FATAL ATTRACTION

„I’m not gonna be ignored.“

Fatal Attraction (Eine verhängnisvolle Affäre) ~ USA 1987
Directed By: Adrian Lyne

Eine kurze, aber umso heftigere Liaison zwischen dem verheirateten New Yorker Anwalt Dan Gallagher (Michael Douglas) und der Lektorin Alex Forrest (Glenn Close) entwickelt sich zur tödlichen Obsession seitens der sich schließlich verdrängt fühlenden Dame. Trotz mehrmaliger Versuche seitens Dan, Alex klarzumachen, dass er trotz ihrer zwei, drei koitalen Kontakte zu Frau und Tochter (Ellen Latzen) stehe, ignoriert ihn die zunehmend psychotisch werdende Frau und macht stattdessen den Gallaghers das Leben mit gezielten Attacken auf ihren familiären Schutzraum das Leben zur Hölle.

Der erste Teil dessen, was ich gern und selbstverständlich höchst inoffiziell als Michael Douglas‘ „Fickfilm-Trilogie“ bezeichne. Später folgten dann noch Paul Verhoevens „Basic Instinct“ und Barry Levinsons „Disclosure“, mit denen zusammen Adrian Lynes Film ein vortreffliches Triplett ergibt. Michael Douglas, seines Zeichens (zumindest noch in etwas virileren Lebensahren) auch privat bekennend sexsüchtig, objektiviert in allen diesen drei Stücken das Dilemma jenes weißen, bourgeoisen Mannes, der das Pech hatte, seine Mittlebenskrise ausgerechnet in den 1980ern bzw. -90ern er- bzw. durchleben zu müssen. In allen drei Filmen demonstriert eine jeweils machtversessene, größenwahnsinnige Frau, die jeweils panisch vorgetragene, paranoide, vor allem jedoch evident maskuline Fantasie, derzufolge sich in gegenwärtigen (modernen) Zeiten das Verhältnis zwischen evolutionär vorgeprägtem Sexualrecht und Lustobjekt verkehrt hat. Heuer, so die repetitiv vorgetragene These, sind wir Männer diejenigen, die sich die Finger verbrennen, zu Schlampen und sozialen outcasts degradiert werden, wenn wir bloß einmal zu oft auf unseren Pint statt auf unseren Grips hören. Später wird Michael Douglas einer potenziellen Serienmörderin (Sharon Stone) verfallen, dann muss er sich sogar halb von einer durchtriebenen Kollegin (Demi Moore) vergewaltigen lassen, die ihn mit einer Intrige aus seiner beruflichen Stellung drängen will. Bei Lyne geht es noch um die Gefährdung des innersten Kreises, der höchst konservativen (und domit republikanischen) Bastion „Familie“. Alex Forrest, von Glenn Close gewohnt brillant gespielt, ist eine wenig beneidenswerte, kranke Frau, deren analytische Anamnese vermutlich ein fatales Konglomerat aus einer bipolaren Störung, zwanghafter Nymphomanie und Schizophrenie ergäbe. Im neumodischen, vulgärpsychologischen Jargon fiele sie somit wohl unter die Gruppe der BorderlinerInnen. Weil sie ihr Begierdeziel weder durch Mitleid noch bei seinem männlichen Stolz packen kann, wählt Alex zwecks seiner totalen Zerstörung seine größte und im Grunde einzige Schwäche: die jener Institution Familie. Weniger Dans Eingeständnis, eine Affäre gehabt zu haben, birgt dabei die größte Destruktionsgefahr, sondern Alex‘ offen praktizierter Intimterrorismus. Sie verschafft sich rigoros Zugang zur Privatsphäre der Gallaghers, zunächst durch ihre bloße, bedrohliche Omnipräsenz, dann durch offene Gewalt. Hinter diesem überaus reaktionären Geschlechterbild steht natürlich nichts anderes als die oben bereits erwähnte, zutiefst männlich geprägte Angst vor weiblicher Dominanz. Alex Forrest ist eine Art femininer Dämon, gekennzeichnet bereits durch ihre inmitten einer Schlachtergilde höchst eigenartig lokalisierte Wohnstatt. Abseits all dessen ist „Fatal Attraction“ allerdings auch ein trefflich involvierendes, mitreißendes Thrillerdrama, dessen Abwärtsspirale sich angemessen tief in die Emotionswelt des Rezipienten bohrt. Glenn Close perfektioniert dabei das sich trotz ihrer Pathologie manifestierende Bild der mehr denn hassenswerten, diabolischen Vettel, mit der es höchstens noch Schwester Ratched oder Annie Wilkes aufzunehmen vermögen und deren gewaltvollen Abgang man wohlwollend und ergo mit einem Seufzer höchster Erleichterung zur Kenntnis nimmt. Haltet sie bloß fern von uns, diese Teufelsxanthippen!

8/10

THE ROCK

„Losers always whine about their best. Winners go home and fuck the prom queen.“

The Rock ~ USA 1996
Directed By: Michael Bay

Der hochdekorierte US-General Hummel (Ed Harris) hat sich einen waghalsigen Plan ausgedacht, um auf die bei „inoffiziellen“ Militäroperationen gefallenen Kameraden aufmerksam zu machen und deren übergangenen Familien eine angemessene Entschädigung zukommen zu lassen: Er stiehlt vier mit dem hochgefährlichen Biokampfstoff VX bestückte Raketen und kapert mit ein paar Getreuen die ehemalige Gefängnisinsel Alcatraz nebst einer größeren Touristengruppe in der Bucht von San Francisco. Von dort aus droht er, den angrenzenden Großraum mit seinen Raketen zu beschießen und seine Geiseln zu töten, wenn die gestellten Forderungen nicht erfüllt werden. Abhilfe erwartet man sich von dem Bioterror-Experten Stanley Goodspeed (Nicolas Cage) und dem seit Jahrzehnten inhaftierten, britischen Agenten John Mason (Sean Connery), dem einst die Flucht von Alcatraz gelang. Gemeinsam mit der Kampfstaffel von Commander Anderson (Michael Biehn) soll das ungleiche Duo Hummel und seine Männer unschädlich machen.

