WISHMASTER

„I claim that which is owed.“

Wishmaster ~ USA 1997
Directed By: Robert Kurtzman

Durch eine Kette von Zufällen entkommt ein böser Djinn (Andrew Divoff) aus seinem Jahrhunderte alten Gefängnis in einem Feueropal und macht das Los Angeles der Gegenwart unsicher. Allen voran hat sich fortan die Juwelenexpertin Alex Amberson (Tammy Lauren) sich mit dem monströsen Dämon herumzuschlagen, der zugleich eine Art mentale Verbindung zu ihr herstellt. Alex muss sich clever genug anstellen, den Djinn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen…

Aus der ersteinmal wenig innovativen Idee, der umfassenden Riege von Slasher-Helden eine neue, franchisekompatible Figur hinzuzusetzen hat Robert Kurtzman, erstes Initial der legendären Effekteschmiede K.N.B., ein echtes Fan-Happening gezaubert; ein Sahneschnittchen für alle Genrenerds und solche, die sich anschicken, welche zu werden. So sind die zahlreichen Cameos von hauptsächlich Horrorfans geläufigen Gattungsgrößen neben den Mord- und Effektszenen zweifelsohne der Kitt, der den bei Licht besehen und entzaubert gesprochen doch recht konventionellen und einfältigen Fantasystoff zusammenhält. Man könnte ergo durchaus von einem „Konzeptfilm“ sprechen, der am Ende jedoch auf grandiose Weise sein Tempo beibehält und dadurch, dass er mit so vielen liebevollen Einfällen gespickt ist (Harry Manfredinis ewiggleiche Synthie-Klänge zählen übrigens nicht dazu), den notwendigen Charme entwickelt um sich tatsächlich einen ordentlichen Film schimpfen zu dürfen.
Ergänzend sollte besonders die Anreicherung mit schwarzhumorigem Witz dafür mitverantwortlich sein, die vor allem auf die Tatsache rekurriert, dass der Djinn nur dann agieren kann, wenn seine Opfer einen undurchdachten Wunsch äußern, der in der Regel von dem Bösewicht selbst suggeriert und forciert wird und dessen reale Entsprechung sich freilich in das Gegenteil des ursprünglich Intendierten verkehrt. Das wiederum bietet der K.N.B.-Belegschaft hinreichend Gelegenheit zur Vorführung ihrer Kunstfertigkeit. Dadurch, dass alles, was der Djinn im Laufe der Erzählung an Bösem anrichtet, am Ende wieder rückgängig gemacht und relativiert wird, erreicht Kurtzman zudem einen besonderen Kniff der Jugendfreigabe – alles halb so schlimm, ist ja ohnehin nie passiert. Dumm nur, dass die meisten Aufpasser und selbsternannten Schutzbefohlenen in aller Welt das zunächst ganz anders sahen. Zwanzig Jahre später sind die Gemüter, wie in vielen anderen Fällen, wieder auf ein adäquates Maß heruntergekocht. Gut so.
Fear the Djinn!

7/10

KID BLUE

„I’m gonna get me a job and earn honest money.“

Kid Blue ~ USA 1973
Directed By: James Frawley

Der in Südtexas als „Kid Blue“ berüchtigte Ganove Bickford Warner (Dennis Hopper) ist die Zeit des Herumvagabundierens leid und begibt sich nach dem Städtchen Dime Box, um dort, zum allgemeinen Amüsement seiner alten Gang, einer ehrlichen Arbeit nachzugehen. Der erste Job beim örtlichen Barbier (M. Emmet Walsh) geht gründlich in die Hose und so fängt Bickford in der Nippeskeramikfabrik von Mr. Hendricks (Clifton James) an. Mit dem Pärchen Reese (Warren Oates) und Molly Ford (Lee Purcell) gewinnt Bickford zwei gute Freunde, doch er landet bald mit Molly im Bett. Überhaupt vertragen das konventionelle Spießerdasein und Bickfords Wesen sich überhaupt nicht miteinander und so baldowert er schon bald einen Plan aus, um Mr. Hendricks‘ Werkskasse zu plündern…

