EIÐURINN

Zitat entfällt.

Eiðurinn (Der Eid) ~ IS 2016
Directed By: Baltasar Kormákur

Der in einem Hospital von Reykjavík tätige Chirurg Finnur (Baltasar Kormákur) ist völlig vernarrt in seine ältere Tochter Anna (Hera Hilmar), die ihm jedoch seit einiger Zeit mehr und mehr entgleitet. Anna pflegt eine Beziehung zu dem Kleindealer Óttar (Gísli Örn Garðarsson), der nicht nur Beziehungen zur Unterwelt pflegt, sondern auch Anna offensichtlich immer wieder mit Rauschmitteln versorgt. Finnur versucht alles, um das Mädchen von Óttar loszueisen, unter anderem setzt er einen anonymen Anruf bei der Polizei ab, die im Zuge einer Wohnungsdurchsuchung sämtlichen Stoff bei Óttar beschlagnahmt. Als der selbst zusehends unter Druck geratende Kriminelle eine Entschädigung für den erlittenen Verlust verlangt und Finnurs Familie bedroht, entwickelt der sich mehr und mehr in seine Aggressionen steigernde Arzt einen Plan, um Óttar endgültig verschwinden zu lassen…

Einer ganz ähnlichen Handlungsprämisse folgend wie der sehenswerte dänische Rachethriller „Underverden“, lässt Baltasar Kormákur seinen von ihm selbst interpretierten Protagonisten keinen Feldzug gegen die gesamte Unterwelt unternehmen (wobei auch „Eiðurinn“ zunächst diese Richtung einzuschlagen scheint), sondern belässt es bei einem gezielt durchgeplanten, qua aus der Not geborenem „Vergeltungskonzentrat“. Finnur weigert sich, das ohnehin allzu sehr mäandernde Leben seiner heißgeliebten Anna vollends in den Ausguss fließen zu lassen und kriminalisiert sich stattdessen zunehmend selbst. Seine Aktionen gegen den verhassten, immer weiter in die Enge getriebenen Óttar (den Kormákur zwar nicht völlig eindimensional, aber doch keinesfalls als potenziellen Sympathieträger dastehen lässt) werden immer entschiedener, die Gewaltspirale entfesselt sich. Schließlich verkehren sich die Vorzeichen; Óttar gerät in die zu allem entschlossenen Fänge Finnurs, der seinen dereinst geleisteten Hippokratischen Eid, der sich bekanntermaßen der Versicherung widmet, Leben unter allen Umständen zu schützen und zu bewahren, schließlich maßlos pervertiert, indem er seinen Gefangenen zunächst systematisch an den Rand des Todes treibt, um hernach einen öffentlichen Rettungsversuch auf dem OP-Tisch zu inszenieren, der jedoch nur misslingen kann. Finnur erweist sich daraufhin als intelligent und standfest genug, den Nachstellungen und Verdächtigungen der ermittelnden Polizisten zu trotzen, kann jedoch nicht verhindern, dass Anna, die Óttar inbrünstig geliebt hat, die Wahrheit in Erfahrung bringt. Seine Tochter hat Finnur damit endgültig verloren; sein Berufsethos entehrt und sich somit als sehr viel veritabler Verbrecher denn sein Opfer erwiesen.
Baltasar Kormákur, dessen filmkreativer Aktionsradius zwischen Hollywood und Island oszilliert, ist mit „Eiðurinn“ ein ungemein fesselndes Selbstjustizdrama gelungen, das vor allem von der eiskalten Kulisse des Inselstaats profitiert. Die der Aggressionsabfuhr dienenden Fahrradtouren Finnurs durch die kargen Landschaften außerhalb Reykjavíks erinnerten mich an Dumonts „L`Humanité“; die Hauptfigur mit sich und ihren widerstreitenden Emotionen in gezielter, selbstgewählter Isolation. „Eiðurinn“ macht nicht viele Worte, verzichtt auf Geschwätzigkeit und lässt Bilder und Stimmungen für sich kommunizieren. Dass die ihm inhärente Spannung und die Ungewissheit, wie es für die Beteiligten ausgehen wird, das Publikum spielend bei der Stange halten, ist ganz Kormákurs Verdienst.

8/10

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