Gemeinsam mit den zeitnah debütierenden „Executive Decision“ und „Mission: Impossible“ markierte „The Rock“ die Rückkehr des großbudgetierten, mainstreamtauglichen Actionblockbusters auf die Leinwände der abendländischen Kinos. Gekennzeichnet waren diese durch die Beteiligung von Superstars aus der A-Liga, durch teure Spezialeffekte und spektakuläre Stunts. Auch formal unterschieden sich diese Filme von ihren räudigeren, kleinen Onkeln und Tanten aus dem DTV- und B-Film-Segment sowie den Genre-Ahnherren der achtziger Jahre: Die Schnittfrequenz etwa wurde deutlich erhöht und die dramaturgische Regel, derzufolge regelmäßige Verschnaufpausen von der kinetischen Aktion das Publikum in Sicherheit wiegen, zunehmend ignoriert. Das Produzentenduo Jerry Bruckheimer und Don Simpson sowie der Regisseur Michael Bay wurden fortan zu einer Art Synonym für ein ebenso lautes wie vorlautes Krawall- und Oberflächenkino von nicht selten reaktionärer Gesinnung, patriotistischer Parolenschwingerei und eher geringer Intelligenz. Diese Vorwürfe greifen bei dem Quasi-Modellfilm „The Rock“ allerdings nur bedingt. Zwar wird sich die von Bay und seinem dp John Schwartzman bemühte Ästhetik der pausenlos in Bewegung befindlichen Kamera, der bewusst unübersichtlich gehaltenen Montage, der pittoresken Dämmerhorizonte und des unübersehbaren Militärfetischismus in den kommenden Jahren weiter etablieren, zumindest das kleine Fünkchen satirischer Systemkritik jedoch zeichnet „The Rock“ in besonderem Maße aus.
Sowohl Hummel als auch Mason sind Soldaten alten Schlages; kalte Krieger, effektive Tötungsmaschinen zwar, jedoch ebenso einem hehren Moralkodex verpflichtet, der im Prinzip für jede bis ins Mark korrumpierte Weltmacht pures Gift bedeutet und somit angetan ist, an deren Grundfesten zu sägen. Mason hat einst brisante Mikrofilme gestohlen, die die Wahrheit über sämtliche bis dato abgespeicherten Staatsgeheimnisse der USA enthalten und musste daher zwangsläufig mundtot gemacht werden. Der einzige Grund, warum er noch lebt, ist der, dass er das Versteck jener Mikrofilme nie preisgegeben hat. Hummel derweil hat über Jahrzehnte offizielle, vor allem jedoch auch inoffizielle Militäreinsätze geleistet und ist deshalb bestens über die schnutzige Imperialistenwäsche seines Vaterlandes im Bilde. Dass er eines Tages einen Gerechtigkeitstribut für die Schandtaten, deren Mitwerkzeug er stets bildete, verlangt, ist für einen Ehrenmann bloß konsequent, und umso mehr, wenn man am Ende erfährt, dass er bloß zu bluffen versuchte. Als Mason und Hummel sich begegnen, respektieren sie einander daher sofort, in stillem Einvernehmen und im intuitiven Wissen um die Integrität ihres Gegenübers. Nicht Hummel ist schließlich der Böse, sondern seine geldgierigen, angeheuerten Mitstreiter wie der ungute Captain Darrow (Tony Todd), die ja wiederum nicht ganz zu Unrecht auf die ihnen versprochene „Ablösesumme“ bestehen. Cage, der hier bereits dabei ist, sein bis heute mitunter unfassbares overacting zu kultivieren, wirkt angesichts dessen eher wie ein comic relief. Überhaupt lässt „The Rock“ mit seinem latenten, sublim gehaltenen Sarkasmus dafür, dass man ihn nie wirklich für bare Münze nimmt und seine hier und da überlaufenden Testosteronschübe gut verkraftet. Stilistisch überaus konsequent bildet Bays Film somit tatsächlich ein popkulturelles Inititiationsstück. Ob man dies im Angesicht seiner vielen, ideologisch oftmals mehr denn fragwürdigen Epigonen positiv oder negativ werten soll, das liegt, wie so oft, primär im individuellen Betrachterauge. Don Simpson jedenfalls hatte sich bereits rund ein halbes Jahr vor der Premiere seiner finalen Betätigung als Produzent zu Tode gekokst, Jerry Bruckheimer hat die weniger risikoreichen Vorzüge der TV-Arbeit für sich entdeckt und Michael Bay macht sowieso vornehmlich Filme, die mich zu 90 Prozent überhaupt nicht interessieren. Insofern finde ich „The Rock“ dann doch mehr als okay.

