SUMMER OF 84

„Even serial killers live next door to somebody.“

Summer Of 84 ~ USA/CA 2018
Directed By: François Simard/Anouk Whissell/Yoann-Karl Whissell

Im Sommer 1984 entwickelt der im Städtchen Cape May, Oregon lebende, 15-jährige Davey (Graham Verchere) den dringenden Verdacht, dass sein Nachbar, der allein lebende Polizist Wayne Mackey (Rich Sommer), jener Serienkiller ist, der in der Gegend sein Unwesen treibt und auf dessen Konto vermutlich bereits mehrere vermisste Jungen in Daveys Alter gehen. Zusammen mit seinen drei Freunden Woody (Caleb Emery), Eats (Judah Lewis) und Curtis (Cory Gruter-Andrew), die Davey bald mit seinen detektivischen Umtrieben ansteckt, macht sich der Junge daran, Mackey zu entlarven. Doch dieser erweist sich als deutlich cleverer denn zunächst angenommen…

Your monthly retro piece. Bereits vor längerer Zeit losgetreten von Richard Kellys „Donnie Darko“ und später dann endgültig erodierend ausgelöst durch Filme wie J.J. Abrams‘ „Super 8“ und natürlich das Netflix-Serial „Stranger Things“ scheint die Nostalgie-Welle, die vor allem die romantisierten Kleinstadt-Sozietätsbilder der vielen Spielberg-Produktionen der achtziger Jahre, der von ihm gesteuerten Produktionsfirma Amblin und all derer vielen großen und kleinen Epigonen beschwört, noch nicht gesättigt. Das Regie-Trio Simard/Whissell/Whissell, dessen eingeschworene Allianz sich auch „Roadkill Superstar“ (RKSS) nennt und dessen Debüt „Turbo Kid“ ich beizeiten nachholen werde, hat sich offenbar ganz dieser Form des atmosphärischen Retro-Chic verschrieben – durchaus erfolgreich, wie der weitgehend gelungene „Summer Of 84“ vorsichtig bestimmen lässt. Auf (semi-)phantastische Elemente wie verlorene Schätze, Aliens, kleine Monster oder postapokalyptische Abenteuerszenarien wird diesmal gänzlich verzichtet zugunsten eines sich mit zunehmendem Filmverlauf ernster gestaltenden Serienkiller-Topos, der im letzten Fünftel ein im Verhältnis zur trügerischen Basis des Plots geradezu eklektisch ausformuliertes Ende einläutet. Darin schieben die AutorInnen sämtlichen eben noch sehr in der Vorbilderzeit verankerten Coming-of-Age-Klischees, die von Außenseiter-Freundschaft über Familienidyll bis hin zu erster Liebe und unterstützender, sommerlicher Lichtdurchflutung diverse Pflichtelemente akribisch abhaken, einen finster-realistischen Riegel vor. Erwachsenwerden bedeutet in „Summer Of 84“ zugleich die höchst destruktive Konfrontation mit Verlust, Angst und Tod, garantiert ohne erlösendes Element. Davey muss seine juvenile Neugier, die ihn und seine Freunde anfangs wie die übliche, abenteuerlustige Kinderclique der Ära blind macht für die tödliche Gefahr, in die sie sich begeben, teurer bezahlen als ihm lieb sein kann. Mit der Entlarvung des Mörders folgt zugleich die Erkenntnis der totalen Ohnmacht; gegen die viehische Brutalität des psychopathischen Lebenssammlers Mackey, der so ganz ohne identitätsverschleiernde Maskerade auftritt und sein Werk mitten im Herzen trauter Nachbarschaft praktiziert, kann Davey es nicht aufnehmen. Diese Erkenntnis kommt für ihn viel zu spät – nachdem er sich kurz im Glanze öffentlicher Heldenverklärung sonnen darf, heißt es Abschied nehmen, nicht nur von der Naivität der Kindheit, sondern auch vom besten Freund, dessen gewaltsamen Tod mittelbar auch Davey verschuldet, von den anderen Kumpels und ihren fragilen Elternhäusern, von der Angebeteten, die die Stadt verlässt und vor allem von der im Teenageralter noch unantastbaren Sicherheit der Unsterblichkeit.
Anders als zuletzt noch in ersten Teil des „It“-Neuverfilmung lässt sich das Ungeheuer in „Summer Of 84“ auch mit vereinten Kräften nicht in die Schranken weisen. Der Grund dafür ist so simpel wie einleuchtend: Hierin ist das Monster keine übernatürliche Wesenheit, sondern, viel schlimmer – ein Erwachsener.

