GOODBYE, MR. CHIPS

„I’m not going to retire, you can do what you like about it.“

Goodbye, Mr. Chips (Auf Wiedersehen, Mr. Chips) ~ UK 1939
Directed By: Sam Wood

Mr. Charles Edward Chipping (Robert Donat), ehemaliger Latein- und Geschichtsehrer, Hausvater und Direktor, zählt mit 83 Jahren zum Humaninventar des altehrwürdigen Jungeninternats Brookfield. Generation von jungen Menschen hat er in über sechzig Jahren Schuldienst unterrichtet, erzogen, motiviert und betreut. Doch was zeichnet den Menschen Chipping eigentlich aus?
Mit knapp 20 Jahren fängt er in Brookfield an und hat es wie jeder beginnende Lehrer schwer, sich den Respekt und das Vertrauen der nicht wesentlich jüngeren Eleven zu erobern. Trotz mancher Krisensituation „überlebt“ er und wird zu einem stillen, aber geachteten Kollegen, der bei Beförderungen nur allzu gern übergangen wird. Auf einer Österreichreise, zu der ihn der deutschstämmige Kollege Max Staefel (Paul Henreid) mehr oder weniger nötigt, lernt Chipping dann seine Zukünftige Katherine Ellis (Greer Garson) kennen, die ihm erst seine wahre Standfestigkeit und eine elementare Portion Selbstvertrauen verschafft. Doch schon im Kindbett stirbt die arme Katherine mitsamt dem Baby. Chips, wie ihn seine kurzzeitige Gattin liebevoll zu nennen pflegte und wie sein Name prompt in den Schülerjargon eingeht, wird nie wieder einer Frau lieben. Der erste Weltkrieg dezimiert gleichermaßen Lehrer- und Schülerschaft, doch Chips hält als eilends eingesetzter „Ersatzdirektor“ Brooksfield aufrecht. Sein Heim bleibt auch nach der Pensionierung stets die Schule. Auf einen Kommentar des neuen Rektors an seinem Sterbebett, demzufolge Chips bedauerlicherweise nie Kinder gehabt hätte, entgegnet dieser mit gebrochener Stimme: „Sie irren sich. Ich hatte Tausende – und alles Jungs!“

Blendend schönes Biopic von Sam Wood, einem biestigen alten, unsympathischen Hollywood Professional von ganz rechts außen, der sehr viel feinere Filme zu machen pflegte als er selbst charakterliche Qualitäten besaß und dem man Humanistisches wie „Goodbye, Mr. Chips“ kaum zutrauen sollte.
Die fiktive Persona des Charles Edward Chipping schließt einen bewegten historischen Bogen: Er beginnt sein Lehramt in Brookfield vor dem geschichtlichen Hintergrund des Deutsch-Französischen Krieges, „erlebt“ aus der Ferne den Zweiten Burenkrieg und auch den Ersten Weltkrieg. 1933, nachdem er ganze 63 Jahre mit Brookfield verbandelt ist, strirbt Chipping, während Hitler sich in Deutschland zum Diktator aufschwingt. Drei Monarchen begleiten Chippings Lebens- und Berufsweg ebenso wie diverse politische Strömungen, Spannungen und Entspannungen. Und Chips? Der tut stoisch und goldenen Herzens seine Arbeit. Denn jene liebt er wie nichts Anderes auf der Welt, dafür ist er hier und einer der besten zurzeit. Generationen von Schülern lernen unter ihm, Fakten und Lebenslektionen; manch einem kann er später Anekdoten von dessen Großvater im Lausejungenalter erzählen. Sein Status ähnelt schließlich dem eines lebenden Denkmals, einer Legende. Mit zerzaustem, weißen Haar, Nickelbrille, löchrigem Talar und ungleichmäßig rasiertem Schnauzbart ist er manch jungem Schulleiter, der die Institution bereits als Wirtschaftsunternehmen begreift, ein Dorn im Auge, doch die Jungen wissen tief im Herzen, was sie an ihm haben. Alle Jahreszeiten eines Lebens durchwächst Chips und zerbricht trotz schlimmster persönlicher Tragödien nicht an ihnen. Fast jeder Mensch, der ihm etwas bedeutet, muss vor ihm gehen wegen Krankheit oder Krieg und er wirkt derweil wie eine Art Statthalter der Menschlichkeit.
„Goodbye, Mr. Chips“, im Kino-Superjahr 1939 uraufgeführt, ist zeitlos, auch wenn sein Ambiente hier und da leicht muffig erscheint. Er sollte eigentlich jedem angehenden Kollegen, egal welcher Schulform er sich zuwendet, spätestens zum Ende des Vorbereitungsdienstes vorgeführt werden, denn selten wurden Essenz, Liebenswürdigkeit und die gewaltige Entlohnung unseres schönen Berufs in 114 kurzen Kinominuten so pointiert zusammengefasst.

9/10

UNA MAGNUM SPECIAL PER TONY SAITTA

„You can go now. New findings occured.“

Una Magnum Special Per Tony Saitta (Feuerstoß) ~ I/CA/PA 1976
Directed By: Alberto De Martino

Captain Tony Saitta (Stuart Whitman) vom Ottawa Police Department ahnt es schon vor der Beerdigung: Der Tod seiner jungen Schwester, der Studentin Louise (Carole Laure), war alles, nur ganz bestimmt kein Unfall. Vor Ort in Montreal ermittelt er gemeinsam mit seinem Kollegen Ned Matthews (John Saxon) in der Sache und findet bald heraus, dass sich die tatsächlich vergiftete Louise nicht nur gern in übler Gesellschaft herumtrieb, sondern zudem selbst ein ziemliches Früchtchen war. Ihr Mörder treibt zudem immer noch sein Unwesen..