Mit „Kid Blue“ ist James Frawley ein echter Vorzugswestern gelungen, der wie viele Genreproduktionen aus der Ära New Hollywood die Gattung auf eine leicht schwebende, komödiantische Metaebene hebt, es sich dort bequem macht und, und darin unterscheidet er sich dann doch von den meisten seiner zeitgenössischen Wegbegleiter, trotz seiner stark systemkritischen Agenda den Mut zu einem versöhnlichen, gar euphorischen Abschluss aufbringt. Als kleine Americana verdichtet „Kid Blue“ den vergleichsweise epischen, subsummierenden Erzählansatz von Arthur Penns nicht unähnlich gelagertem „Little Big Man“ zu einem kaum minder satirischen Konzentrat; wie zuvor Dustin Hoffman tritt auch Dennis Hopper als eine Art schelmischer Simplicissimus an, sich den Gepflogenheiten einer merkwürdig pevertierten, neuen Ära zu stellen, scheitert jedoch an deren verlogener Doppelmoral. Literarische Einflüsse von Kafka bis Brecht lassen sich verzeichnen – die Industrialisierung mit all ihrer ausbeuterischen, stumpfen Gräue kommt im Mythenland Texas an, bürgerliches Recht und Gesetz personifizieren sich in ihrer denkbar unangenehmsten, repressivsten Form (die Rolle des eigenmächtigen Sheriffs „Mean John“ Simpson hätte anstelle von Ben Johnson idealerweise eigentlich  Duke Wayne übernehmen müssen), die Bourgeoisie pflegt nur genau solange ihre ethischen Grundsätze, wie sie sich nicht im gleichen Fluss wie christianisierte Indianer taufen lassen müssen und bis die gestandene Hure (Janice Rule) aufkreuzt, die mit Abstand intelligenteste Figur im Film. Ein drogensüchtiger Baptistenprediger (Peter Boyle) erweist sich als höchst liberaler Charakter und drei alte Indianer als wandelnde Anachronismen, die sich auf höchst seltsame Weise in der Zeit vergaloppiert zu haben scheinen und glauben, ein Bekenntnis zum christlichen Gott ließe sie das ihnen zustehende Land zurückgewinnen.
„Kid Blue“, mit Sicherheit einer der am Weitesten links positionierten Western überhaupt, ist ebenso speziell wie großartig in seinem zwischen Tragik und Humor bisweilen regelrecht transzendenten Habitus. Schade, dass Frawley, den ich, ähnlich wie Mark Rydell und Dick Richards als einen der „Vergessenen New Hollywoods“ erachte, nicht mehr Erfolg als Filmemacher beschieden war. „Kid Blue“ hätte als Empfehlungsschreiben jedenfalls völlig genügt.

9/10

UN POLIZIOTTO SCOMODO

Zitat entfällt.

Un Poliziotto Scomodo (Convoy Busters) ~ I 1978
Directed By: Stelvio Massi

Commissario Olmi (Maurizio Merli) vom römischen Morddezernat eckt seiner rüden Methoden wegen immer wieder bei Vorgesetzten und Staatsanwaltschaft an. Ist etwa ein wichtiger Zeuge, so der juvenile Fatzke Marcello Degan (Marco Gelardini), einmal weniger gesprächig als es ihm zukommt, setzt es Hiebe, bis die Zunge sich lockert – doch unter Zwang abgegebene Aussagen sind nichts wert, und wenn sie noch so sehr der Wahrheit entsprechen. Degan Senior (Massimo Serrato), Zollbeamter, umtriebiger, Diamantenschmuggler, Mörder und Vater Marcellos, kann also weitermachen wie bisher, doch Olmi hat ohnehin bereits den großen Hintermann im Auge. Dieser sitzt in Person des nicht ganz so sauberen Geschäftsmannes Corchi (Mimmo Palmara) in unmittelbarer Küstennähe und betreibt dort einen florierenden Waffenschmuggel, der sich wohlfeil hinter einer Speditionsfirma und einem lokalen TV-Sender tarnt. Wie gut, dass Olmi just dorthin versetzt wird und mit der feschen Anna (Olga Karlatos) gleich noch eine nette Hupfdohle kennenlernt.

Und nocheinmal Maurizio Merli, der gutaussehende Mann mit blauem Schnäuz und blondem Auge und viel Haarlack, der Kämpfer für Witwen und Waisen, der garibaldische Patriot und Kommissar aus Eisen! Was ich letzthin schrieb, gilt in so ziemlich allen Belangen auch für „Un Poliziotto Scomodo“, nur, dass diesmal Stelvio Massi die Regie übernehmen durfte und mir die flötenbewährte Musik von Stelvio Cipriani besonders viel Freude bereitete.
Die böse Fügung, dass der Kommissar zwischendrin an so ziemlich allem scheitern muss; am eigenen Anspruch, an der Gewieftheit seiner Widersacher, vor allem aber an der Unflexibilität des Rechtsstaats, trifft auch den armen Olmi, als er hilflos zusehen muss, wie der üble Degan sich in letzter Minute mit einem Flieger in die höchst unverdiente Freiheit absetzen kann. Zäsur, Versetzung, Provinz. Die ansonsten stets locker sitzende Handfeuerwaffe landet zuallererst bedeutungsschwer in der Schublade, wo sie zunächst auch bleiben kann, denn hier an der See bekommt es Olmi bestenfalls mit ein paar großmäuligen Rüpeln zu tun, die auch im Sechserpack ganz schnell abgefertigt werden. Und doch – wo Olmi ist, da ist auch das organisierte Verbrechen nicht fern und es lauert , seelisch erstarkt durch freundliche Kollegen, wesentlich mehr Handlungsfreiheit und vor allem eine schnieke Dame im Bettchen, für Olmi die Gelegenheit, die letzte Schlappe wieder auszuwetzen. Sein neuer Gegner Corchi weiß nämlich nicht, mit wem er es hier zu tun bekommt.
Es ist zwar etwas Schade, dass Massimo Serrato, gerade, als man ihn als bösen Hundsfott so richtig ins Herz geschlossen hat, schon wieder so rasch aus dem Film verschwinden muss und mit Mimmo Palmara einen eher blassen Ersatz hinterlässt, doch „Un Poliziotto Scomodo“ liefert unter Aufendung der allseits gewohnten Meriten trotzdem die volle Merli-Dröhnung: Es gibt reichlich Action, Spaß und diesmal mehr Sätze heißer Ohren als Patronen, was aber auch in Ordnung geht. Olmi vor!