7/10

FRAUENARZT DR. SIBELIUS

„Kind, sei doch nicht so einfältig.“

Frauenarzt Dr. Sibelius ~ BRD 1962
Directed By: Rudolf Jugert

Gynäkologe Dr. Georg Sibelius (Lex Barker) ist ein leuchtendes Beispiel seiner professionellen Provenienz. Hinter seinem Berufsethos muss sogar Gattin Elisabeth (Senta Berger) zurückstehen, was diese nur sehr schwer verkraftet, zumal sie selbst infolge einer Fehlgeburt keine Kinder mehr bekommen kann. Doch neben der dräuenden Ehekrise ziehen noch weitere dunkle Wolken über Sibelius‘ sorgenfaltiger Stirn auf: Seine große Jugendliebe Sabine Hellmann (Barbara Rütting) ist zurück in der Stadt und erhält die furchtbare Diagnose Leukämie, Elisabeths Eifersucht projiziert sich derweil auf Sabines Schwester Susanne (Anita Höfer) und eine schwangere, junge Patientin (Ann Savo), der der Doktor die Abtreibung verweigert, behauptet in ihrer Wut, das Kind sei von ihm und zeigt ihn an. Wie soll Sibelius da nur wieder heraus?

Großartiger Regisseur, der er war, macht Jugert aus diesem Groschenroman von übelster Käsigkeit, Prosaik und Kolportage einen absoluten Gewinner, sprich: einen vollblütigen Unterhaltungsfilm, garniert mit edelst gereiftem Blauschimmel. Jener schlägt bereits zu Buche in Form der Besetzung Lex Barkers in der Titelrolle. Der hochgewachsene, pomadige Amerikaner kam ja in den Frühsechzigern in Papas Kino an, hatte bereits zwei Filme aus Atze Brauners „Dr. Mabuse“-Reihe als dessen FBI-Widersacher Joe Como bereichert und war soeben im Begriff, der legendären Trivialfigur Old Shatterhand/Karl May ihr bis heute gültigstes Antlitz zu verleihen. Zuvor jedoch spielte er, wiederum für Brauner, die Rolle jenes engelsgleichen Gynäkologen Dr. Sibelius, des Mannes, dem die Frauen nicht nur vertrauen, sondern für den sie sich gar mit Vorliebe freimachen. Denn Dr. Sibelius ist nicht nur ausgesprochen nett und höflich, sondern sieht zudem auch noch verdammt gut aus mit seinen breiten Schultern und der markanten, sorgevoll mahlenden Kinnpartie. Ein Kerl, den eine jede gern in der Koje hätte, und sei es nur für eine Nacht. Ebendarum weiß auch Frauchen Elisabeth, die wunders warum noch nicht dem regelmäßigen Alkoholkonsum frönt, sitzt sie doch die meisten Stundes des Tages in sorgenvoller Wartstellung in der heimischen Villa, während ihr Göttergatte „die Babys fremder Frauen zur Welt bringt“ und bekommt dazu noch von der intriganten Haushäterinnenvettel (Berta Drews) die sensiblen Öhrchen mit intrigantem Geschwätz vollgesäuselt. Elisabeth Flickenschildt bereichert das Ensemble als Schwiegermutter mit ihrem wie stets unvergleichen Habitus der hochwohlgeborenen Transendiva und Hans Nielsen hat noch eine einzelne Szene als väterlicher Freund und Mentor. Über die markige Barbara Rütting habe ich mich kürzlich schon an anderer Stelle hinreichend ausgelassen. Ein hinreißendes Ensemble also, dem Jugert mit seiner wirklich hervorragenden, nicht selten mit dem Expressionismus liebäugelnden Inszenierung eine breite Bühne bereitet. Toll!

8/10

WOMAN OF STRAW

„A kind nature is no defense in sickness and death.“

Woman Of Straw (Die Strohpuppe) ~ UK 1964
Directed By: Basil Dearden

Tony Richmond (Sean Connery), Neffe des millionenschweren, an den Rollstuhl gefesselten Witwers und Misanthropen Charles Richmond (Ralph Richardson), stellt für seinen Onkel die Krankenschwester Maria (Gina Lollobrigida) als Hauspflegerin ein. Von der Flamboyanz des charmanten Neffen angezogen und von der Boshaftigkeit des Alten abgestoßen, gerät Maria bald in ein Wechselbad der Gefühle. Dabei bemerkt sie nicht, dass Tony sie zur Exekutiven eines von langer Hand geplanten Komplotts gegen seinen Onkel macht. Er berichtet Maria von seinem privaten Hass gegen den selbsträsonistischen Fiesling und bringt Maria dazu, ihn zu heiraten, um nach dessen in Bälde zu erwartendem Tode Erbin des Vermögens zu werden. Tony gäbe sich mit einem geringen Obolus zufrieden. Nach einem Mittelmeertörn stirbt Charles jedoch urplötzlich, früher als erwartet – und, wie sich bald herausstellt, nicht ganz zufällig. Urplötzlich steht Maria als Mordverdächtige da, der im Falle einer Verurteilung nichts vom Vermögen des Verblichenen zustünde. Ganz im Gegensatz zu dessen nächstem Anverwandten…