Hier wurde mit extrem heißer Nadel gestrickt, um 85 Minuten Film zu einem halbwegs kohärenten Gesamten zusammenzuklöppeln. De Martino jedenfalls und besonders das Script von Gianfranco Clerici und Vincenzo Mannino bindet dem Zuschauer ein paar regelrechte Super-Bären auf. In fast episodischer und stark an die Dramaturgie einer Folge zeitgenössischer US-Krimiserien gemahnender Manier schicken die Drei das Duo Whitman/Saxon auf Spurensuche. Und das funktioniert so: Etwas Porkeln in der kanadischen Unterwelt fördert immer neue, potenzielle Informanten zutage, denen bloß noch farbenfrohe Namen wie „Zahnstocher-Charly“ oder „Fat Lips Johnson“ fehlen. Darauf fährt man die entsprechenden Kandidaten besuchen und kündigt sich bereits durch laute Begrüßung aus dem offenen Wagenfenster an. Der entsprechende Aspirant nimmt, ohne zu wissen, was die Bullen überhaupt von ihm wollen, sofort die Beine in die Hand und haut ab. Es folgt eine jeweils sieben- bis achtminütige Verfolgungsjagd, bis das meist wenig gewinnbringende Interview dann doch noch geführt werden kann. Es gibt einen MacGuffin in Form einer Perlenkette und eine Pseudoauflösung, die unter Garantie zuvor nicht erraten werden kann und dementsprechend uninteressant und banal ausfällt. Garniert wird das Ganze mit Elementen aus Poliziottesco, Giallo, Sleaze und ordinärem Kriminalfilm, ohne am Ende eines von den Vieren komplett zu bedienen. Und trotzdem macht „Tony Saitta“ Laune: Die Tatsache, dass in all dem eklektischen Wust nichts recht zusammenpassen mag, ist erfrischend, Montreal als Kulisse für einen Euro-Crime überaus seltsam bis gewöhnungsbedürftig, der Score (Armando Trovajoli) geht gut nach vorn und das Ensemble, dass De Martino wieder einmal zusammentrommeln konnte, erfreut durch und durch mittels unverhältnismäßiger Professionalität. Außerdem stellt sich wieder einmal der Beweis ein, dass Tisa Farrow um Einiges attraktiver war/ist als ihre ältere und ungleich berühmtere Schwester. Und Carole Laure ist erst recht ein heißer Feger, besonders, wenn sie oben ohne und im entfesselten Blutrausch ältere Damen totschlägt.

6/10

THE CONJURING 2

„This is my house!“

The Conjuring 2 ~ USA/CA 2016
Directed By: James Wan

Nachdem das Parapsychologen-Ehepaar Ed (Patrick Wilson) und Lorraine Warren (Vera Farmiga) dem berüchtigten Lutz-Haus in Amityville einen Besuch abgestattet hat, im Zuge dessen Lorraine in Kontakt mit einer besonders diabolischen Präsenz getreten ist, soll eigentlich Schluss sein mit der gespenstischen Berufung. Doch es wartet schon der nächste Einsatz: Im Londoner Stadtteil Enfield sehen sich die alleinerziehende Mutter Peggy Hodgson (Frances O’Connor) und ihre vier Kinder mit einem üblen Geist konfrontiert, der es vornehmlich auf die jüngere Tochter Janet (Madison Wolfe) abgesehen hat. Im Auftrag der Kirche sollen die Warrens feststellen, ob der bereits globales Medienecho evozierende Fall tatsächlich übernatürliche Ursachen hat oder lediglich von den Hodgsons inszeniert wird. Vor Ort stellt das Paar bald fest, dass ein vormaliger, verstorbener Bewohner des Hauses, ein knittriger alter Herr namens Bill Wilkins (Bob Adrian), sich weigert, die Schwelle zum Jenseits zu überschreiten, sich noch immer im Haus daheim wähnt und daher die Familie terrorisiert. Doch immer wieder gibt es Hinweise darauf, dass Peggy und Janet möglicherweise zumindest teilweise Narretei betreiben. Es ist fast schon zu spät, als Lorraine doch noch erkennt, dass der Geist Bill Wilkins‘ bloß eine Marionette für jenen weitaus schlimmeren Dämon darstellt, dem sie bereits im Amityville begegnet ist und der es auf ihren Mann Ed abgesehen hat: den höllischen Valak (Bonnie Aarons)…