7/10

ITALIA A MANO ARMATA

Zitat entfällt.

Italia A Mano Armata (Cop Hunter) ~ I 1976
Directed By: Marino Girolami

Commissario Betti (Maurizio Merli) von der römischen Mordkommission sieht sich wie üblich mit einer Welle des Verbrechens konfrontiert, die von Albertelli (John Saxon), dem großen Boss im Hintergrund, geplant und koordiniert wird. Vor allem Banküberfälle mit Scheingeiselnahmen gehören zum Konzept seiner Gang. Dennoch bleiben Albertellis Hände stets blütenrein, so dass Betti, der genau Bescheid weiß, dem großen Hai nichts nachweisen kann. Als in Albertellis Auftrag eine Gruppe von Schulkindern entführt wird, eine Aktion, bei der ein kleiner Junge serben muss, ist Betti sowohl sich als auch Luisa (Mirella D’Angelo), der Schwester des Jungen, schuldig, Albertelli endgültig dingfest zu machen.

Nach Marino Girolamis „Roma Violenta“ und Umberto Lenzis „Napoli Violenta“ nahm abermals Signore Girolami das Heft zur Hand und inszenierte mit „Italia A Mano Armata“ den letzten Teil der binnen rund einem Jahr entstandenen Trilogie um das römische Callahan-Pendant Betti, einem Typen, der gern dazu neigt, weniger auf das hoffnungslos korrumpierte System, denn auf die eigene Schlagkraft und Rechtsprechung zu setzen. Ursprünglich war Merli als Franco-Nero-Substitut engagiert worden und „Roma Violenta“ als nachgeschobener Profiteur zu Enzo Castellaris höchst erfolgreichem „La Polizia Incrimina La Legge Assolve“ gedacht, der dem Poliziottesco seinerseits erst das rechte Maß an explosivem Zunder verliehen hatte. Bei Girolami und Merli wurde dann der Exploitationfaktor nochmal zünftig angeschraubt, die Schurken wesentlich roher und unmenschlicher und die Gewaltszenen intensiver, womit die Gattung dann ihre eigentliche, finale Form zuteil wurde, die dann neben Merli, dem ungekrönten König des Poliziottesco, noch weitere Protagonisten in Luc Merenda, Henry Silva oder Marcell Bozzuffi hervorbrachte. Ob Merli sich nun Betti, Tanzi oder Ferro nannte; er spielte im Prinzip die immerselbe Figur vor dem immerselben Konzept. Manchmal, wie auch in „Italio A Mano Armata“, musste seine Figur dann am Ende noch urplötzlich als großer Verlierer gegen die allumfassende Systemfäule dann doch noch überraschend den Löffel abgeben (auch das nach Nero-Vorbild) und der Zuschauer mit einem gehörigen Schreck das Kino verlassen.
So wenig vielgestaltig wie seine insgesamt elf Polizeifilme ist auch deren ihnen immanente Qualitätsspanne; wenn man sich einen Merli vornimmt, dann weiß man in der Regel, was man zu erwarten hat. Das kommt einem mustergültigen Gütesiegel gleich, auf das man zählen kann und das keinen, der einmal seine Freude daran gefunden hat, je wirklich enttäuschen dürfte. „Italio A Amano Armata“ ist mit sorgsam verteilten, kernigen Actionszenen und etablierten Mustern nun weder der beste noch der schwächste Beitrag zu diesem insgesamt sehr schönen Zyklus. Man fühlt sich zu Hause in ihm und das ist gut.

7/10

CLEOPATRA

„Caesar! Beware of the ides of March!“

Cleopatra ~ USA 1934
Directed By: Cecil B. DeMille

48 v.u.Z.: Nachdem die ägyptische Königin Cleopatra (Claudette Colbert) einer tödlichen Intrige ihres Bruders Ptolemäus und dessen Statthalters Pothinos (Leonard Mudie) entgehen kann, führt sie sich auf höchst ungewöhnliche Weise bei dem römischen Imperator Julius Caesar (Warren William) ein. Aus der sich alsbald ergebenden Liaison wird jedoch nicht mehr, da Caesar von den ihn ohnehin scharf beäugenden Republikverteidigern im Senat ermordet wird. Die am Boden zerstörte Cleopatra kehrt nach Ägypten zurück, auf Rache sinnend. Diese will sie an der Person des ihr eilends nachgesandten Feldherrn und Eroberers Marc Anton (Henry Wilcoxon), der sie zur Kapitualation zwingen soll, vollstrecken. Doch abermals schlägt Cupido zu und auch Marc Anton verfällt der schönen Königin vom Nil. Den sich nun entfesselnden Aufstand gegen Rom überleben die beiden Liebenden nicht.