Ein ebenso pittoresk gefilmtes wie spannend ausgebreitetes Krimi-Kammerspiel, für dessen Story respektive deren filmische Umsetzung sich vermutlich auch Hitchcock hätte erwärmen mögen. Wenngleich wirkliche Suspense-Momente eher rar gesät sind und zumindest die äußere Spannung des auf einem Roman der Autorin Catherine Arley basierenden Szenarios sich in Grenzen hält, vermag „Woman Of Straw“ mit seiner erzählerischen Ökonomie und dem ehernen narrativen Gesetz, das Publikum im Ungewissen zu lassen über die tatsächliche Schurkenrolle und ihre Auswirkungen, durchaus zu fesseln. Einen seiner Reizmomente bezieht der Film aus dem triangulär angelegten Beziehungsgeflecht der Protagonisten: Wenngleich sich recht flugs herauskristallisiert, dass keiner der Drei eine wirklich weiße Weste besitzt und auf die eine oder andere Weise mit der Unmoral flirtet, schürt das intelligent verfasste Script immer wieder Sympathiewechsel. Selbst der anfangs als unerträglicher, misogyner Rassist und Sadist gezeichnete Charles Richmond macht im weiteren Verlauf eine Wandlung zum beinahe sympathischen, alten Herrn durch, dem man seine vormaligen Boshaftigkeiten beinahe zu verzeihen geneigt ist. Dass Richardsons vormals grenzdämonische Präsenz sich indes sogar noch auf seinen Post-Mortem-Zustand auswirkt (und dieser von der Inszenierung durchaus clever und gänsehautevozierend pronociert wird), entpuppt sich als eine der wenigen, blitzlichtartig eingestreuten Liebäugeleien mit dem Horrorfilm.
Unerwartet überzeugend fand ich zudem Sean Connery als homme fatal: Was den Weg des Zuschauers im amerikanischen film noir zwanzig Jahre zuvor noch unter umgekehrten Genderaspekten gekreuzt hätte, fällt hier im doppelten Sinne unter Geschicklichkeit: Connery, der gerade dabei war, sich als James Bond zu etablieren, spielte seine Hauptrolle im unmittelbaren Anschluss an seinen Auftritt in „From Russia With Love“. Interessanterweise lehnen sich sowohl sein Kleidungsstil, als auch sein gesamtes und Gebahren und seine Mimesis nahtlos an die Gestaltung der Bond-Rolle an. Der entsprechende Effekt ist umso irritierender: Der Welt liebster Stargeheimagent verwandelt sich ganz gemächlich und vor unser aller Augen in einen gemeinen, gewissenlosen Hundsfott, dessen beinahe gottgelenktes Schicksal ihm am Ende mehr als zukommt.

8/10

RED SKIES OF MONTANA

„I tell you, I can’t remember…“

Red Skies Of Montana (Die Feuerspringer von Montana) ~ USA 1952
Directed By: Joseph M. Newman

Cliff Mason (Richard Widmark) gehört zu einer todesmutigen Einheit von „Feuerspringern“, die im Gebiet der mittwestlichen Rocky Mountains immer dann zur Hilfe eilen, wenn wieder mal ein Waldbrand über die Stränge schlägt. Die Aufgabe von Cliff und seinen Männern ist es dann, die Flammen vor Ort soweit einzudämmen, dass sie keine weitere Gefahr darstellen. Bei einem besonders harten Einsatz kommt Cliffs gesamte Truppe ums Leben – mit Ausnahme von ihm selbst. Eine Amnesie infolge der horriblen Ereignisse verhindert jedoch, dass Cliff sich an die genaue Abfolge derselben erinnern kann. Dies wurmt besonders Cliffs Kollegen Ed (Jeffrey Hunter), dessen Vater Pop (Joe Sawyer) ebenfalls in den Flammen umkam und der Cliff insgeheim Feigheit im Angesicht der Ausweglosigkeit unterstellt. Die Situation zwischen Cliff und Ed spitzt sich mehr und mehr zu, bis Ed glaubt, den endgültigen Beweis für Cliffs Schuld gefunden zu haben und in wilder Raserei auf ihn losgeht.

Wo Männer noch Männer sind! Richard Widmark spielt in einem der vielen Vertragsfilme für seinen damaligen Brötchengeber Fox einen kernigen Todesverächter und Hasardeur, der plötzlich und trotz langer Verdienstliste unter dem Verdacht steht, Feigheit im Einsatz walten gelassen und somit das Leben mehrerer Kameraden auf dem Gewissen zu haben. Wäre Cliff Mason selbst in den Flammen umgekommen, stünde er nunmehr als Held da – eine vertrackte und gewissermaßen perverse Crux. Dieser Topos könnte in leicht modifizierter Form natürlich auch direkt einem Beitrag zu damaligen Kriegsfilmwelle entstammen: Feigheit vor dem Feind, der Tod der untergebenen Kameraden, Verantwortung vor Kriegsgericht und Gewissen. Vielleicht hat man daraus ein heimisches Actionszenario gemacht, um das Publikum nicht mit Filmen über das soeben im Verwinden begriffene Posttrauma des Zweiten Weltkriegs überzustrapazieren. Letzten Endes spielt die Genrezugehörigkeit jedoch ohnehin keine wesentliche Rolle; vielmehr steht das psychologische Moment und die Spannung zwischen den Figuren, die Widmark und Hunter spielen, im Vordergrund. Besonders ersterer, dessen markante Physiognomie ihn zuvor häufig auf üble Fieslinge oder zumindest zwielichtige Patrone festgenagelt hatte, ist als Held im Schatten trefflich besetzt. Er bewerkstelligt durch sein nuanciertes Spiel tatsächlich, dass zumindest Ansätze des Zweifelns an einer heroischen Integrität (die ein Feuerbekämpfer a priori mitzubringen hat, ein ungeschriebenes Branchengesetz!) seitens des Publikums aufkommen. Umso größer die Freude darüber, dass er sich am Ende von jedwedem Verdacht, etwas falsch gemacht zu haben, freistrampeln und sogar das Vertrauen seines Filmrivalen zurückgewinnen kann. Hollywood’s own bright heroes eben.