Nun geht auch das auf authentischen Vorbildern basierende Ehepaar Warren in die zweite Runde bei James Wan – und das in recht ausuferndem Maße, zumindest in Anbetracht der exorbitanten Spielzeit von gut 130 Minuten. Nach dem sechs Jahre zuvor spielenden Erstling sowie dem ersten Spin-Off um die darin vorkommende Puppe Annabelle verschlägt es die bereits zusehends unter ihren Konfrontationen mit dem Bösen leidenden Warrens nach Europa, wo sie einer sozial benachteiligten Familie zur Hilfe eilen. Mehr noch als im Vorgänger ergeht sich die Geschichte sehr detailliert darin,  Lorraine und Ed als Seelsorger auch in Privatangelegenheiten zu charakterisieren. Die arme Peggy wurde mitsamt ihren vier Kids vom Ehemann sitzengelassen und muss sich nun allein durch die thatcherisierte Prekariatsgesellschaft plagen. Dass den Kindern der Vater fehlt, bemerkt Ed nur allzu schnell und stimmt mit einer alten Klampfe schnulzige Elvis-Songs an, ganz zum Verzücken von Mutter und Gattin. „The Conjuring 2“ nimmt sich ungewöhnlich viel Zeit für derlei figurale Ausarbeitungen und mildert somit den unregelmäßig aufflackernden Terror durch die insgesamt drei (!) vorkommenden Spukgestalten stark ab. Man könnte diese Hergehensweise gehässigermaßen als viewer fishing bezeichnen – hier wird die Angel nach Zuschauerschaften ausgeworfen, denen konsequentere Genrekost zu involvierend ist und die vielleicht zwischendurch gern was fürs Herz haben; sprich: der nach jump scares und blutigen Fratzen lechzende Genre-Aficionado kann mehr oder weniger beruhigt auch seine Freundin und deren kleine Schwester mit ins Kino bringen.
Ich finde das etwas schade, denn ein Verzicht auf diverse, aufweichende Faktoren zugunsten einer Straffung um die durchaus angenehm gruseligen Kernelemente hätte aus „The Conjuring 2“ einen wirklich guten Film destillieren können. Leider jedoch fehlt ihm der Mut zur Zuspitzung und Konsequenz. Dabei hat es so schöne Ideen – der zum Leben erwachte, animierte „crooked man “ aus dem Zoetrop der Kinder etwa ist eine Art naher Verwandter des „Babadook“ und als solcher durchaus überzeugend, der sich als höllische Nonne ausstaffierende Valak (um den soeben auch schon wieder ein eigener Film herumkonstruiert wird) schaut zwar ein wenig aus wie Marilyn Manson, kann aber trotzdem als sehr fiese Höllenentität überzeugen. James Wan ist nun ganz bestimmt kein Innovator, aber das, was er zusammenzimmert, bleibt zumindest stehen und kippt nicht gleich wieder um. Ob da nun Schmu und Schmäh um Freundschaft, Verständnis, Zuneigung und all solchen Kram wirklich am korrekten Platze sind, sei dahingestellt. Vierzig Minuten Entschlackung und ein demzufolge infernalischeres Spectaculum hätten mir jedenfalls mehr gegeben.

7/10

DIE KÜKEN KOMMEN

„Null gleich null!“

Die Küken kommen ~ BRD 1985
Directed By: Eckhart Schmidt

Der Wehrdienst ist passé, ab heute kann die Bundeswehr sie mal: Sechs Freunde, der ewig renitente Anarcho Kid (Max Tidof), der ruhige, noch im Jungfrauenstatus befindliche Thomas (Frank Meyer-Brockmann), der vor keiner flotten Biene sichere Casanova Baby (Mark Altner), der vom Militär hirnverätzte Bulle Bund (Andreas Jung), der Opernfan Tristan (Joachim Bernhard) und der verfressene Brummi (Hans Schödel) sind raus aus der Uniformitätsmühle und wollen an ihrem ersten Tag in Freiheit München unsicher machen. Dummeweise hat Bulle sämtliche Freundinnen der Herren von den gemeinsamen Plänen in Kenntnis gesetzt, so dass es ersteinmal gilt, die treudoofen Damen abzuhängen. Am Bahnhof verliebt sich Thomas sogleich in die niedliche Florence (Christine Röthig), die just heute ihren ersten Tag als Mietdame im Puff „1001 Nacht“ begehen soll. Viel Stress für unser Sextett, zumal plötzlich ihr Herr Major (Ludwig Haas) im Bordell aufkreuzt…

