CAMPFIRE TALES

„You’re so immature.“

Campfire Tales ~ USA 1997
Directed By: Matt Cooper/Martin Kunert/David Semel

Auf dem nächtlichen Rückweg von einem Konzert haben Cliff (Jay R. Ferguson), Eric (Christopher Masterson), Lauren (Christine Taylor) und Alex (Kim Murphy), die vier jungen Insassen eines PKW, einen Unfall infolge von Cliffs verantwortungslosem Fahrverhalten. Da der Wagen nicht mehr verkehrstüchtig ist und um die Zeit bis zum Morgen zu überbrücken, entzündet das Quartett ein kleines Lagerfeuer abseits des Highway und erzählt sich gegenseitig Gruselgeschichten:
1.) Zwei Flitterwöchner (Ron Livingston, Jennifer MacDonald) landen mit ihrem Camper in der tiefsten Provinz. Obwohl sie von einem mysteriösen Fremden (Hawthorne James) gewarnt werden, verlassen sie das Areal nicht – ein tödlicher Fehler. 2.) Am Vorabend ihres Geburtstags ist die zwölfjährige Amanda (Alex McKenna) allein im Haus der Familie, als sie mit Entsetzen feststellen muss, dass ihre vermeintliche Internet-Chatroom-Freundin Jessica in Wahrheit ein geistesgestörter Psychopath (Jonathan Fuller) mit ganz besonderen Vorlieben ist. 3.) Der Motorrad-Aussteiger Scott (Glenn Quinn) entdeckt ein abgelegenes Landhaus, in dem er die folgende Nacht bei der seltsamen, stummen Heather (Jacinda Barrett) verbringt. Als bald darauf auch Heathers Vater (Denny Arnold) auftaucht, wird Scott Zeuge eines uralten Fluchs.

Diesen charmanten Episoden-Horror (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen 91er-Titel von William Cooke und Paul Talbot), der anno 1997 mit seinen im Stil urbaner Legenden erzählten Kurzgeschichten eigentlich fernab der vorherrschenden Genretrends seiner Zeit lag, hatte ich seit VHS-Zeiten nicht mehr gesehen, erinnerte mich jedoch, dass er mir schon damals recht gut zu gefallen wusste (für Grusel-Omnibusse habe ich seit jeher ohnehin ein spezielles Faible). Dieser Eindruck bestätigte sich unlängst, mit kleineren Einschränkungen, die den wenigen, glücklicherweise nur selten okkurrierenden Unzulänglichkeiten von Script und Regie geschuldet sind. Über die Eleganz klassischer Kinobeiträge oder auch die visuelle Deftigkeit jüngerer Werke wie „Tales From The Darkside“ oder „Necronomicon“ verfügt der von drei Regisseuren co-inszenierte „Campfire Tales“ nicht, dafür jedoch über eine Reihe schöner Einfälle, anhand derer sich die persönliche Liebe der Kreativköpfe zur Gattung sehr schön ablesen lässt. Schon das vom Restfilm losgelöste, kurze Eingangssegment, im Grunde nicht mehr als ein schwarzweißes Bonmot vor Fifties-Kulisse, in dem zwei Turteltäubchen (James Marsden, Amy Smart), die nachhaltig wirkende Bekanntschaft eines Hakenhand-Killers machen, spricht dafür, ebenso wie die zu einer ebenso unerwartbaren wie tollen conclusio geführte Rahmenhandlung (mitsamt Ambrose-Bierce-Verweis) die ja ohnehin stets ein, wenn nicht gar das Sahnehäubchen auf Episoden-Filmen sein sollte. Die drei auf der Metaebene erzählten Segmente besitzen derweil keine durchgängig gehobene Qualität: Die erste Story „The Honeymoon“ kolportiert eine teilweise ungelenk dargebrachte, erklärungsscheue Erzählung um für den Zuschauer unsichtbar bleibende, möglicherweise übernatürliche Killer (offenbar einer Kannibalensippe) und mag keine rechte Spannung erzeugen. Sehr viel interessanter ist Episode 2 („People Can Lick Too“), eine ziemlich freche, schwarzhumorige Geschichte um einen pädophilen Internet-Predator, der gern die Hunde kleiner Mädchen abmurkst, sich unter deren Betten versteckt um ihnen die Finger abzuschlecken, eine nicht zuletzt in Anbetracht der Generation „TikTok“ offenbar zeitlose didaktische Parabel und mein privates Highlight. Im letzten Segment „The Locket“ gibt es dann noch eine sehr klassisch konnotierte Romanze um ein verfluchtes Geistermädchen, das seit hundert Jahren nach Erlösung strebt – hübsch und adrett, aber nicht ganz von der bitterbösen Güte der Vorgänger-Story. Summa summarum ergibt das für Gernhaber von Omnibus-Horrorfilmen eine noch immer lohnens- und sehenswerte Angelegenheit, die sich durchaus aus der Mottenkiste des Vergessens zu bergen lohnt.