7/10

THE REMAINS OF THE DAY

„I’m invading your private time, am I?“ – „Yes.“

The Remains Of The Day (Was vom Tage übrig blieb) ~ UK/USA 1993
Directed By: James Ivory

Nach dem Tode des vormaligen Besitzers Lord Darlington (James Fox) übernimmt der amerikanische Botschafter Jack Lewis (Christopher Reeve) dessen altehrwürdigen englischen Landsitz Darlington Hall mitsamt allem noch verfügbaren Inventar – darunter auch Darlingtons langjähriger Butler Stevens (Anthony Hopkins). Diesem kommt als notwendige Wirtschafterin sogleich seine frühere Kollegin Miss Kenton (Emma Thompson) in den Kopf, die vor rund zwanzig Jahren bereits mit Stevens auf Darlington Hall zusammengearbeitet hat, sich dann jedoch Hals über Kopf verheiratete und an die Küste gezogen ist. Stevens‘ Erinnerungen zeigen, dass der Gedanke an Miss Kenton nicht ganz uneigennützig aufgekommen ist: Tatsächlich haben die beiden sich einst geliebt, konnten wegen Stevens‘ ehernem beruflichen Ehrenkodex jedoch nicht zusammenfinden und mussten sich daher im Schmerz voneinander trennen. Doch hat sich Stevens‘ Berufsethos nicht nur negativ auf seine persönliche Gefühlswelt ausgewirkt – die diplomatische Salonpolitik seines einstigen Herrn Lord Darlington hatte seinerzeit die europaweite Akzeptanz des sich erhebenden Nationalsozialismus in Deutschland mitbegünstigt, was Stevens wiederum mit der ihm eigenen Standesprofessionalität zu ignorieren pflegte.

Ausnahmsweise keine Forster-Verfilmung aus dem Hause Merchant Ivory, sondern die Adaption eines erst vier Jahre alten Romans des Anglo-Japaners Kazuo Ishiguro, der auch zusammen mit Ivorys Hausautorin Ruth Prawer Jhabvala das Script verfasste.
Von den drei Ivory-Filmen, die ich ich in jüngerer Zeit geschaut habe, hat mir dieser am besten gefallen. Die Gründe dafür sind recht eindeutig benennbar. Was die sukzessive Verdichtung von Form und Inhalt anbelangt, so befindet sich „The Remains Of The Day“ wohl so nah an einem idealistischen, medialen Perfektionsbegriff, wie selbigem ein Kinostück überhaupt nur kommen kann. Ferner ist das Milieu, in dem die Geschichte angesiedelt ist, seiner strikt britischen Provenienz zum Trotze wesentlich zugänglicher für den gemeinen Mitteleuropäer. Man begreift den perfektionistischen Hang des Hausbutlers recht unumwunden, wobei im Gegensatz dazu etwa die Motivationslagen der Figuren innerhalb der Forster-Filme einer gewissen zusätzlichen Beschäftigung mit dem Lokal- und Zeitkolorit bedurften, um sie treffender einordnen zu können. Schließlich ist das Sujet von „The Remains Of The Day“ ein sehr viel universelleres, wenngleich es einige der Hausthemen von Forster in sich trägt. Es geht hierin nämlich um nichts weniger denn um ein verschwendetes Leben unter verfehlten Vorzeichen, um einspruchsloses Mitläufertum außerdem. Für Stevens impliziert das Dasein eines Butlers die absolut uneingeschränkte Loyalität eines Untergebenen zu seinem Herrn. Damit einher geht die völlige Ignoranz jedweder persönlicher Befindlichkeit. Stevens schluckt den Überanstrengungstod seines ebenfalls im Lakaienberuf tätigen Vaters (Peter Vaughan) kurzerhand herunter – immerhin gilt es, die Soiree des Masters nicht zu beflecken. Der seiner grenzenlosen Naivität geschuldeten, infizierten politischen Umtriebe seines Herrn wird Stevens durchaus gewahr und weiß sie auch korrekt einzuordnen – allein sie zu diskutieren oder gar dagegen aufzubegehren fiele ihm nicht im Traum ein – es stünde ihm in seiner Position schließlich auch überhaupt nicht zu. Stattdessen lässt Stevens sogar den Spott der snobistischen Hausfreunde Darlingtons über sich ergießen, wenn er – wiederum aufgrund seiner abgestammten Rolle des Ewigbuckelnden – so tun muss, als habe er vom Zeitgeschehen keinerlei Schimmer und repräsentiere lediglich das „einfache Volk“. Den größten Fehler seines Lebens jedoch begeht Stevens, indem er die wahrscheinlich einzige Frau ziehen lässt, mit der er hätte glücklich werden können. Auf eine Provokation ihrerseits, die ihn endlich aus seinem emotionalen Gefängnis locken soll, reagiert er mit einer ebenso subtilen wie bösartigen Retourkutsche. Damit ist es endgültig um seine persönliche Integrität geschehen – ohne, dass ihm dies vielleicht jemals wirklich bewusst wird. Dass er diesen wohl größten Fehler seines Lebens am Ende wieder gutzumachen versucht – „The Remains Of The Day“ spielt auf zwei Zeitebenen -, davon handelt der Film. Doch es ist längst viel zu spät, um, wie Stevens es formulieren würde, über verschüttete Milch zu klagen. Das Leben hat ihn hinter sich gelassen. Immerhin hat er seine berufliche Integrität niemals einbüßen müssen – doch um welchen Preis?

10/10

GUN FOR A COWARD

„You should feel sorry, you know.“

Gun For A Coward (Schieß oder stirb!) ~ USA 1957
Directed By: Abner Biberman

Bless Keough (Jeffrey Hunter), der mittlere von drei Söhnen einer Rancherwitwe (Josephine Hutchinson), leidet unter dem unschönen und ihn zugleich schwer belastenden Ruf, ein Weichling und feige zu sein. Während sein älterer Bruder Will (Fred MacMurray) die Vaterrolle übernommen hat und alles auf der Ranch zusammenhält, ist Hade (Dean Stockwell), der Jüngste, ein unverbesserlicher Hitzkopf, der keiner Prügelei aus dem Wege geht. Damit personifiziert er so ziemlich das genaue des Gegenteil des tatsächlich besonnen und vernünftig agierenden Bless. Als Wills ihm lange versprochene Verlobte Audrey (Janice Rule) und Bless sich ihre Liebe gestehen, ziehen dunkle Wolken am Horizont auf, die sich während eines anstehenden Viehtriebs nach Abilene noch mehr verfinstern: Kurz vor dem Ziel stirbt Hade wegen eines zuvor selbst verursachten Konflikts mit ein paar Desperados und alle Welt macht erwartungsgemäß Bless für den Tod des Jungen verantwortlich. Nun ist es an Will, trotz aller Widrigkeiten zu seinem Bruder zu stehen.