Dass Anouschka Renzi, als Max Tidofs Freundin zu sehen, als 20-jährige noch erfrischend human und ein nettes Mädchen war, ohne jedwede Botoxbehandlungen und monströse Kunstzüge, hat mich an „Die Küken kommen“ sicherlich am prägnantesten überrascht. Ansonsten führt Eckhart Schmidts Versuch, eine mit den klamaukigen Disco- und Sexkomödien der produzierenden Lisa-Film aus den Spätsiebzigern und Frühachtzigern kompatible Kommisskomödie zu kredenzen, zunächst geradewegs ins irrgewaltige Nirwana der Ratlosigkeit. Tatsächlich ist „Die Küken kommen“ nicht nur zu keiner Sekunde auch nur annähernd witzig oder auch bloß geringfügig komisch, es nimmt sich stattdessen sogar nachgerade anstrengend aus, ihn von Anfang bis Ende und somit komplett durchzuhalten. Schmidts Plan, so es denn überhaupt jemals einen gegeben hat, lässt sich nicht im Ansatz nachvollziehen. Der Soundtrack liefert eine repräsentative Zusammenstellung von ganzen 16 zeitgenössischen Popsongs, darunter diverse ernsthafte Verbrechen an Kunst und Geschmack. Angeschimmelte Reste von Euro- und Italopop finden sich da neben ersten Gehversuchen von Stock/Aitken/Waterman und der artifiziellen Blaupausen-Kirmesmusik von Dieter Bohlen, „Cheri, Cheri Lady“ inbegriffen; schließlich das fürchterliche, notorische „Shanghai“ von Lee Marrow, das mantragleich immer wieder eingespielt wird. Genau ein angenehmes Stück ist dabei, nämlich Phil Carmens „On My Way In L.A.“. Irgendwo lässt Schmidt zwischen all dieser kognitiven und akustischen Konfusion die sympathische, wenngleich etwas einfältige Botschaft hervorschimmern, dass die Autoritäten von Armee, Bund und Bullerei grundsätzlich scheiße und was für graue Gemütszombies sind, die das selbstständige Denken von Haus aus lieber anderen überlassen. Ein wenig Coming-of-Age-Thematik lässt sich erahnen, immerhin verliert der bislang ehern gebliebene Thomas nach hartem Kampf um seine Angebetete endlich seine Jungfräulichkeit, ansonsten fragt man sich jedoch nahezu permanent, welch defekter mentaler Backautomat einen Film wie diesen hervorbringen mag. Und doch, er hat was. Genau nämlich diese Kratzbürstigkeit, die untalentiert wirkenden Darsteller und vielleicht sogar eine (allerdings bestenfalls erahnbare, vielleicht einem interpretatorischen Wunschkonstrukt entspringende) Anklage an die Bildungsferne und Oberflächlichkeit einer Generation, deren Horizont bei der Buchstabierung des Wortes „Disco“ endet. Tatsächlich verschließt auteur Schmidt, der hier unter dem schönen Pseudonym „Raoul Sternberg“ firmierte, sich fast zur Gänze den üblichen, schlüpfrigen Lisa-Mechanismen, wie man sie von deren Masterminds Karl Spiehs und Otto W. Retzer gewohnt ist und kredenzt stattdessen so etwas wie eine vorsätzlich als solche arrangierte Antikomödie, nebst bombig passendem Kinoplakat von TKKG-Covergestalter Reiner Stolte.
Sibylle Rauch und Isa Haller sind noch zu sehen als Profesionelle. Auch das repräsentiert gewissermaßen recht hübsch den sich just vollziehenden, dräuenden Lisa-Niedergang, den dann erst „Ein Schloss am Wörthersee“ wieder auffing.

5/10

IL CONSIGLIORI

Zitat entfällt.

Il Consigliori (Im Dutzend zur Hölle) ~ I/E 1973
Directed By: Alberto De Martino

Nach einem zweijährigen Aufenthalt im Knast wird Thomas Accardo (Tomas Milian), der Patensohn und Consigliore des Friscoer Mafiabosses Don Antonio Macaluso (Martin Balsam), aus ebenjenem entlassen. Thomas konfrontiert den Patriarchen mit der Eröffnung, sich „zur Ruhe setzen“ und somit ein Leben fernab des organisierten Verbrechens führen zu wollen. Don Antonio willigt zähneknirschend ein, befördert damit jedoch einen Bandenkrieg mit seinem sich durch die freie Entscheidungswahl Thomas‘ zurückgestuft fühlenden Partner Vincent Garofalo (Francisco Rabal). Dieser attackiert Don Antonios Organisation mit brutaler Härte und verübt auch einen Anschlag auf Thomas, dem ein Nachbarskind zum Opfer fällt. Thomas kehrt daraufhin zu Don Antonio zurück und unterstützt ihn im Kampf gegen Garofalo. Der Showdown schließlich wird in der alten Heimat, in Sizilien, ausgefochten.

Im Gefolge des damals beispiellos erfolgreichen „The Godfather“ entstandener, kleiner Mafiafilm, sozusagen aus „hauseigener“ Fertigung. Wie in Coppolas Epos und auch dem ebenfalls eindeutig beliehenen „The Brotherhood“ führt der Weg von Amerika zurück nach Sizilien, in die Ursprungsregion dessen, was die Familienmitglieder als „Cosa Nostra“ („Unsere Sache“) bezeichnen. Hier, auf der aus Blut und Boden bestehenden Heimaterde, warten Entscheidung und Tragik. Der Plot wird dabei denkbar simpel aufgezogen: Die familiäre Großzügigkeit eines der großen Dons der Westküste wird ihm von einem jüngeren Epigonen als altersmüde Schwachstelle ausgelegt und ausgenutzt, um eine lang gehegte Privatfehde gegen ihn loszubrechen – der Stoff, aus dem zahlreiche Gattungsbeiträge bestehen. Doch weder zählt Don Antonio tatsächlich bereits zum alten Eisen, noch muss er lange auf die entscheidende Schlagkraft des geliebten Patensohns verzichten – mit der Rückkehr von Thomas meldet sich auch die alte Kämpfernatur des Don zurück und somit der Schlüssel zum Sieg. Alberto De Martino wählt für die zu zwei Dritteln in Kalifornien und New Mexico spielende und gefilmte Geschichte einen unspektakulären Inszenierungsweg. Mal liebäugelt er mit sanftem Sleaze, dann bleibt „Il Consigliori“ über weite Strecken besonnen und dialogorientiert, um dann die hügeligen, kurvigen Straßen San Franciscos für eine zünftige Autoverfolgungsjagd im Stil von „Bullitt“ zu benutzen. Für die häufig stark exponiert wirkenden Bilder war, wie des Öfteren bei De Martino, Aristide ‚Joe D’Amato‘ Massaccesi zuständig. Das Finale spielt sich vor einem pompösen Straßenumzug in Palermo ab, dem, wenn man so will, idealen Hintergrund für ein klassisches Gangster-Rififi. Sehr gut gefallen hat mir Riz Ortolanis abwechslungsreicher Score, der sowohl mit funkigen Grooves als auch mit elegischen Morricone-Weisen hausieren geht.