Der Hays-Code war noch nicht in seiner ganzen Ausprägung durchgestartet und die PCA erst seit wenigen Monaten spruchreif, da schickten die Paramount und ihr Kraftakteur Cecil B. DeMille ihre prestigträchtige „Cleopatra“ auf globalen Siegeszug (Deutschland sollte erst 19 Jahre später in den Genuss der hiesigen Premiere kommen). Hier vereinigen sich natürlich camp und pulp, dass es eine Lust ist; DeMille kocht ein delikates Monumentalsüppchen, in dem die exorbitante Verschwendungssucht des Filmemachers, ausstatterischer Pomp, historische Ungenauigkeiten und Mutmaßungen sowie scheinbar federleicht vulgarisierte Arrangements shakespearescher Verse eine rundum dekadente Konsoldierung eingehen, die man innerhalb der noch jungen Tonfilmära als Blaupause für den Antik- und Bibelfilm aus Hollywood der drei kommenden Jahrzehnte wähnen oder werten darf. Mit Joseph L. Mankiewicz‘ irrsinniger 62er-Version desselben Stoffs, der sich teilweise auch als Remake bezeichnen ließe, erreichte just diese Filmgattung dann ja wiederum ihre obszöne Klimax, was die Figur der legendären Königin Cleopatra VII gleichfalls gewissermaßen zu einer goldenen Klammer, zu einem spektakulären Dreh- und Angelpunkt jener maßlosen Ausprägung hollywoodscher Megalomanie macht.
Gegenüber Mankiewicz ist DeMilles „Cleopatra“ noch geradezu brav, domestiziert und charmant, man vergleiche nur die jeweilige Darstellung des pompösen Einzugs der ägyptischen Königin in Rom, der in der 34er-Version schon ziemlich toll daherkommt, den ohnehin bereits überlauenen Zuschauer 28 Jahre später jedoch geradewegs in ein fiebrig dräuendes Wachkoma versetzen sollte. Größtes Plus in DeMilles Film ist wahrscheinlich die tolle Claudette Colbert in der Titelrolle, die man ja sonst eher mit der screwball comedy assoziiert und die sich hier einige charmante Kabinettstückchen genehmigt, wie etwa eine Szene, in der sie nach übermäßigem Weingenuss einen Schluckauf bekommt und damit hadert, weil sich das für eine Königin nicht zieme.
Colbert gegenüber verblassen die (möglicherweise bewuust etwas langmütig besetzten) männlichen Co-Stars William und Wilcoxon beinahe bis hin zur Unbedeutsamkeit, wo dann später Harrison und Burton immerhin ein schönes Gegengewicht zur Taylor aufzubieten wussten.
In den Schlachtenszenen, die der Rebellion Marc Antons gegen Rom folgen, versagt der Film dann auch mal wohltuend; man bemerkt rundheraus, dass die Kinetik und Aktion, derer derlei Szenen im Kino bedürfen, um ihre Wirkung zu entfalten, im Kino jener Tage noch lange keine Selbstverständlichkeit waren. In einer kurzen, fünfminütigen Abfolge werden Kampfszenen auf dem Land und zur See unübersichtlich, unordentlich und beinahe desinteressiert aneinandermontiert und erweisen sich als eher der bloßen Notwendigkeit geschuldete, gelangweilt arrangierte, visuelle Stellvertreter der entsprechenden Begebenheiten. Diese Nachlässigkeit beschädigt das einmal gewonnene Gesamtbild des Films allerdings kaum, zumal die direkt darauffolgende Flamboyanz der beiden Selbstmordszenen von Marc Anton und Cleopatra sie beinahe durchweg wieder wettmachen.

8/10

DEATH NOTE

„You humans are so interesting!“

Death Note ~ USA 2017
Directed By: Adam Wingard

Der just wegen eines Gewaltverbrechens zur Halbwaise gewordene Light Turner (Nat Wolff) gerät buchstäblich aus heiterem Himmel an ein betagt aussehendes Notizbuch, das „Death Note“. Damit einhergehend erscheint ihm der spöttische Dämon Ryuk (Willem Dafoe), der ihm – natürlich sehr eigenwillige – Tipps und Hinweise zum Umgang mit dem Büchlein gibt. Jenes hat nämlich die besondere Bewandnis, dass jeder, dessen Name der gegenwärtige Besitzer des „Death Note“ schriftlich in ihm verewigt, alsbald eines urplötzlichen Todes stirbt. Light Turner macht sich selbst zu einem irdischen Superrichter, der überall auf der Welt Menschen sterben lässt, die es seiner Meinung nach verdient haben. Doch ist ihm schon ein hellseherischer Detektiv namens L (Lakeith Stanfield) auf den Fersen, der Light bald zum Umdenken bewegt…