In vielerlei Hinsicht ein Quasi-Remake von Howard Hawks‘ Meisterwerk „Red River“, erreicht „Gun For A Coward“ bei Weitem nicht dessen Intensität und verdient es zudem kaum, in einem Atemzug mit den wirklich großen, psychologisch in der Regel weitaus sorgfältiger austarierten Western der Dekade genannt zu werden – wenngleich er offenkundig genau dies anstrebt. Da sind der Bruderzwist mitsamt ödipaler Note, das bis in die Kindheit zurückreichende, traumatische Stigma des Feiglings, der über seinen Schatten springen muss, um vor sich selbst bestehen zu können und schließlich die Dämmerung des harten, traditionsverhafteten Westerners, der neuen Ideen und Idealen zu weichen hat. Nach „The Searchers“ spielt Jeffrey Hunter, der trotz der Besetzung des Altstars MacMurray die heimliche Hauptrolle innehat, wiederum den etwas naiven Nachwüchsler, der dem Ziehvater jedoch an Menschlichkeit und Herzlichkeit deutlich überlegen ist und ihn dies am Ende auch spüren macht. Fred MacMurray, eigentlich deutlich zu alt für seinen Part, bildet somit eine – erwartungsgemäß etwas unausgegorene – Melange aus gleich zwei ikonischen John-Wayne-Figuren, nämlich Tom Dunson und Ethan Edwards. Wie Dunson verfolgt er sein Ziel mit gnadenloser Scheuklappigkeit, wie Edwards droht er, über die Enttäuschung der ihn hinter sich lassenden Wirklichkeit hinaus sein letztes Fünkchen Humanität einzubüßen. Und wie Letzterem bleibt ihm am Ende nur das Weiterziehen, die nahende, physische Auflösung im Mythenpool seiner Ära. Die Ballung dieser komplexen Topoi bildet für den Gelegenheitskinoregisseur und Handwerker Abner Biberman, der lediglich acht weitere, wenig renommierte Filme realisierte und ansonsten fürs Fernsehen arbeitete, eine spürbar allzu schwer zu stemmende Last. Zwar gelingen ihm hier und da schöne Augenblicke (die Geburt eines Fohlens, die Szenen mit Hunter und Rule), doch leistet er sich auch immer wieder (sicherlich durch das Studio teiloktroyierte) Schwächen, wie etwa die Einfügungen offensichtlich fremder Viehtriebssequzenzen, die nur allzu deutlich herausstechen oder die hilflose Berücksichtigung des in Teilen mit heißer Nadel gestrickten Scripts. Es bleibt ein ansatzweise immer noch sehenswerter Studiowestern, insbesondere für den klassischen Gattungsvertretern zugeneigte Genrechronisten, doch damit hat es sich dann auch.

6/10

HOWARDS END

„Unlike the Greek, England has no true mythology. All we have are witches and fairies.“

Howards End (Wiedersehen in Howards End) ~ UK/USA/J 1992
Directed By: James Ivory

England im Edwardianischen Zeitalter: Nach dem Tode seiner Frau Ruth (Vanessa Redgrave) lebt der wohlhabende Geschäftsmann Henry Wilcox (Anthony Hopkins) zusehends in Einsamkeit. Daher macht er der alleinstehenden Londonerin Margaret Schlegel (Emma Thompson) einen Heiratsantrag. Margaret führt bis dato mit ihren beiden Geschwistern Helen (Helena Bonham Carter) und Tibby (Adrian Ross Magenty) mit dem großzügigen Vermögen ihrer versorbenen Eltern eine recht ungebundene, ihr vielfältige Bildung und ein aufrichtiges soziales Bewusstsein gestattende Existenz. Zudem war sie Ruth Wilcox in deren letzten Wochen die beste nur denkbare Freundin. Ruths Ein und Alles, ihr ganz persönliches Symbol für die Unbeschwertheit des Seins, bildete ihr Landhaus ‚Howards End‘, das sie Margaret ohne deren Wissen zu hinterlassen gedachte. Henry und seine Kinder jedoch verweigerten dieser jene Erbschaft und zogen es vor, Howards End zu vermieten. Als Helen eines Tages unehelich schwanger wird, bittet Margaret Henry, ihre Schwester ihr Kind dort, in der Provinz, und somit fernab von gesellschaftlichen Ressentiments, zur Welt bringen zu lassen. Doch Henry kann die alte Sturheit, insbesondere angesichts dieser für ihn skandalösen Situation, nicht beilegen.