7/10

TERROR IN A TEXAS TOWN

„What are you talking about take it easy? Didn’t we agree to stick together?“

Terror In A Texas Town (Sturm über Texas) ~ USA 1958
Directed By: Joseph H. Lewis

Als der Walharpunier George Hansen (Sterling Hayden), Sohn des schwedischen Einwanderers Sven Hansen (Ted Stanhope), nach 19 Jahren auf See zurück nach Prairie City, Texas kommt, muss er sogleich die erschütternde Nachricht über den gewaltsamen Tod seines Vaters erfahren. Es dauert auch nicht lange, bis Hansen sich einen Überblick über die relativ klaren Verhältnisse vor Ort verschafft hat: Der reiche Großgrundbesitzer McNeil (Sebastian Cabot) reißt sämtliche Grundstücke der hiesigen Kleinfarmer an sich, da er ahnt, dass darunter Ölvorkommen lagern. Wer nicht freiwillig verkauft und verschwindet, wird von dem gedungenen Mörder Johnny Crale (Nedrick Young) und seiner Gang kurzerhand erschossen, so auch Georges Dad. Der Sheriff (Tyler McVey) steht ebenfalls auf McNeils Lohnliste. Dieser muss rasch erkennen, dass Hansen sich nicht mit ein paar schnellen Dollars abspeisen lässt und hetzt Crale auf ihn. Hansen jedoch lässt nicht locker. Schließlich erschießt Crale noch Georges einzigen Freund, den mexikanischen Einwanderer Mirada (Victor Millan), der seinerseits Zeuge vom Mord Sven Hansen war. Während die übrigen Farmer weiter kuschen, greift George greift zur Harpune…

Joseph H. Lewis, zu seiner Schaffens-Blütezeit vornehmlich Schöpfer von films noirs und Western, zählt zu den weithin unbesungenen, für kleines Geld arbeitenden Hollywoodregisseuren, die Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre zu Studienobjekten der französischen Filmkritik und somit auch der damals florierenden Auteur-Theorie avancierten. „Terror In A Texas Town“ bildete Lewis‘ letztes Engagement als Filmemacher, bevor er sich ausschließlich auf unkomplizierte Routinejobs beim Fernsehen kaprizierte. Das Script zum Film stammt vom damals noch auf der Blacklist befindlichen und daraus resultierend unkreditierten Dalton Trumbo (offiziell wurde Ben Perry genannt). Ebenso war Nedrick Young, selbst Drehbuchautor und Darsteller des schwarzgewandeten Todesengels Johnny Crale, vom HUAC geschasst worden, derweil Hauptdarsteller Hayden noch darunter litt, Jahre zuvor vor McCartyhs Komitee ausgesagt zu haben. „Terror“ steht also – nicht nur personell – ganz im Zeichen der „Red Scare“-Phase, die gerade in Hollywood tiefe Furchen hinterließ. Lewis scherte sich wenig um dieses Faktum, da seine Retirierung vom Film eben bereits feststand. Interessanterweise ist sein Finalwerk nicht der einzige Western jener Ära, der ein dezidiert linkes Timbre präserviert, eindeutig antikapitalistisch und auf den Status des einzelnen, aufrechten Dissidenten als treibende Kraft setzt. Man denke etwa an Zinnemanns „High Noon“, der gewissermaßen den Vorreiter dieses besonders verdienten Subgenres darstellte, oder Allan Dwans phantastischen „Silver Lode“, der sich mit „Terror“ nicht nur seinen ebenso intellektuellen wie subtil formulierten Furor teilt. Wie Dwans kleines großes Meisterwerk ist auch „Terror“ von besonders knapper Erzählzeit (er bleibt unter 80 Minuten), infolge dessen inhaltlich wie dramaturgisch extrem verdichtet, dabei von einer psychologisch beispielhaft sorgfältig ausgearbeiteten Figurenzeichnung beseelt und vor allem absolut klar in seiner mutigen Intention. Der 1,96-Mann Sterling Hayden, der über die Jahre sowieso einer meiner vordersten Lieblingsschauspieler wurde, walzt sich zunächst noch sanft und schließlich dann doch einer entfesselten und nunmehr unbeirrbaren Naturgewalt gleich durch das bittere Geschehen, greift jedoch im finalen Duell nicht zur üblichen Schusswaffe, sondern zu seinem wohlfeil beherrschten Arbeitsinstrument, der Harpune. Dass Trumbo dabei – und gewiss nicht allein dabei – Herman Melville im Kopf gehabt haben wird, scheint mir nicht allein aufgrund dessen mehr denn eklatant.