7/10

ANGST ESSEN SEELE AUF

„Schwanz kaputt.“

Angst essen Seele auf ~ BRD 1974
Directed By: Rainer Werner Fassbinder

Die ältere Putzfrau Emmi Kurowski (Brigitte Mira) lernt durch Zufall in einer Kneipe einen marokkanischen Gastarbeiter (El Hedi ben Salem) kennen, den sie wie alle anderen wegen seines komplizierten, langen Namens kurz „Ali“ ruft. Obgleich Ali wesentlich jünger ist, entsteht aus der promten Zuneigung zueinander rasch eine aufrichtige Liebesbeziehung, die sich jedoch bald an immer größer werdenden äußeren und inneren Schwierigkeiten reibt.

Fassbinders Meisterwerk orientiert sich bekanntermaßen so sehr wie kein anderer seiner Filme am Werk des von ihm verehrten Migrantenregisseurs Douglas Sirk, respektive an dessen thematisch ähnlich gelagertem „All That Heaven Allows“. An bundesdeutsche und vor allem zeitgebundene Verhältnisse angepasst, bleibt der Kern derselbe: Liebe gegen alle Widerstände, vom Zerbrechen bedroht. In „All That Heaven Allows“ ging es um eine betuchte Dame (Jane Wyman), die sich in einen jüngeren, von Rock Hudson gespielten Gärtner verliebt und dann mit familiärem Protest, Klatsch und gesellschaftlicher Ächtung zu kämpfen hat, derweil beide Partner die Sinnhaftigkeit und den Bestand ihrer Beziehung, die im Prinzip den einzigen fadenscheinigen Makel hat, „unkonventionell“ zu sein, in zunehmenden Zweifel ziehen. Bei Fassbinder ist es vor allem der spießige Bürgermief der frühen Siebziger, der Emmi und Ali unentwegt Steine in den Weg rollt. Sämtliche offensichtliche Vorurteile und Verdachtsmomente greifen; sie ist an einem potenten Stecher mit animalischer Manneskraft interessiert, er will sich bloß an ihr bereichern, heißt es. Sie wird für pervers bis irrsinnig erklärt, einen stinkenden, ungewaschenen Ausländer zu beherbergen und zu heiraten, der zudem nicht mal ordentliches Deutsch spricht. Irgendwann glauben die beiden dann, was man ihnen aufoktroyiert und drohen, daran zu zerbrechen. Ali fühlt sich seinem Kulturkreis und seinen Freunden entwöhnt, Emmi hält den naserümpfenden Druck kaum mehr aus. Zwar geht die Rechnung, die hochgeputschten Emotionen durch eine Zeit der Abwesenheit in Form eines Urlaubs niederkochen zu lassen, weitgehend auf, doch jetzt brechen die einmal geschlagen Narben des Pärchens auf, die sich in Alis Fall sogar buchstäblich physisch niederschlagen. Nachdem er Emmi mit der drallen Kneipieuse Barbara (Barbara Valentin) fremdgeht, sich von ihr Couscous kochen lässt (wozu Emmi sich standhaft weigert; sie könne das überhaupt nicht und es schmecke ihr ebensowenig) und, von sich selbst angeekelt, fast sein ganzes Geld verzockt, bricht er zusammen. Der behandelnde Arzt berichtet Emmi später, Alis Magengeschwür sei ein typisches „Gastarbeiterproblem“. Die entfremdeten Menschen kämen mit dem sozialen und beruflichen Druck hierzulande nicht zurecht, der Stress äußere sich dann dergestalt. Ob sich Alis und Emmis Beziehung nach so vielen Eruptionen noch einmal retten lässt, bleibt offen. Zu wünschen wäre es beiden.
Auch Fassbinders klare, scheinbar einfache Bildsprache und seine gezielte Farbdramaturgie erinnern stark an Sirk, wenngleich er auf dessen geliebtes und vielgenutztes Scope verzichtet. Etwas befremdlich wirkt bei jeder Betrachtung des Films zunächst die Nachsynchronisation von Fassbinders damaligem Lebensgefährten El Hedi ben Salem, der im Film von Wolfgang Hess gesprochen wird und klischeehaftes Ausländerdeutsch spricht, von sich selbst in der dritten Person sprechend, Verben wenn überhaupt in der Grundform verwendend etc.. Doch wird auch dies zu einem Stilmittel: Schlagartig stellt man an sich selbst fest, welche Ausprägung mustergültige Vorurteile haben können, wenn man ihnen bloß aufsitzt. Dass die irrationale Xenophobie aus „Angst essen Seele auf“ auch über vierzig Jahre später noch immer erschreckend aktuell ist, hätte Fassbinder seinerzeit wohl selbst nicht albzuträumen gewagt. So bleibt er eine großes, hochnotpeinliches Lehrstück für alle, die ihre Menschlichkeit aus dem Blick zu verlieren drohen oder bereits verloren haben.

10/10

ENEMY AT THE GATES

„For us there is no land beyond the Volga.“

Enemy At The Gates (Duell – Enemy At The Gates) ~ USA/F/D/UK/IE 2001
Directed By: Jean-Jacques Annaud

Stalingrad im Herbst 1942: Der junge Russe Vassili Zaytsev (Jude Law) wird als Gefreiter der Roten Armee über die Wolga geschickt, um gegen die Wehrmacht zu kämpfen. Eher durch Zufall wird dem Politkommissar Danilov (Joseph Fiennes) im Kampf Vassilis ungeheure Schusspräzision gewahr. Mit Unterstützung von Chruschtschow (Bob Hoskins) baut Danilov den jetzt als Scharfschützen eingesetzten Vassili zu einem kleinen, propagandistischem Mythos auf, der zum einen die eigenen Soldaten befeuert und zu Anderen den Deutschen höllische Angst einjagt. Um Vassili kaltzustellen, lässt man eigens den als Meisterschützen gefürchteten Major Erwin König (Ed Harris) einfliegen, dessen Sohn bei der Panzerschlacht um die Stadt gefallen ist und der nun auch ein psychologisches Duell gegen Vassili entfesselt.

