REACH ME

„I’m Roger and I don’t smoke!“

Reach Me ~ USA 2014
Directed By: John Herzfeld

Der öffentlichkeitsscheue Teddy Raymond (Tom Berenger) hat ein Selbstmotiviationsbuch unter dem Titel „Reach Me“ verfasst, das sich zum schleichenden Bestseller entwickelt und das Leben mehrerer Menschen in und um L.A. entscheidend beeinflusst: Die just aus dem Gefängnis entlassene Ex-Brandstifterin Colette (Kyra Sedgwick) ist auf Bewährung und darf sich „draußen“ nichts zu Schulden kommen lassen. Ihre Nichte Eve (Elizabeth Henstridge) ist Nachwuchsdarstellerin und just während eines Drehs von dem notgeilen TV-Darsteller Kersey (Cary Elwes) befingert worden. Wolfie (Thomas Jane), ein eisenharter Cop, lässt lieber seine Waffe sprechen als jedwedes Verhandlungstalent und nutzt den versoffenen Pater Paul (Danny Aiello), um sich nach jedem weiteren Abschuss göttliche Absolution zu verschaffen. Der Journalist Roger (Kevin Connolly) soll im Auftrag seines unnachgiebigen Chefs Gerald (Sylvester Stallone) den anonym lebenden Teddy Raymond in Redondo Beach ausfindig machen und interviewen. Dabei lernt er zunächst Raymonds bezaubernde Tochter Kate (Lauren Cohan) kennen. Die zwei schlagkräftigen Erfüllungsgehilfen Dominic (Omari Hardwick) und Thumper (David O’Hara) erhalten den Auftrag, den abgehalfterten Tommy (Christoph M. Ohrt) an seine Schulden bei dem Gangster Frank (Tom Sizemore) zu erinnern.

18 Jahre nach seinem Meisterwerk „2 Days In The Valley“, für mich einer der schönsten Filme der neunziger Jahre, versucht Autorregisseur John Herzfeld eine Art „Nachfolger“. Die Rezeptur ist grundsätzlich eine auffallend analoge: Im Rahmen eines Ensemblefilms werden höchst unterschiedliche Charaktere in die Bahn geworfen, begegnen sich am Ende im Zuge eines umspannenden Finales und gehen am Ende lebensgestärkt und in neuen Beziehungskonstellationen daraus hervor. Diesmal steht Tom Berenger als semi-anonymer Autor im Hintergrund, dessen Lebensratgeber „Reach Me“ zugleich den Titel des Films begründet als auch eine Art Motor für die kulminierenden Einzelepisoden darstellt. Natürlich ist auch dieser Teddy Raymond ein unglücklicher Einzelgänger, dessen Herz über den Tod seiner Frau gebrochen ist und erst wieder geheilt werden muss. Das so vielen vorübergehend Orientierungslosen als persönliche Minibibel geltende Buch hat er eher aus dem Versuch einer dysfunktionalen Selbsttherapierung verfasst. Es gibt jedoch noch etliche weitere verquere und hilfsbedürftige Personen, denen Raymonds Fibel eher mittelbar zur Verbesserung ihrer Zustände hilft; grundsätzlich bedürfen sie alle lediglich eines beherzten Anstoßes, aus ihrem in der Sackgasse befindlichen Leben etwas Besseres zu machen. So bekommen einige der elementarsten Figuren aus „2 Days In The Valley“ nebst dem plotentscheidenden Hund hier einen Nachfolger oder einen Nachfolgerin spendiert. Man registriert, dass diese Konstellation aus Verlierern am Scheideweg Herzfeld noch immer im Kopf herumspukt. Bezaubernd die Besetzung: Eine ganze Riege halbvergessener oder mittlerweile in den Zweit- und Drittligen Hollywoods bzw. der TV- und DTV-Landschaft beheimateter Stars, von denen man sich mitunter schon fragte, was überhaupt aus ihnen geworden sein mag, konnte zusammengetrommelt werden. Doch gerade deren Kompilierung erscheint in der definitiven Form dann doch wieder stark und eindrucksvoll und sollte etlichen von Herzfelds Kollegen Respekt abnötigen und zugleich Inspiration sein. Nun nimmt sich „Reach Me“ sicher nicht so vervollkommnet aus wie sein Urahn. Zu offensichtlich erscheinen die Parallelen und zu akut der Wunsch nach der Schaffung von etwas Gleichwertigem. Dennoch ist Herzfeld ein erfreulicher, kleiner Film geglückt, der ganz allgemein die nimmermüden Apologeten des Ensemblefilms und insbesondere die Liebhaber von „2 Days In The Valley“zufriedenstellen sollte.

8/10

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