9/10

GHOST SHIP

„I smell bullshit.“

Ghost Ship ~ USA 2002
Directed By: Steve Beck

Als Captain Sean Murphy (Gabriel Murphy) und sein fünfköpfiges Bergungscrew-Team – Maureen Epps (Julianna Margulies), Greer (Isaiah Washington), Munder (Karl Urban), Dodge (Ron Eldard) und Santos (Alex Dimitriades) – von dem jungen Fremden Ferriman (Desmond Harrington) das Angebot erhalten, ein offenbar mutterloses Schiff in der Beringsee zu kapern, ist man sogleich Feuer und Flamme, gehört nach internationalem Seerecht doch freitreibende Fracht ihrem Finder. Bald darauf finden Murphy, seine Mannschaft und der sie begleitende Ferriman tatsächlich den mysteriösen Dampfer, bei dem es sich um den mittlerweile legendären italienischen, vor 40 Jahren spurlos verschwundenen Luxuskreuzer „SS Antonia Graza“ handelt. Bereits die ersten Begehung des Geisterschiffs entpuppen sich vor allem für Epps, der ein kleines Mädchen (Emily Browning) begegnet, als alles andere denn mit rechten Dingen zugehend. Und tatsächlich stimmt etwas nicht mit der Antonia Graza, ein Umstand, der sich mit dem Fund mehrerer Kisten mit Goldbarren zur Todesfalle für die Seeleute entwickelt.

„Ghost Ship“ zählt noch zur ersten Welle des von Robert Zemeckis, Joel Silver und Gilbert Adler 1999 gegründeten Produktionslabels „Dark Castle“, das sich ursprünglich besonders traditionsverbundenem Horrorkino verpflichtet sah und dessen Bezeichnung sich als Hommage an den findigen Gimmickfilmer William Castle versteht. Mit seinem dritten Projekt nach den beiden nominellen Castle-Remakes „House On Haunted Hill“ sowie dem ebenfalls von Steve Beck inszenierten „Thirteen Ghosts“ zeigten sich denn auch spätestens gewisse Analogien und Parallelen innerhalb der Arbeitsweise des Substudios – binnen kurzer Laufzeit Geschichten, die in ihrer comichaften, stets etwas überdrehten Bebilderung an das klassische B- und Drive-In-Cinema oder an die alten EC-Comics erinnerten: luftiger Tongue-In-Cheek-Humor, mehr oder weniger gelungene Grand-Guignol-Momente und nicht immer gelungene CGI-Effektarbeit kennzeichneten jene ersten, bis 2007 entstandenen Filme, als Dark Castle sein Portfolio dann mit Guy Ritchies „RocknRolla“ sukzessive zu erweitern begann.
Becks „Ghost Ship“ bildet nun eine motivisch recht klassisch umrahmte haunted house story, nur dass es eben um ein Geisterschiff anstelle eines Geisterhauses geht. Mehrere aus dem etwas losen Scripthut hervorgezauberte Wendungen lassen das Geschehen bald zusehends übernatürlich werden; zunächst riecht das Ganze noch nach einem relativ ordinären, ruchlosen Verbrechen, dessen ungesühnte Opfer als Geister die Antonia Graza heimsuchen und mündet schließlich in die etwas alberne Mär um einen Dämon, der als persönlicher Adlatus des Gehörnten selbst fungiert und jenem Seelen zu kredenzen hat. Das Gold entpuppt sich als Lockmittel, das die unersättliche Gier der Menschen beflügeln und ihre Boshaftigkeit evozieren soll. Logisch – der Name „Ferriman“ (hätte ebensogut auch Schörgen-Toni heißen können) für jenen agent du diable wurde nicht ganz zufällig gewählt. Nach dem Slasher-Prinzip verfahrend muss die Trawler-Crew dann nach und nach das Zeitliche segnen, ein paar typische Verstörungsingredienzien wie ein mit Blut gefüllter Swimming-Pool, ein verführerischer Todesengel (Francesca Rettondini) oder eine Dose Bohnen, deren Inhalt sich während des genüsslichen Verzehrs in Maden verwandelt, inbegriffen. Dass der zuverlässige Gabriel Byrne dabei ist, ist schön, doch nimmt sein Part eher den eines Gaststars ein – die eigentliche Heroine ist die sensible Epps, die mithilfe ihrer geisterhaften kleinen Freundin Katie schließlich dafür sorgt, dass die Antonia Graza endlich ihrem kalten Grab entgegen sinken und sämtliche von Ferriman bereits verbucht geglaubten Seelen doch noch dem Himmel entgegenfahren dürfen. Das Finale scheut dann auch nicht, mit ziemlich widerlicher, aufgesetzt-kitschiger Christen-Mythologie zu kokettieren, was „Ghost Ship“ dann auch nochmal ein, zwei Sympathiepünktchen kostet.
Insgesamt wahrscheinlich nicht gänzlich misslungen aber wohl doch weit hinter dem zurückbleibend, was er hätte sein können.