Anders als frühere Filme Annauds bleibt „Enemy At The Gates“ eher leidenschaftsloses Schaukino. Als Kriegsfilm passt er sich der damals grassierenden Mode an, setzt jedoch keine sonderlich individuellen Zeichen. Anders als Vilsmaiers „Stalingrad“, der es sehr viel besser verstand, das ohnehin nicht nachvollziehbare Leid der Soldaten und der Bevölkerung vor Ort zumindest ansatzweise transparent zu machen, gerät Annauds achter Spielfilm eher zu einem technisch zwar ehrgeizigen, anbetreffs seiner emotionalen Involvierung des Zuschauers jedoch wenig mitreißendes Ausstattungsstück. Natürlich muss auch eine (glücklich endende) Liebesgeschichte untergebracht werden, die – nicht minder konventionell – als Dreiecksromanze angelegt wird, aus der der sich heldenhaft opfernde Danilov als großer Verlierer hervorgeht. Ed Harris‘ Performance ist zwar gewohnt formidabel, die Entwicklung seines Charakters von einem erfreulich mehrdimensional angelegten Wehrmachtsoffizier hin zum funktionalen Nazi, der auch vor Kindsmord nicht zurückschreckt, enttäuscht jedoch und macht seine finale Hinrichtung durch Vassili zu einem eindeutig als befriedigend determinierten Erlebnis für den Zuschauer, das mit einiger Wahrscheinlichkeit symbolisch für den Sieg der Sovjets bei Stalingrad stehen soll. Zudem wirft die Geschichtsschreibung Annauds Aufarbeitung der Ereignisse um die authentische Figur des Snipers Vassili Zaytsev einiges an Klitterung vor, so etwa, dass es einen „Intimkonflikt“ mit eindem zudem vermutlich komplett fiktionalen deutschen Offizier überhaupt nicht gegeben habe. Nicht nur dies lässt „Enemy At The Gates“ eher als mäßig berührendes Actiondrama vor Kriegskulisse erscheinen. Dass für derlei Unterhaltungsstoff zudem ausgerechnet eines der schlimmsten historischen Fanale für sinnloses Massensterben im Zeichen des arroganten Schwanzvergleichs zweier größenwahnsinniger Diktatoren herhalten muss, stimmt nicht eben positiver. Was den Film letztlich noch akzeptabel macht, ist seine großartige, internationale Besetzung um einigen der besten Schauspieler überhaupt. Allein ihnen bei der kollektiven Ausübung ihrer Kunst zuschauen zu dürfen, bewegt hier wirklich etwas.

5/10

NO IL CASO È FELICEMENTE RISOLTO

Zitat entfällt.

No Il Caso È Felicemente Risolto (Betrachten wir die Angelegenheit als abgeschlossen) ~ I 1973
Directed By: Vittorio Salerno

Während eines Angelausflugs vor Rom erlebt der kleine Angestellte und Familienvater Fabio Santamaria (Enzo Ceruscio) zu seinem Entsetzen einen gräulichen Mord mit: Ein älterer Mann verfolgt eine halb entkleidete, um Hilfe schreiende Frau durch das Schilf. Mit einer Eisenstange schlägt er immer wieder auf sie ein, bis sie schließlich tot zusammenbricht. Verstört entflieht Fabio, den der Mörder zuvor noch entdeckt, der Szenerie mit seinem Wagen, irrt durch die Provinz, und findet angesichts seiner ungeordneten Gedanken nicht den Weg zu einem Polizeirevier. Stattdessen dreht der Verbrecher, ein Eliteschullehrer namens Eduardo Ranieri (Riccardo Cucciolla), den Spieß um und hängt den – wie sich herausstellt – Prostituiertenmord dem ihm unbekannten Fabio an. Als dieser erkennt, in welcher Situation er sich nunmehr befindet, treibt ihn die Angst vor Entdeckung in typische Täter-Verhaltensschemata, die ihn sukzessive immer verdächtiger werden lassen, obschon er doch eigentlich unschuldig ist.