7/10

AFTER DEATH

Zitat entfällt.

After Death (Das Böse ist wieder da – After Death) ~ I 1989
Directed By: Claudio Fragasso

Rund zwanzig Jahre, nachdem ein rachsüchtiger Voodoo-Priester (James Sampson) die Toten auf einer Karibik(?)-Insel zum Leben erweckt hat, um den Leukämie-Tod seiner Tochter zu ahnden, für den er eine Gruppe weißer Wissenschaftler verantwortlich macht, kehrt Jenny (Candice Daly), die einzig Überlebende von damals und ehedem noch ein kleines Mädchen (n.a.) auf das Eiland zurück. Auch die zufällig in ihrer Gesellschaft befindliche Gruppe von Vietnam-Veteranen, Söldnern und Glücksrittern können ihr nicht gegen die alsbald aufwallenden Zombie-Horden helfen, die ein ebenfalls die Insel bereisendes Trio durch das Verlesen einer Zauberformel zu unheiligem neuen Leben erweckt.

Claudio Fragasso, Freund, Kreativmündel und oftmaliger Kollaborateur des seligen Bruno Mattei, schaffte es sogar, die enthusiastische Albernheit, die sein Mentor oftmals walten ließ, mühelos in den Schatten zu stellen. Sein Selbstverständnis als Auteur und Künstler zeugt dabei bis heute von ungebrochenem Stolz und wird zudem stets flankiert von seiner tapferen Gattin, Gesinnungsgenossin und Hausautorin Rossella Drudi, die auch für „After Death“ frohgemut in die Schreibmaschinentasten langte.
Wie todesmutig nun „After Death“, der auch unter dem Titel „Oltre La Morte“ („Mehr als der Tod“) firmiert und der bei uns ferner gern als „Zombie IV“ vermarktet wurde, auf dem immerwährenden Grat zwischen inszenatorischem Anarchismus und hoffnungsloser Imbezilität herumhüpft, das kann aber ohnehin nur begreifen und nachvollziehen, wer den Mut aufbringt, diesen schier unglaublichen Film selbst einmal in Augenschein zu nehmen. Ringt man bereits bei dem Versuch, dem Plot so etwas wie Stringenz oder Kausalität abzutrutzen, erfolglos mit dem hehren Vokabular der Geistesräson, so offenbart sich in Anbetracht von Dramaturgie, Dialog (die deutsche Synchronfassung, die unter anderen immerhin mit Wolfgang Kühne und Michael Pan aufwartet, offenbart lieblichsten Schwachsinn) und, Himmel, hilf, rudimentärster Logik, erst der volle künstlerische Anarchismus Fragassos. Sämtliche der Untoten erinnern an Lepraopfer und sind in graue Lumpen gewandet, schlurfen bisweilen, können sich aber auch ebensogut grazil wie Ninjas bewegen, ballern und sogar dämlich dahersalbadern, dass es eine inkonsistente Lust ist. Die Besetzung schließlich, die diese einzigartig melangierte Versuchsanordnung aus Söldneraction und karibischem Zombiespuk, kongenial flankiert, reitet auch noch den letzten Rappen in den Stinkesumpf: Die Protagonistin Candice Daly, eine Kalifornierin, die mit nur 38 Jahren an polytoxischer Vergiftung verstarb, kann man nicht wirklich als Schauspielerin bezeichnen. Ihr Konterpart, der muskulöse Chuck Peyton, reüssierte ansonsten vorrangig unter dem Pseudonym Jeff Stryker in Schwulenpornos und verfügt über eine ähnlich mattierte Strahlkraft wie die Daly. Die eigentliche Schau bietet der tolle Nick Nicholson, eine Art Hippie mit Struppelbart, der ein wenig aussieht wie der kariöse Zwillingsbruder von Al Cliver. Wahres method acting, bleibt da nur festzuhalten. Kleine, stets mit viel Wiedersehensfreude empfangene Lieblinge wie Massimo Vanni, Ottaviano Dell’Acqua, Romano Puppo, Don „The Dragon“ Wilson und natürlich Jim Gaines vervollständigen die illustre Schar darbender Geschäftsaufstrebender, die die allseits und allzeit dräuende Entscheidungsfrage „Bullshit or not?“ für sich längst voller Selbstbewusstsein entschieden haben.
Träumschen.

5/10