THE EMPTY MAN

„Already you’re startin‘ to lose me.“

The Empty Man ~ USA/UK/SA 2020
Directed By: David Prior

Der Ex-Polizist James Lasombra (James Badge Dale) muss sich mit einer traumatischen jüngeren Vergangenheit herumschlagen. Als seine Bekannte Nora (Marin Ireland) ihn verzweifelt darüber informiert, dass ihre Tochter Amanda (Sasha Frolova) unter merkwürdigen Umständen verschwunden ist, betätigt Lasombra sich als Detektiv in eigener Sache. Er stößt auf einen sonderbaren Legendenkult, der etwas mit dem „Empty Man“, offenbar eine Art mysteriöser, dämonischer Entität, zu tun hat sowie eine sektenähnlichen Gemeinschaft namens „Pontifex Institute“, die auf übersinnlichem Wege mit ebenjenem Wesen in Verbindung steht. Gleich mehrere Jugendliche aus Amandas Umfeld werden tot aufgefunden, einige davon von Lasombra selbst. Seine weiteren Ermittlungen führen ihn schließlich zu einem höchst unerwarteten Ziel.

Über „The Empty Man“ zu stolpern, erfordert schon eine gewisse Koinzidenz. Der eigentlich bereits vor vier Jahren gedrehte und für ein verspätetes, halsbrecherisches Release im Oktober 2020 avisierte Film hatte nämlich denkbar viel Pech, von seinem Regisseur ganz zu schweigen: es handelte sich bei „The Empty Man“ um eine der letzten Produktionen, die bei 20th Century Fox vor der Übernahme durch den Disney-Konzern entstanden und deren klägliches Veröffentlichungsschicksal auf unglücklich verlaufene test screenings, rein monetär orientierte Gewinnabwägungen und natürlich die ganz allgemein rekurrierenden Auswirkungen der Pandemie zurückzuführen sind. Für David Prior, ein Protegée von David Fincher und über Jahre hinweg vor allem als emsiger Making-Of-Dokumentarist für Heimkino-Releases umtriebig, sollte „The Empty Man“ das erste große Eigenprojekt darstellen. Der jenem zugrunde liegende Stoff kapriziert sich dabei auf eine in drei Etappen veröffentliche Mystery-/Horror-Comicreihe des renommierten Autors Cullen Bunn, wobei der Film keine direkte Adaption bildet, sondern einzelne Motive aus Bunns dystopischen Universum aufgreift und weiterverarbeitet.
Dabei heraus kam ein ungewöhnlich aufgezogener, verschachtelter Film, dessen Narrativ auf eine ganze Menge an Vorbildern zurückgreift und daraus am Ende doch etwas unerwartet Genuines destilliert. Auf knappe 140 Erzählminuten legt Prior sein Werk an, darunter eine rund 25-minütige, 23 Jahre in der filmischen Vergangenheit angesiedelte Exposition, die in Bhutan spielt und in der gewissermaßen der Einzug des Empty Man in die postmoderne Realität geschildert wird. Der nachfolgende Sprung macht uns dann umgehend mit dem Protagonisten vertraut, an dessen Seite wir den Rest der zermürbenden Geschichte bezeugen werden. Prior erweist sich dabei als ein in Sachen Genrehistorie beschlagener Aficionado, dessen Einflüsse notorische Lovecraft-Mythen über Urban-Legend- und jüngeren Sektenkulthorror sowie neo noir bis hin zu Alan Parkers „Angel Heart“ umspannen und den rätselnden Rezipienten ebenso häufig ins Leere laufen lassen wie sie ihn mittels kluger Kompaktheit überraschen. Die verfrühte und in der desinteressierten Werbung suggestierte Annahme, hier abermals mit einem weiteren, dullen „Kausaldämon“ konfrontiert zu werden, der durch die Neugier ein paar gelangweilter Stadtteenies heraufbeschworen wird, könnte dabei falscher kaum sein und führt trotz entsprechender Ansätze glücklicherweise bald ins Leere. Die entsprechende Ebene verfolgt „The Empty Man“ als eine von vielen anfangs zwar durchaus, lässt sie dann aber bald fallen, wie sich am Ende die gesamte erzählte realis als großes, in weiten Teilen rein illusorisches Mosaik offenbaren wird. Es gilt vielmehr, die kleinen Zeichen zu beachten, derer sich Prior geschickt befleißigt – die graphischen Darstellungen an den Wänden etwa, die leere Flasche als zweckentfremdetes Gefäß, die Brücke als permanentes Symbol der Wahrnehmungserweiterung und der damit verknüpfte Begriff des „Pontifex“ (etymologisch „Brückenbauer“), der Nachname des Protagonisten, der auf spanisch „der Schatten“ bedeutet, die anfangs als Investigativziel aufploppende, nach Derrida, dem Begründer der Dekonstruktion, benannte Highschool von Amanda und ihren Freunden. Analog dazu gerät „The Empty Man“ mehr und mehr zu einer hermeneutischen (Selbst-)Reflexion. Prior unternimmt seine Reise also auf sehr viel komplexeren Pfaden als es zunächst den Anschein hat, weshalb ich auch nicht glaube, seinem Film nach einmaliger Betrachtung vollumfänglich gerecht werden zu können. Es lohnt sich insofern, ihm auf seine Brücke ins Irgendwo zu folgen.

7/10

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