„Das habe ich getan, sagt mein Gedächtnis. Das kann ich nicht getan haben, sagt mein Stolz und bleibt unerbittlich“, heißt es in Nietzsches „Jenseits von Gut und Böse“. Ebenso geht es Professor Ranieri, der die Fortsetzung jenes Aphorismus‘, „endlich gibt das Gedächtnis nach“, jedoch nur unzureichend bedient. Er stellt sich seiner Schuld, wie es nur ein feiger Intellektueller vermag, der es vorzieht, seine Überhand nehmenden Abgründe soweit zu abstrahieren, dass er die gesetzliche kurzerhand durch eine persönliche Gewissensstrafe substituiert. In dem Katz-und-Maus-Spiel, das Ranieri ganz bewusst initiiert, als er den einzigen Zeugen seiner Tat identifiziert hat und um dessen Passivität weiß, ist Sanatamaria von Anfang an hoffnungslos unterlegen. Zwar gelingt es auch ihm, Ranieri durch diverse Zufälle auf die Spur zu kommen und ihn zu stellen, doch er ist der durchtriebenen Cleverness des sinistren Gegners zu keiner Sekunde gewachsen. Stattdessen geht Ranieris sorgfältiger Plan auf: Nach dem Gespräch mit seinem Pfarrer (Umberto Raho), der ihm eindringlich ins Gewissen redet, ist Fabio endlich bereit, zur Polizei zu gehen und die Wahrheit vorzubringen. Doch diese hat zu jenem Zeitpunkt längst den Platz mit der Lüge getauscht; Ranieris Version gilt als hieb- und stichfest, Fabios vorherige Bemühungen, sich „unsichtbar“ zu machen werden ihm folgerichtig als Vertuschungsversuche ausgelegt. Und ausgerechnet der kluge Redakteur Giannoli (Enrico Maria Salerno), der einzige Mensch, der tatsächlich Ranieri für den Täter hält, vermittelt Fabio durch die Veröffentlichung eines einfältigen Artikels zusätzlich ein falsches Sicherheitsgefühl. Am Ende wird Fabio unschuldig zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, sämtliche Indizien sprechen gegen ihn. Der einzige Hoffnungsschimmer besteht darin, dass Ranieri in dem Journalisten Giannoli einen Intimfeind hat, der ihn von nun an nicht mehr aus den Augen lassen wird – und eines Tages vielleicht einen Unschuldserweis zugunsten Fabios beibringen kann. Doch diese Hoffnung überlässt Salerno dem Publikum.
„No Il Caso È Felicemente Risolto“ ist ein bedeutsamer, vielschichtiger Kriminalfilm innerhalb des italienischen Kinos. Ohne über größere Stars verfügen zu können und insbesondere für ein Regiedebüt ist er tadellos gefertigt, wenngleich hier und da geringfügige Kürzungen einzelner Abschnitte nicht geschadet hätten. Der Topos des unschuldig in eine Verbrechensaffäre verwickelten und selbst verdächtigten Kleinbürgers ist klassisches Hitchcock-Terrain, man denke besonders an „The Wrong Man“, in dem die Justiz ebenfalls auf nur einem Auge sieht und dadurch die Existenz zweier Ehepartner zertrümmert. Salerno geht allerdings noch einen Schritt weiter: Bei ihm wird die Krimigeschichte zu einem Abbild des Klassenkampfes und der politischen Situation seines Landes. Der kultivierte Bildungsbürger ist zwar ein triebgesteuertes Monster und moralisch einwandfrei schuldig; im Gegensatz zu seinem Opponenten verfügt er jedoch über genau jene aktivistische Triebfeder, die es den Mächtigen schon immer erlaubten, die Unteren zu knechten. Auch Fabio Santamaria macht sich nämlich schuldig. Schuldig der Passivität, der Faulheit, der Angst, der Gleichförmigkeit. Ein rechtzeitiges, korrektes Handeln hätte ihm möglicherweise den Hals gerettet. So ist Salernos Film unter seiner Oberfläche höchst politisch konnotiert und gleichermaßen ein stiller Aufruf an das Proletariat: Denke, erhebe dich, sei wachsam und lass dich nicht zur Marionette der Oberklasse machen!

8/10

CAST A DEADLY SPELL

„I believe in magic. I just don’t use it.“

Cast A Deadly Spell (Hexenjagd in L.A.) ~ USA 1991
Directed By: Martin Campbell

Los Angeles, 1948. Ex-Polizist und Privatdetektiv H.P. Lovecraft (Fred Ward) wird von dem reichen Okkultisten Amos Hackshaw (David Warner) angeheuert, ein ihm entwendetes Buch, das ‚Necronomicon‘ zurückzubeschaffen. Für dieses interessiert sich auch Lovecrafts früherer Partner, der Nachtclubbesitzer Harry Bordon (Clancy Brown). Da Magie im Moment groß in Mode ist, muss sich Lovecraft im Zuge seiner Ermittlungen durch ein ganzes Gewimmel von Abseitigkeiten und Monstern schlagen, bis er erkennen muss, was der undurchsichtige Hackshaw wirklich mit dem Buch vorhat…

Diese ansprechend verrückte und sehr amüsante HBO-Produktion hätte sich seinerzeit ganz bestimmt auch im Kino hervorragend gemacht, insbesondere, wenn man rückblickend in Augenschein nimmt, welcher Klumpatsch sich anno 91 sonst teilweise dort tummelte. „Cast A Deadly Spell“ gefällt sich als ein fast schon irrwitziger Mix aus unterschiedlichster filmischer und literarischer Einflüsse. Zuvorderst wird natürlich die lovecraft’sche Mythenwelt um die Großen Alten und das berüchtigte Necronomicon bemüht und konsumierbar gemacht. Der Autor selbst wird kurzerhand und quasi vollkommen diametral zu seiner authentischen Persona zu einem arschcoolen, hartgekochten Privatdetektiv umgemodelt, der als nahezu einziger Mensch in ganz Los Angeles auf den Gebrauch von Magie jedweder Art verzichtet und stattdessen, ganz standesgemäß, auf eine Zigarette im Mundwinkel und ein Glas Scotch vor dem Einschlafen schwört. Die Hexen, Vampire, Werwölfe, Zombies, Dämonen und Gargoyles, die die Stadt ebenso reichhaltig bevölkern all der höchst menschliche Abschaum (sprich: Gangster, korrupte Bullen, Femmes fatales und Transvestiten) kann jedoch auch er nicht ignorieren, zumal er selbst zu letzterem zählt. Die Phantastikelemente werden also durch traditionelle Film-noir-Facetten ergänzt (oder umgekehrt), das Ganze in ironischer Weise als Horrorkomödie abgerundet. Niemand wundert sich über irgendetwas, Monster und Gruselwesen gehören ebenso zum urbanen Alltag wie merkwürdige Naturereignisse.
Campbell geht derweil mit viel Liebe zum Detail zu Werke, darf über erlesene Requisiten verfügen und diverse nette visuelle Ideen unterbringen, wie einen plötzlich einsetzenden Blutregenschauer. Rein äußerlich passt „Cast A Deadly Spell“ ansonsten fabelhaft zu dem erst kürzlich betrachteten „Chinatown“-Sequel „The Two Jakes“, mit dem er, freilich ohne sich in eine dermaßen überbordernde Parallelwelt zu begeben, sowohl Ort und Zeit exakt gemein hat. Dabei ist es reiner Zufall, dass ich diese zwei zumindest partiell so unterschiedlichen Filme so kurz hintereinander  geschaut habe. Hübsch anzusehen sind sie jedenfalls beide.

