COPYCAT

„I’m not on duty. Neither is my brain.“

Copycat (Copykill) ~ USA 1995
Directed By: Jon Amiel

Nachdem die Psychologin und Serienkiller-Spezialistin Helen Hudson (Sigourney Weaver) kurz nach einer Vorlesung trotz Polizeischutzes von dem wirren Daryll Lee Cullum (Harry Connick Jr.) attackiert und beinahe getötet wird, verschanzt sie sich in ihrer Wohnung. Fortan leidet sie unter Agoraphobie und heftigen Panikattacken, die sie mit Alkohol, Medikamenten und der Unterstützung ihres treuen Faktotums Andy (John Rothman) in Schach zu halten versucht. Ein gutes Jahr nach ihrem Erlebnis – Cullum sitzt mittlerweile in der Todeszelle – macht ein neuer Serienmörder namens Peter Foley (William McNamara) San Francisco unsicher. Trotz ihrer Handicaps fühlt Helen sich in der Verantwortung, sich bei der Polizei zu melden, um ihre Profiling-Expertise abzugeben, was das Ermittlerduo MJ Monahan (Holly Hunter) und Ruben Goetz (Dermot Mulroney) veranlasst, Helen wider Willen auch zur weiteren Zusammenarbeit zu nötigen. Bald findet man gemeinsam heraus, dass der Nachwuchskiller sich als emsiger Epigone populärer Vorbilder von Albert de Salvo bis hin zu Jeffrey Dahmer befleißigt und es längst auch auf Helen abgesehen hat…

Experimenteller Revisionismus bei der Filmbetrachtung ist zuweilen, eigentlich sogar meistens, eine lohnenswerte Angelegenheit, denn mit der Rezeption von Kunst im Allgemeinen und Film im Besonderen ist es ja wie mit dem sprichwörtlichen Fluss: so wie man nie zweimal in denselben springt, sieht auch dieselbe Persönlichkeit nie zweimal dasselbe Artefakt. Allzu viele Einflüsse verhindern diese Option, das eigene Älterwerden und Altern; die zahllosen äußeren und inneren Umstände der Wahrnehmung. Oftmals gewährt einem die Erfahrung neue, andere, tiefere Einblicke und Verständnisebenen, was gleichsam eine differenziertere Auseinandersetzung ermöglicht. Ebenso kommt es jedoch vor, dass vermeintlich obsolete Urteile sich nochmals manifestieren. Jon Amiels „Copycat“, nach 25 Jahren nun zum zweiten Mal geschaut, ist und bleibt ein hoffnungslos unterprivilegiertes, um nicht zu sagen: zutiefst unsympathisches Unterfangen. Das Script kokettiert mit seiner sich offenbar „brillant“ wähnenden Prämisse, den Killer als emsigen Studenten und Fan prominenter Vorgänger zu Werke gehen zu lassen. Amerika liebt ja seit eh und je seine Serienmörder und damit einhergehend deren kulturellen Impact, was sich nicht allein anhand breit gefächerter literarischer Abhandlungen, sondern vor allem diverser, häufig biographisch angelegter Kino- und TV-Filmproduktionen sowie mehr oder weniger reißerischer Dokumentarformate ablesen lässt. So dürfte das Wissen um Menschen wie David Berkowitz, Ted Bundy, Henry Lee Lucas oder John Wayne Gacy und auch deren Modi Operandi insbesondere beim potenziellen Zielpublikum von Filmen wie „Copycat“ zur Weltbildung gehören. Wohl als zusätzliches Insider-Bonmot pflegte man noch den Namen des deutschen Peter Kürten ein. Soweit die inhaltliche Konstruktion, vor der eine ganze Riege von Protagonisten bar jeder Inspiration agiert. Jede einzelne Figur wirkt wie ein gewaltiger Klischeefokus, allen voran die ebenso geniale wie psychisch gebeutelte Helen Hudson, die unentwegt mit einem halbgefüllten Cognac-Schwenker durch ihre schnieke Wohnung tigert. Holly Hunter als selbstbewusste Polizistin MJ Monahan muss sich indes permanent gegen ein sie schon von Berufswegen unterschätzende und geringschätzende Patriarchat zur Wehr setzen, wobei ihr Partner, der von Dermot Mulroney gespielte, smarte ladies‘ man Ruben Goetz sie durchaus auch erotisch attrahiert (wie übrigens auch die sexuell darbende Helen) , schließlich aber durch ihre Teilschuld das Zeitliche zu segnen hat. Komplett aus ist der Ofen jedoch in Anbetracht der Charakterisierungen der beiden Serienmörder – der eine ein hässlicher, perverser und gar nicht mal allzu bildungsentlehnter Hillbilly mit Gottkomplex, der andere ein hübscher, jedoch von tiefer pathologischer Misogynie gebeutelter Computernerd, der bereits das Machtpotenzial des Internet ausreizt, bevor die meisten überhaupt wussten, was das ist. Thomas Harris‘ Hannibal-Romane (oder deren Adaptionen?) ferner wurden offenbar nicht nur einmal durchgeackert; so findet sich der einsitzende Cullum, der nicht nur mit Foley brieflich korrespondiert, wie weiland Dr. Lecter zum großen Killerpaten stilisiert, der immer weiter fleißig danach trachtet, seine reziproke Nemesis Helen Hudson noch vor sich selbst tot zu sehen.
Viel gestohlen, viel plagiiert ergo, „Copycat“ eben. Das Ganze auch noch ohne jedweden Witz oder Esprit, ohne jemals einen Hauch echter Originalität zu entwickeln; ein gleichsam geradezu aggressiv spannungsloser Beitrag zu seinem Subgenre, der zumindest mich auch beim Wiedersehen weitaus mehr verägert hat als zufriedenzustellen.

3/10

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