4/10

CREEP

„Please let me go. I won’t tell anyone.“

Creep ~ UK/D 2004
Directed By: Christopher Smith

Die in der Londoner It-Szene aufblühende Deutsche Kate (Franka Potente) nimmt sich, leicht berauscht von Alkohol und Gras, vor, den justament in der Stadt weilenden George Clooney zu treffen. Bevor sie den letzten Zug erwischen kann, nickt sie jedoch am U-Bahnhof ein und wacht bald darauf völlig allein und verlassen wieder auf. Nicht nur, dass die nächtliche Station abgesperrt ist und Kate somit eingesperrt ist, stellt ihr auch noch ihr aufdringlicher Verehrer Guy (Jeremy Sheffield) nach. Und dieser ist noch bei Weitem nicht die grausigste Person, die Kate in jener Nacht die großstädtische Unterwelt zur Hölle macht…

Mit „Creep“ bin ich nicht sonderlich glücklich, allzu einfallslos verfolgt er insgesamt das Genrekonzept „U-Bahn-Horror“, allzu offen bleiben etliche Fragen um den verwachsenen Freak (Sean HarrisSean ), jenen heimlichen Beherrscher der suburbanen Tunnelsysteme, und seine Herkunft. Christopher Smith hätte sich auch ebensogut dafür entscheiden können, seine ohnehin knapp bemessene Erzählzeit ohne jegliche Verweise auf die Vergangenheit des Deformierten auskommen zu lassen; dem zunächst noch verfolgten Bild der mysteriösen, nicht greifbaren Bedrohung, die er ausstrahlt, hätte dies möglicherweise nur zur Konsequenz gereicht. So lassen diverse, nicht weiter ausgeführte Bildfetzen den Zuschauer allenthalben spekulieren, was das wohl für ein verkrüppeltes Wesen sein mag, das jedweder menschlichen Sozialisation entbehrt und mit den Ratten, die offenbar zu seiner Familie wurden, zu kommunizieren scheint. Wer ist der unter anderem auf Fotos mit dem (noch kindlichen) Rattenkönig auftauchende, geheimnisvolle Doktor und in welcher Beziehung steht er zu ihm? Offenbar gab es vor Jahren furchtbare Experimente an mehreren Probanden – was hat es damit auf sich und warum gibt es überhaupt diese subterranen Operationsräumlichkeiten? Bleibt alles vage. Relativ eindeutig scheint mir nur, dass Smith gewiss mit Gary Shermans Klassiker „Death Line“ geliebäugelt und sich möglicherweise auch die in den Achtzigern relativ zeitgleich aufgetretenen Comic-Villains „Vermin“ (Marvel) und „Ratcatcher“ (DC) als Inspiration für das Tunnelmonster zunutze gemacht hatte – ich fühlte mich jedenfalls permanent an selbige erinnert.
Ansonsten bleibt „Creep“, wie bereits konstatiert, stark schematisch und überraschungsbar in Planung und Ausführung; die zusätzlich eingeflochtenen Figuren dienen lediglich dazu, dem Freak (und somit dem Rezipienten) ein paar mehr oder weniger blutig zur Strecke gebrachte Mordopfer zu bescheren sowie Angst und Ekel der Protagonistin zu potenzieren. Franka Potente, anno 2004 bereits seit längerem im internationalen Filmbiz beheimatet, spielt deren Part gewohnt brauchbar. Erwähnenswert vielleicht noch, dass die Filmstiftung NRW, die man üblicherweise weniger mit Genrekino assoziiert, zumal mit solchem der etwas deftigeren Provenienz, „Creep“ mitproduzierte. Wesentlich mehr wird auf längere Sicht nicht hängen bleiben.

5/10