STALINGRAD

„Mein Eid hat für mich keine Bedeutung mehr.“

Stalingrad ~ D 1993
Directed By: Joseph Vilsmaier

Spätsommer 1942. Hitler lässt die Wehrmacht weiter nach Osten vorrücken. Eines seiner Ziele ist die Stadt Stalingrad, von deren Einnahme durch die 6. Armee der Diktator sich unter anderem die Blockade des Wasserverkehrswegs Wolga und sowie die psychologisch eminente Demoralisierung Stalins und der Roten Armee verspricht. Von Anfang an zeichnet die Operation sich als Debakel ab. Der Widerstand innerhalb der Stadt gerät unerwartet groß, die Soldaten sind Häuserschlachten nicht gewohnt. Die Versorgung sowohl mit Kriegsmaterial als auch mit Nahrungsmitteln wird zunehmend schwierig; zu weit entfernt liegt die Frontlinie. Im Dezember gelingt es den Sowjets endgültig, die am Ende völlig zerbombte Stadt und mit ihr rund 200.000 deutsche Soldaten einzukesseln und von jedwedem Nachschub abzuschneiden. Drei Landser, der unerfahrene Nachwuchsoffizier Witzland (Thomas Kretschmann) und die vormaligen Nordafrikakämpfer Reiser (Dominique Horwitz) und Rohleder (Jochen Nickel), erleben die eiskalte Hölle bis zu ihrem unausweichlichen Tode mit.

Die Schlacht von Stalingrad gilt als die furchtbarste und verlustreichste des Zweiten Weltkriegs. Rund ein halbes Jahr dauert der Kampf um die Stadt nebst all seinen Ausläufern, der ungezählte Menschenleben unter Soldaten und Zivilisten fordert. Hitler weigert sich vehement, eine offizielle Kapitulation seiner Truppen vor Ort zuzulassen, bis selbst die letzten Widerständler sich ausgemergelt in sowjetische Kriegsgefangenschaft begeben. Auch jene überleben nur rund fünf Prozent der Inhaftierten.
Stalingrad ist rückblickendvor allem ein Fanal für Hitlers größenwahnsinnige Art der Kriegsführung letzten Endes einer der eklatantesten historischen Belege für die narzisstische Überheblichkeit des armseligen kleinen Emporkömmlings. Allein die Arroganz, mit der er trotz etlicher Warnungen seitens des Generalstabs nie bereit war, den Soldaten den Rückzug oder gar die Aufgabe zu ermöglichen und so unter Umständen Hunderttausende von Leben zu schonen, zeigt exemplarisch den zunehmenden Größenwahn und Realitätsverlust des ohnehin längst vollends pathologischen Politmonsters. Wenn dieses beispiellose humanitäre Opfer überhaupt einen Zweck erfüllt, dann den, dem Dritten Reich bis in seine Grundfesten hinein eine erste empfindliche Niederlage beigebracht, den bereits aufkeimenden Mythos von Hitlers Unzerstörbarkeit demontiert zu haben. Zudem sorgte die sich klammheimlich entwickelnde, heimische Gewissheit der Ereignisse an der Ostfront, die trotz Feldpostzensur und geschönter Wochenschauen immer akuter wurde, für eine weitere Destablisierung im Inneren. Hitler war dabei, sich selbst zu entthronen.
Dass es über dieses finstere Kapitel Kriegsgeschichte nur wenige Spielfilmabhandlungen gibt, liegt sicherlich primär daran, dass es sich nicht um eine Schlacht alliierter Soldaten handelte. Wenn Hollywood sich an Kriegskino macht, dann unter Berücksichtigung hauseigener Beteiligungen oder Interventionen. Deutsche oder russische Produktionen sind im Falle Stalingrad also folgerichtig.
Vilsmaier stemmte das ehrgeizige Projekt, vermutlich noch immer der Film mit dem größten Nachhall zum Thema, bei aufwendiger Detailergebenheit. Wenngleich „Stalingrad“ das allumfassende Grauen nur bruchstückhaft, in Form weniger, prägnanter Eindrücke, die in einen gut zweistündigen Film gepresst werden können und anhand der Erlebnisse einiger beispielhafter Protagonisten beleuchtet, zementiert er sich doch stark in der Wahrnehmung des Rezipienten. Ich habe ihn jetzt das erste Mal seit dem Kino wiedergesehen und hatte noch etliche Szenen im Kopf. Auf Heroisierung oder Glorifizierung verzichtet Vilsmaier glücklicherweise. Seine „Helden“ sind arme Schweine, zum Verrecken im Namen eines irrlichternden Egomanen angetreten ihrem vorbestimmten Schicksal verzweifelnd entgegenmäandernd. Dass Vilsmaier, anders als etwa Spielberg, Malick oder Eastwood, stoisch jedweder einladenden Ästhetisierung entsagt und das Elend möglichst authentisch vorstellt, beeindruckt zudem.

8/10

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