Ich mag Adam Wingard als Regisseur (trotz nicht hinfortzuleugnender, geringfügiger Ausfälle letzthin noch immer) sehr gern und halte daher bis aufs Weitere an seinem unermüdlichen output fest. „Death Note“, das muss ich absolut und nichtsdestotrotz einräumen, darf man jedoch getrost als gescheitert einordnen, als bisher schwächsten Film mit seiner Beteiligung, den ich überhaupt kenne gar. Ich wusste zuvor überhaupt nichts über diese Netflix-Produktion, weder, dass Warner die zuvor bei ihnen liegenden Filmrechte (offenbar wohlweislich) veräußert hatte, noch, dass das Ganze auf einer Manga-Serie gleichen Namens beruht, die wiederum bereits eine ganze japanische Filmreihe mit bis dato vier Vertretern hervorgebracht hatte. Nach meinen entsprechenden Erfahrungen hätte ich angesichts dieser Informationen vielleicht bereits rechtzeitig abgewunken. Vielleicht aber auch nicht; und da kommt dann wieder Adam Wingard ins Spiel, dem hier allerdings sein ansonsten obligatorischer, kongenialer Part Simon Barrett ganz immens abgeht. Wingard ist dann auch einer der wenigen Kreativbeteiligten, dem man Können und sichere Hand im Umgang mit dem Fach bescheinigen möchte. Formal nämlich gibt es an „Death Note“ überhaupt nichts auszusetzen, ganz im Gegenteil: Von der Entdeckung des Buches über die Einführung des Ryuk bis hin zum Riesenrad-Finale entwickelt Wingard eine ganze Anzahl hübscher visueller Einfälle, präsentiert hier und da treffende Song-Einspieler und zeigt erneut, dass er sich aufs Horrorgenre versteht wie momentan nur wenige andere seiner Filmemachergeneration. Gegen die sich zu völlig idiotischer Redundanz entwickelnde Story, sprich: das hoffnungslos verfahrene Script, das geradezu aufreizend darum buhlt, sich jedewedem aufrechten Zuschauerinteresse entgegenzustellen, kann jedoch auch Wingard nichts ausrichten. Das Ganze wirkte auf mich bereits recht früh, schätzungsweise so ab Minute 20, wie eine nippongetunte „Donnie Darko“-Variation, wie überdrehtes, ziellos dahinwaberndes Mysterientheater für aufmerksamkeitsdefizitäre Tokyoter Schuluniformträger. Einer der globalkulturellen Auswüchse also, zu der ich niemals Anschluss finden werde, sooft ich’s auch probiere. Bis auf die immerhin bis zum Ende hin wach gebliebenen Augen und die überraschten Reaktionen auf die drei, vier schönen musikalischen Zitate (v.a. INXS‘ „Don’t Change“ im Zuge der natürlich unverzichtbaren High-School-Ballsequenz und das schön schmalzige „The Power Of Love“-Cover von Air Supply zum Abschluss) hat mich „Death Note“ so kalt und unbeteiligt zurückgelassen wie schon lange kein Film mehr. Schade um das derart rückhaltlos verschwendete Talent Wingards.

4/10

PAPILLON

„We all have sensitive spots.“

Papillon ~ USA/F 1973
Directed By: Franklin J. Schaffner

Der Franzose Henri Charrière (Steve McQueen), wegen seiner Brusttätowierung von allen „Papillon“ gerufen, wird im Jahre 1933 wegen des Mordes an einem Zuhälter, dessen er sich jedoch unschuldig behauptet, zu einer lebenslangen Haftstrafe in Französisch-Guayana verurteilt. Papillon sichert sich die Sympathie des wohlhabenden Devisenfälschers Louis Dega (Dustin Hoffman), den er auf dem sie übersetzenden Schiff kennenlernt. Aus der anfänglichen Zweckgemeinschaft erwächst im Laufe der Zeit aufrichtige Freundschaft, die Papillon und Dega durch mehrere gemeinsame Fluchtversuche, grausame Episoden der Einzelhaft und schließlich zu einer
„staatlich verordneten“ Einbahnexistenz auf der Teufelsinsel, von der eine Flucht als aussichtslos gilt, führt.