Die Filme von James Ivory machen es dem Zuschauer geradezu unbegreiflich, dass ihr Regisseur ein gebürtiger US-Amerikaner aus Oregon sein soll; so bis ins Mark englisch erscheinen sie einem. Sein „Howards End“ bildet den Abschluss einer Trilogie von Adaptionen des zeitgenössischen Autoren E. M. Forster, der seine Kritik an der standesdünkelnden Bigotterie der englischen upper class um die vorletzte Jahrhundertwende wie kaum ein anderer in satirische Gewänder zu hüllen pflegte. Unter Aufwändung erlesenster Formalia fanden Forsters Romane auch achtzig Jahre nach ihrer Entstehung bei Ivory eine kongeniale filmische Aufbereitung, wobei „Howards End“ von vielen als Höhepunkt ihrer teilposthumen, kreativen Allianz erachtet wird.
Nur vordergründig ging es Forster um romantisch belastete Schicksale seufzender Patriziersprösslinge; tatsächlich pflegte er sich – als unbekennender Homosexueller nur allzu verständlich – über die Omipräsenz der persönlichen Unfreiheit hinter der Fassade des schönen Scheins zu ereifern, über die immer wieder zu Tage tretende Disparität zwischen privatem Glück und den Konventionen einer unter strengsten Sitten, Tugenden und Ehrenkodexen ächzenden Ständegesellschaft.
In „Howards End“ machen sich entsprechende Konfliktsituationen gleich mehrfach bemerkbar. Im Prinzip sind die späteren Ehepartner Margaret Schlegel und Henry Wilcox zwei Repräsentanten völlig diametraler Vernunfstsspektren: Sie eine emotionale, belesene und kultivierte Frau, die mit den Suffragetten sympathisiert, ein Herz für weniger begüterte Zeitgenossen besitzt und sich gern Tagträumen und Phantasien hingibt; er ein zugeknöpfter Geldmensch, dem Ansehen und Außenwirkung über alles gehen und der jede Form von sozialem Fortschritt als utopistische Träumerei abtut. Allein sein fast unbrechbarer Stoizismus, der Margaret von Anfang an die eigentlich durch seine verstorbene Gattin legitimierte Übernahme Margarets von Howards End verweigert, ist für die schicksalhaften Wendungen, die auf seine Familie einprasseln werden, verantwortlich. Ob er sich dies am Ende eingestehen mag, daran dürfen berechtigte Zweifel bestehen. Dennoch erringt Margaret einen überfälligen, finalen Sieg über all das, was Henry Wilcox repräsentiert und personifiziert und trägt somit einen gesellschaftlichen Hoffnungsschimmer in sich.

9/10

BASKET CASE

„This isn’t a hotel, it’s a nuthouse!“

Basket Case ~ USA 1982
Directed By: Frank Henenlotter

Seit man Duane Bradley (Kevin Van Hentenryck) als Kind von seinem siamesischen Zwillingsbruder Belial getrennt hat, sinnen beide auf Rache an jenen Schlächtern, die ihnen diese Schmach höchst unfreiwilligerweise zugefügt haben. Nach dem Tod ihrer Tante (Ruth Neuman), die sich seit damals liebevoll um Duane und den „entsorgt“ und somit tot geglaubten Belial gekümmert hat, zieht es die das Paar nach Manhattan, wo sich zwei der drei ehedem praktizierenden Doktoren aufhalten. Vor allem Belial, der Duane mental beeinflusst, dürstet es nach Blut. Von Duane in einem Weidenkorb herumgetragen, knöpft Belial sich jeden vor, der das gezielte oder rein zufällige Unglück hat, die kleine Monstrosität zu entdecken. Als sich Duane in die Arzthelferin Sharon (Terri Susan Smith) verliebt und sich von dem eifersüchtigen Belial zu emanzipieren versucht, kommt es zur Katastrophe.

Mit „Basket Case“ ist dem damals völlig unabhängig und im Trüben arbeitenden Frank Henenlotter, selbst ein großer Kino-Aficionado, ein kleines, schmutziges Meisterwerk der vordergründigen Geschmacklosigkeit gelungen, das in Wahrheit jedoch gigantisch viel Herz besitzt und jeden, der sich auch nur ein wenig bemüht, unter die Oberfläche der vermeintlich pathologisch umgesetzten Story zu blicken, zu Tränen zu rühren vermögen sollte.
„Basket Case“ vereint viele der kostbarsten Attribute aufrichtigen Genrekinos in sich: Zuallererst bildet er gemeinsam mit Lustigs „Maniac“, Glickenhaus‘ „The Exterminator“ und Ferraras „Ms. 45“ eine inoffizielle, zeitnah entstandene und nachtschwarze Tetralogie des Abseitigen. Sie alle zeigen eine Art paralleles Manhattan der frühen achtziger Jahre, das Manhattan der 42. Straße, der nächtlichen U-Bahnen, der Nutten, Fixer, Pimps, Trinker, Obdachlosen und Irren, der Billig- und Pornokinos, Sexshops und Rotlichtbezirke. Ihre Protagonisten, einsam, verrückt oder verroht und allesamt aus unterschiedlichen Gründen auf der Jagd nach Opfern, streifen einsamen Großstadtwölfen gleich durch die neonglitzernde Dunkelheit und erleben jede/r für sich sein/ihr persönliches Inferno. Henenlotter mixt als Einziger der Genannten ein handfestes phantastisches Element hinzu, wendet Stop-Motion-Sequenzen auf und ein originelles Monster, auf das in mehr oder weniger stark variierter Form jeder seiner weiteren Filmen rekurrieren wird. Jenes bizarre Etwas ist ebenso abstoßend wie bemitleidenswert. Belial (dessen Name auf einen biblischen Dämon mit langer literarischer Tradition hinweist) besteht eigentlich nur aus einem wild verwachsenem Torso mit kräftigen Klauen, Reißzähnen und schwarzhöhligen Augen, die manchmal leuchten. Er kann nicht sprechen, sondern nur gutturale Schreie ausstoßen und besitzt dabei die unbändige Kraft eines wild gewordenen Schimpansen. Erst durch die höchst erzwungene, blutige Trennung von seinem Zwillingsbruder, die eigentlich Belials Tod mit in Kauf nehmen und einbeziehen sollte („I’m not even sure it’s human…“) sind in ihm böse Charakteristika erwacht, die einerseits die völlig Vereinnahme seines Bruders und andererseits den Durst nach Rache beinhalten. Dass sich hinter Belial eine der tragischsten, bemitleidenswertesten Existenzen des gesamten Genrekinos verbirgt, ist indes jedem bewusst, der sich einmal ernsthafter mit „Basket Case“ befasst hat. Eigentlich will er nur, was alle wollem, was auch sein Bruder Duane sucht: Geborgenheit, Liebe und Verständnis. Als ihm dies auch noch der letzte verbliebene Mensch versagt, bleibt nichts mehr außer dem gemeinsamen Freitod, zumal Belial weiß, dass er ohne die Fürsorge und Obhut von Duane, der ihn, den ewigen Klotz am Bein, zu hassen beginnt, wie der Rest der Welt, ohnehin nicht überleben könnte.
Diese überaus tragische, die Kehle zuschnürende Geschichte verquickt Henenlotter auf großartige Weise mit schwarzem, sich manchmal überaus traditionsbewusst ausnehmendem Humor und grandiosen Einblicken in sein ganz persönliches New York der Nacht: Das eigentlich sehr liebenswerte Hotel Broslin, in dem sich Huren, Penner, erfolglose Künstler und andere Gestörte die Klinke reichen, repräsentiert eine der Schattenseiten des urbanen Molochs. Der enevierte, ewig fluchende Manager (Robert Vogel) des Ladens, eine der schillernden (und eine meiner Lieblings-)Gestalten des Films, ist stets mit Unterhemd, Hosenträger und Zigarrenstummel unterwegs und erinnert dabei nicht von ungefähr an klassische Vorbilder wie Mr. Kruhulik (Robert Strauss) aus Wilders „The Seven Year Itch“, einem weiteren großen New-York-Film nebenbei.„It’s like „E.T.“, as written and directed by a psychopath“, lautet eine berühmte, zeitgenössische Stimme zu diesem Film von Dianne Haithman von der „Detroit Free Press“. Nun, das stimmt. Zumindest zur Hälfte.

