darnays alter Freund Mignot (Michel Beaune) und seine Geliebte Clarisse (Marie-Christine Descouard) ermordet wurden, steht Darnay zusehends mit dem Rücken zur Wand. Doch der Kämpfer gibt nicht auf. Mithilfe seiner neuen Gespielin Nathalie (Anne Parillaud), die dem ruchlosen Kredithai Ruggieri (François Périer) entlaufen ist, eröffnet Darnay das Gegenfeuer.

Delons letzte von drei Regiearbeiten binnen drei Jahren (bei der mittleren davon, „Le Choc“, allerdings unkreditiert) widmet der Star zum Abspann „seinem Meister“ René Clement und bestätigt damit schlussendlich nochmals ausdrücklich die für „Le Battant“ gewählte Ausrichtung. Sein zeigefreudiges Liebchen Anne Parillaud aus „Pour La Peau D’Un Flic“ in einer ähnlich fragwürdigen Rolle mitführend, braucht auch Delon selbst keine großen charakterlichen Volten zu vollziehen, um aus dem Detektiv einen Gangster zu machen. Wie Choucas ist Darnay einer, der grundsätzlich reine Platte macht und, dem Titel gemäß, rigoros alles und jeden aus dem Weg räumt, der ihm ans Bein zu pinkeln versucht. Ohne konkret durchzublicken schafft Darnay es stets, souverän zu bleiben und aus jeder noch so unvorhersehbaren Situation als Gewinner hervorzugehen. Am Ende könnte er ohne weitere Komplikationen verschwinden, will entgegen der warnenden Worte Nathalies jedoch nicht auf seine finale, persönliche Rache verzichten. Eine solch unsinnige Aktion gehe im Kino stets ungut für den Helden aus meint Nathalie, doch Darnay belehrt sie eines Besseren: Dies sei bloß der (moralisch unabdingbaren) Zensur des Filmgeschäfts geschuldet. Und Delon wird Recht behalten, er selbst entlässt sich nach getaner Arbeit mit seiner jungen Schönen und den Klunkern nach Südamerika, ganz zum verschmitzten Vergnügen seines Publikums, das seinen Heros, anders als noch bei Melville etwa, nicht mehr zu betrauern hat. Flott.

7/10