Unabhängig davon, dass der Fakten- und Wahrheitsgehalt von Henri Charrières von ihm selbst als größenteils authentisch veräußerter Roman „Papillon“ immer wieder neuen historischen Revisionen unterzogen und sein Wahrheitsgehalt in etlichen Facetten angezweifelt wurde, ist Schaffners Film ein Fanal und Triumph seiner Zunft.
Dies ist weniger bei der Charakterisierung der Hauptfigur zu verorten. Der Gefängnisfilm, zumindest viele der zu Klassikern avancierten Hauptwerke, in denen dem Protagonisten schließlich die Flucht gelingt, operiert zumeist mit sehr einvernehmlich gewählten Motivkreisen: Der zur Strafe führende Urteilsspruch erweist sich bereits als falsch bzw. unverhältnismäßig, das Vollzugssystem spottet jedweder Humanität, der Held kennzeichnet sich durch eine weit überdurchschnittliche Intelligenz gekoppelt mit einem selbst durch noch so harte Konsequenzen nicht zu begradigendem Freiheitsdrang. Daraus erwächst dann entweder eine Kette diverser Fluchtversuche oder ein von langer Hand geplanter, dann in der Regel von Erfolg gekrönter Ausbruch. Gefängnisfilme sind somit zugleich wunderbare Suspense-Lieferanten; der Hauptcharakter lädt infolge seiner durch bald übermenschliche Willenskraft zu willkommener Identifikation ein und die Fluchtszenarien lassen den Rezipienten umso leidenschaftlicher mitfiebern.
Steve McQueen, der genau zehn Jahre zuvor in John Sturges‘ Kriegsgefangenenfilm „The Great Escape“ eine beinahe analoge Rolle als „Coller King“ Hilts spielte, brachte demnach bereits dem Sujet angemessene Vorerfahrungen mit. Dass er als Schauspieler mittlerweile ungeheuer gewachsen war, konnte er in „Papillon“ allerdings nicht minder demonstrieren – die Szenen, in denen er die zweimalige Einzelhaft sowohl psychisch als auch physisch nur mit alleräußerster Disziplin überlebt, zählen zum Nervenzerrendsten, was der üblicherweise ja als eher untangierter Stoiker kultivierte McQueen je gespielt hat. Hinzu kommt in diesem speziellen Falle noch der Genreaspekt des klassischen Abenteuerfilms; die mittelamerikanische Kulisse rund um tropische Unwägbarkeiten Mangrovensümpfe, Leprakolonisten und Eingeborenenstämme verleiht „Papillon“ ein höchst eigenwilliges Flair, das ihn dann doch von sämtlichen anderen Repräsentanten seiner Zunft abhebt. Auch der emotionale impact zeigt sich gleich von Abfang an als ungeheuer wirkungsvoll aufbereitet – wie der Film eine empathische Allianz zwischen Papillon und dem Zuschauer schmiedet, das ist schlichtweg meisterhaft. Wie sehr einem etwa jedesmal, da man Schaffners Kronjuwel aufs Neue bewundert das Herz blutet, wenn Papillon nach einer ungeheurlichen Odyssee bereits frei scheint und dann doch von dieser widerlichen Äbtissin (Barbara Morrison) verraten wird, illustriert jenes einmal geflochtene Band geradezu exemplarisch.
Außerdem hat man selten die Chance, den ewigen villain John Quade einmal in einer sympathischen Rolle zu beobachten.
Absolute premier league!

10/10

ICE COLD IN ALEX

„Dames and mines. Lovely party.“

Ice Cold In Alex (Eiskalt in Alexandrien – Feuersturm über Afrika) ~ UK 1958
Directed By: J. Lee Thompson

Ägypten, 1940. Kurz vor dem Fall von Tobruk wird der versoffene RASC-Commander Captain Anson (John Mills) gemeinsam mit MSM Tom Pugh und den beiden Krankenschwestern Diana (Sylvia Sims) und Denise (Diane Clare) nach Alexandrien geschickt, um dort weitere Befehle abzuwarten. Die Reise durch die vom Krieg aufgeriebene Wüste in einem abgetakelten Kleinlaster erweist sich als zermürbend; ein unterwegs aufgenommener, südafrikanischer Soldat namens van der Poel (Anthony Quayle) kann zumindest immer wieder verhindern, dass es zu heftigeren Scharmützeln mit der Wehrmacht kommt. Bald jedoch wird der Verdacht immer lauter: Ist van der Poel womöglich ein deutscher Spion?

Bereits ein Jahr vor dem in Indien angesiedelteln „North West Frontier“ fertigte J. Lee Thompson diesen dem bunten, aufwändigen Abenteuer sozusagen als Ideengeber dienenden Kriegsfilm. Etwas bescheidener in der Ausführung erzählt „Ice Cold In Alex“, dessen zunächst merkwürdig anmutender Titel sich auf nichts Geringeres bezieht als eine Flasche Bier, eine in Grundzügen sehr ähnliche Geschichte: Die lebensgefährliche Fluchtfahrt auf einen maroden Vehikel durch eine von Feinden und anderen Gefahren geprägte Ödnis. Dabei werden ganz unterschiedliche Figuren zur Zusammenarbeit gezwungen; Held und Heldin werfen ein Auge aufeinander und es gibt einen gegnerischen Agenten, der sich in „North West Frontier“ jedoch anders entwickeln wird.
Beide Filme weisen hervorragende Qualitäten in jeder Beziehung auf und sind Musterbeispiele für hingebungsvolles, kompetentes Filmemachen, wie es Profis wie Thompson früher eben noch wie selbstverständlich zu eigen war. Freilich dient der historische Hintergrund des Nordafrika-Feldzugs hier abermals als nicht mehr denn als Stichwortlieferant für einen feisten Abenteuerfilm; dieser wird dafür jedoch so jovial und kernig erzählt, dass es einfach Freude macht. Es gilt immer wieder abwechselnd, der lebensfeindlichen Natur oder den Deutschen ein Schnippchen zu schlagen; man gerät in eine bleihaltige Verfolgungsjagd oder in tödliches Sumpfgelände. Auch das gute, alte Minenfeld darf nicht fehlen. Den famosen Spannungshöhepunkt bildet die buchstäblich schweißtreibende Aufgabe, den Kleinlaster einen riesigen Sandhügel emporzuschieben, dem das Getriebe des alten Schätzchens nicht gewachsen ist. Man leidet und fiebert regelrecht mit den Gebeutelten. Allein hierin verdeutlicht sich Thompsons Meisterschaft bei der Inszenierung von Spannungssequenzen bis vor den Bildschirm. Ganzt wunderbar gefallen hat mir auch das britische Ensemble: John Mills als schmächtig scheinender, aber drahtiger Gintrinker, der knautschgesichtige Harry Andrews, der bärige Anthony Quayle (den ich bislang eigentlich, warum weiß ich selbst nicht, immer für ziemlich mickrig gehalten habe( und die besonders in der Gegenwart dieses gegerbten Trios anmutige Sylvia Sims sind vortrefflich.