9/10

HOT PURSUIT

„They call me ‚Mr. Determined‘!“

Hot Pursuit (Mr. Alligator – See You Later…) ~ USA 1987
Directed By: Steven Lisberger

Gerade dachte der arme Chemiestudent Dan Bartlett (John Cusack) noch, er habe seine Diplomprüfung vergeigt, da schanzt ihm sein verständiger Prof (Joseph F. Foster) doch noch den ersehnten Abschluss zu – dummerweise eine Viertelstunde zu spät, denn Freundin Lori (Wendy Gazelle) ist bereits mit ihrer Familie in die Karibik abgeflogen, zu jenem Urlaub, an dem Dan ursprünglich teilnehmen sollte und den er unter falschen Voraussetzungen kurz zuvor abgesagt hat. Verspätet am Ziel angekommen, erwarten den permanent kurz vorm Nervenzusammenbruch stehenden Danny auf der Jagd nach seiner ihm stets eine Nasenlänge im Voraus befindlichen Angebeteten allerlei schräge Abenteuer mit Einheimischen, einem versoffenen Skipper (Robert Loggia) und üblen Seajackern…

Nach einer fünfjährigen Pause bildete die Cusack-Komödie „Hot Pursuit“ Steven Lisbergers erste Regiearbeit seit seinem Cyberspektakel „TRON“. Wenn man überhaupt von möglichen Analogien zwischen den zwei Projekten sprechen möchte, dann dürften sich diese in Marginalitäten und willkürlich Herbeifabuliertem erschöpfen, so etwa der Feststellung, dass sich in beiden Film ein desorientierter Held wie weiland Odysseus auf eine gefahrvolle Reise in unbekanntes Terrain zu begeben hat. Ansonsten erweist sich  Lisberger als kein eben außerordentlicher Komödienregisseur, obschon er mit Cusack einen vorrangigen Darsteller der Achtziger-TeenCom an Bord hatte und auch die Nebenrollen durch die Besetzung durchweg gut aufgelegter Akteure glänzen können.
Allerdings versagt „Hot Pursuit“ etwas im Hinblick auf seine narrative Stringenz. Die an sich vielversprechende Geschichte einer sich ständig durch dumme Zufälle verzögernden Hetzjagd hätte wesentlich temporeicher inszeniert werden können – stattdessen gibt es immer wieder dramaturgische Bremsklötze in Form unnötig platzierter Durchhänger, die irgendwo zwischen ‚redundant‘ und ‚albern‘ umherpendeln. Eine Story, die explizit auf dem Faktor Geschwindigkeit fußt, bedarf eben auch einer impliziten Umsetzung derselben. Insofern hätte es dem – im Nachhinein noch von Tom Mankiewicz unkreditiert überarbeitetem – Script gut getan, wenn es die eine oder andere Episode verkürzt (Übernachtung im Dschungel) oder wohlweislich ganz darauf verzichtet (Gefängnisaufenthalt) verzichtet hätte. Dass dann am Ende noch ein weiterer Kriminal-Subplot rund um Jerry und Ben Stiller als Vater und Sohn Ganoven nebst einer Kapitänsleiche installiert werden musste, wirkt wiederum redundant.
Lisberger fehlt es wohl schlicht an der selbstsicheren Leichtigkeit und Chuzpe eines Rob Reiner oder Savage Steve Holland, die mit dem jungen John Cusack ehedem deutlich mehr anzufangen wussten.

5/10