7/10

CADAVERI ECCELENTI

Zitat entfällt.

Cadaveri Eccelenti (Die Macht und ihr Preis) ~ I/F 1976
Directed By: Francesco Rosi

Nachdem mehrere Anwälte und Richter in verschiedenen Städten ermordet werden, sucht der überregional arbeitende Inspettore Amerigo Rogas (Lino Ventura) fieberhaft nach dem wie ein Scharfschütze vorgehenden Täter. Offenbar handelt es sich bei diesem um einen einst zu Unrecht verurteilten Apotheker namens Cres, der  versucht haben soll, seine Frau zu vergiften und der sich nun an der verantwortlichen Justiz rächen will. Von jenem Cres fehlt allerdings nicht nur jede Spur, aus sämtlichen Fotos in seiner Wohnung, die ihn zeigen, ist auch noch sorgfältig sein Konterfei herausgeschnitten. Als Identifizierungsgrundlage bleibt lediglich ein Phantombild, basierend auf der Beschreibung von Cres‘ Kollegen Maxia (Paolo Bonacelli). Dann geschehen weitere Morde , mit denen Cres‘ einstiger Fall nichts zu tun hat. Rogas wittert, das viel mehr hinter der Sache steht. Hochgestellte Köpfe der oberen Gewalten, der Chef der Polizei (Tino Carraro), der oberste Richter (Max von Sydow), der Sicherheitsminister (Fernando Rey), ein reicher Aristokrat (Gérard Darrieu), verbunden durch eine mysteriöse Bekanntschaft untereinander, scheinen sich zu konspirativen Treffen zu verabreden. Rogas wird zunehmend paranoid und findet sich ununterbrochen von Abhörprofis und Beschattern verfolgt. Wird hier ein Staatsstreich geplant?

Francesco Rosis Sciascia-Verfilmung braucht sich ebensowenig hinter den realitätsangebundenen Polit-Bestandsaufnahmen eines Costa-Gavras zu verstecken (nebenbei begegnen uns Renato Salvatori und Marcel Bozzuffi, Yago und Vago aus „Z“, wieder) wie vor den amerikanischen Paranoiathrillern dieser Tage, etwa von Alan J. Pakula. „Cadaveri Eccelenti“ zeichnet vor allem sein zwingender Fatalismus aus: Wer zuviel weiß, muss weg. Nur so kann das System weiterhin funktionieren. Es brodelt im Hintergrund, nur aus welcher Richtung bleibt unklar. Während linksintellektuelle Studenten und Jugendliche überall auf die Barrikaden gehen und lauthals die Verquickung von Mafia und Staat anprangern, macht im Hintergrund schon die Armee mobil. Ein linker Journalist und Freund Rogas‘ (Luigi Pistilli) will über Hintergründe informieren, doch sein Chef untersagt es ihm. Wer nicht dazu gehört, ist ahnungslos oder hat Todesangst. Doch wozu? Das lässt Rosi offen; was der brodelnden Verschwörung, dem heimlichen Komplott eine noch beunruhigendere Richtung gibt. Exakt mit dem Moment, in dem Rogas im Begriff ist, die Wahrheit zu erfahren, endet sein Recht, weiterzuleben. Er trifft sich in einem öffentlichen Museum mit einem Mitglied der kommunistischen Partei. Ihre Unterhaltung wird von gewaltigem Lärm überdeckt, dann werden beide aus der Entfernung erschossen. Später heißt es aus offiziellen Kanälen, Rogas habe durchgedreht und die Tat nebst anschließendem Suizid zu verantworten. Stadt oder Land werden, auch das ist bekannt bis üblich, nicht genannt. Sizilien scheint jedoch (ein) offensichtlicher Handlungsort zu sein. Der Zuschauer ist nicht nur an die allumfassende Konfusion Rogas‘, eines großartigen, aber apolitischen Kriminalisten, gebunden, sondern auch an seine allmählichen Erkenntnisse und vor allem das Bewusstsein, nicht mehr als ein Spielball unantastbarer Mächtiger zu sein. Dabei wird seine Leiche vermutlich nicht in jenem altehrwürdigen, vor Gebeinen bereits berstenden Ossarium enden, in der der Film mit Charles Vanel seinen gespenstischen Ausgang nimmt.

8/10