9/10

WE NEED TO TALK ABOUT KEVIN

„I am the context.“

We Need To Talk About Kevin ~ Großbritannien/USA 2011
Directed By: Lynne Ramsay

Der Teenager und Schüler Kevin Khatchadourian (Ezra Miller) landet im Gefängnis, nachdem er seinen Vater Franklin (John C. Reilly), seine jüngere Schwester Celia (Ashley Gerasimovich) und, im Zuge einer sorgfältig vorausgeplanten Aktion, diverse Mitschüler ermordet hat. Kevins Mutter Eva (Tilda Swinton), die von den meisten ihrer Mitbürger wie eine Aussätzige behandelt, bespuckt und tyrannisiert wird, nachdem sie mithilfe eines Anwalts ein offenbar günstiges Gerichtsurteil für Kevin erstritten hat, lässt die gesamte Biographie ihres Sohnes Revue passieren.

Die britische Autorin Lionel Shriver schreibt vornehmlich Romane zu ebenso bewegenden wie unangenehmen Themen, denen sie häufig mit einer Mischung aus schwarzem Humor und einer analog dazu eher finsteren sozialen Prognostizierung begegnet. Ihr 2005 erschienener Roman „We Need To Talk About Kevin“ wurde wie im Hinblick auf ihren kreativen Ausstoß üblich recht kontrovers aufgenommen und besprochen. Das Interesse an einer Filmadaption entbrannte quasi mit dem Veröffentlichungstag, wobei das folgende, unübersichtliche Hinundher die Produktion stark verzögerte.
„We Need To Talk About Kevin“ macht es weder sich noch seinen Protagonisten leicht; weniger als die psychologische Anamnese eines jugendlichen Massenmörders handelt es sich um die Charakterisierung seiner Mutter, einer Frau, die die Diskrepanz zwischen gesellschaftlichen und persönlichen Lebenserwartungen bereits mit der Geburt ihres Sohnes auf das Bitterste zu spüren bekommt. Es ist gut, dass sich die Geschichte nicht um den analytischen Blickwinkel oder gar um Antworten schert; sie observiert lediglich, wenngleich aus sehr zuspitzter Perspektive. Eva, eine weltoffene, libertine Frau, kann keine mütterliche Liebe für ihr Kind aufbringen, vielmehr symbolisiert es für sie den Beginn einer immensen Verantwortlichkeit, die sie in Ketten zu legen droht. Plötzlich ist da Familie, da sind Verbindlichkeiten, Dinge, die so gar nicht zu dem passen wollen, was sie unter „Freiheit“ versteht. Dass Kevin sich nebenbei schon früh zu einem wahren Wechselbalg entwickelt, das tatsächlich so etwas wie einen Hang zum Bösen kultiviert, könnte eine zusätzliche Verschärfung der Situation sein oder eine emotionale Reaktion des sensiblen Kindes auf die heimliche Ablehnung der Mutter. Auch hier verzichtet der Film stolz erhobenen Hauptes auf Paraphrasierung und Formelhaftigkeit, die sich doch so sehr anböten. Wo Kevin bei seiner Mutter vornehmlich Kälte erfährt, lässt er sie seinen ewig leuchtenden Protest spüren: er ist ein Schreibaby, weigert sich später vorsätzlich, trocken zu werden, macht Dinge kaputt, die seine Mutter liebt und wickelt den naiven Vater um den kleinen Finger. Später kommt es zu offenen Aggressionen und Verletzungen; als Kevins Schwesterchen Celia, nebenbei ein bezauberndes, kleines Mädchen und von allen (außer Kevin) geherztes „Wunschkind“, ein Auge verliert, weiß Eva instinktiv, dass es sich dabei nicht, wie allgemein angenommen, um einen Unfall gehandelt haben kann. Noch mehr als die Unfähigkeit, zärtliche Nähe zu Kevin aufzubauen, zermürben Eva jedoch die eben damit einhergehenden Schuldgefühle. Umso tapferer erträgt sie die sich nach Kevins furchtbarem Mordzug einstellenden Konsequenzen, die sie wie eine natürliche Strafe für alle früheren Versäumnisse annimmt – so es sich denn überhaupt um solche handelt. Am Ende haben diese beiden, sich seit jeher hassenden Menschen nurmehr einander: der Junge, der viele Menschen umgebracht hat und seine Mutter, die sich die Schuld dafür gibt. Zum ersten Mal glimmt so etwas wie Verständnis zwischen ihnen auf. Der Weg dorthin ist gepflastert mit Blut.

8/10

FAT MAN AND LITTLE BOY

„It’s all about ass, isn’t it? Either you kick it… or you lick it.“

Fat Man And Little Boy (Die Schattenmacher) ~ USA 1989
Directed By: Roland Joffé

Ein knappes Jahr nach dem Angriff auf Pearl Harbor macht man sich in den USA zunehmend Sorgen um die einstmals als unantastbar gewähnte, nationale Sicherheit. Im Zuge des „Manhattan-Projekts“ soll daher in der Wüste von Los Alamos möglichst rasch die Atombombe entwickelt und konstruiert werden, um den in dieser Sache möglicherweise ebenfalls umtriebigen Achsenmächten zuvorzukommen. Unter der militärischen Ägide von General Leslie Groves (Paul Newman) arbeitet neben dem Physiker und Projektleiter Robert Oppenheimer (Dwight Schultz) noch eine ganze Anzahl weiterer renommierter Wissenschaftler in der öden Abgeschiedenheit an der Massenvernichtungswaffe. Das harte Reglement im Camp erlaubt den Männern faktisch kein unbeobachtetes Privatleben mehr; eine von Oppenheimer über Jahre gepflegte Affäre mit der Kommunistin Jean Tatlock (Natasha Richardson) endet tragisch. Schließlich können erste experimentelle Erfolge verzeichnet werden, die Oppenheimers Mitarbeiter Merriman (John Cusack) das Leben kosten. Obwohl Deutschland im Mai 1945 endgültig kapituliert, wird unter einigem Protest der Wissenschaftler die kurz bevorstehende, erste Erprobung der Bombe, der „Trinity-Test“, weiter forciert…

Gottgleiche Vernichtungsmacht und Schreckgespenst des Kalten Krieges: die Atombombe. Dass aus Krieg per se nichts Gutes erwachsen kann, ist eine stiefmütterliche Binsenweisheit, doch beflügelt der schlimmste aller Konflikte leider oftmals noch die allerärgste Perfidie. Mit den Abwürfen der als „Fat Man“ und „Little Boy“ titulierten Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945, drei Wochen nach der Testzündung der ersten Kernwaffe bei Alamogordo, hat die Menschheit ihre bis dato wohl furchtbarste Nemesis selbst entfesselt. Abgesehen von dem einzig nennenswerten Effekt, durch die erfolgte Massenvernichtung den Zweiten Weltkrieg auch im Pazifik beendet zu haben, spottet die Kreierung dieser und ähnlicher perverser Gerätschaften jedweder Menschlichkeit und tritt alle gesunde Vernunft mit Füßen.
Für seine Zusammenfassung der Geschichte um den Bau der Bombe wählte Joffé einen ebenso nüchternen wie konzentrierten, teils dokumentarisch anmutenden Erzählansatz. Da werden gebildete Männer zusammengetrieben, die in Abstraktion, Theorie und Wissenschaft zu Hause sind, denen eingeimpft wird, ihre patriotische Pflicht zu erfüllen und die es als einen gewissen Sport empfinden, ihren Geistegenossen von der gegnerischen Seite zuvorzukommen. Robert Oppenheimer steht diesem unheiligen Bund gewissermaßen als exemplarischer Charakter vor; mit der zunehmenden Zeit, die er sich dem Projekt widmet, mit den zunehmenden, vom Militär verordneten Geheimhaltungsmaßnahmen, verliert er sich mehr und mehr im Rausch des nahenden Erfolges. Wissenschaftlicher Fortschritt und gewinnorientierte Kriegsführung gehen eine höchst ungesunde Verbindung ein, an deren Ende das ultimative Mentekel wartet. Der Film endet mit dem Trinity-Test; der Einsatz der Bombe in Japan und ihre spätere Karriere als bislang nie wieder im Kriegsfalle eingesetztes Abschreckungsobjekt findet den üblichen Post-scriptum-Abriss. Den Effekt entfesselter Strahlung auf humane Opfer veranschaulicht „Fat Man And Little Boy“ derweil nur einmal im Zuge eines fehlgeleiteten Experiments zur Bestimmung der kritischen Masse von Plutonium: Der Physiker Michael Merriman, ein sympathischer, junger Idealist, bekommt eine hohe Strahlendosis ab und stirbt binnen wenigen Tagen einen qualvollen, gar monströsen Tod. Dessen Darstellung tut ihr Dringlichstes, mehr möchte man gar nicht sehen und doch soll in der Realität dasselbe noch hundertausendfach aufs Neue rekurrieren.
Möge uns Allen Vergleichbares auf ewig erspart bleiben.

8/10