ANGEL

„Give a man something to suck on and he’s happy.“

Angel ~ USA 1984
Directed By: Robert Vincent O’Neill

Tagsüber die gewissenhafte Schülerin, bei Nacht auf dem Strich unterwegs als „Angel“ – seit die fünfzehnjährige Molly Stewart (Donna Wilkes) bereits vor Jahren von ihren Eltern im Stich gelassen wurde, ist sie gezwungen, ihren Lebensunterhalt auf dem nächtlichen Hollywood Boulevard zu verdienen. Oder vielmehr, sie geht ihrem horizontalen Job recht freiwillig nach, denn Waisenhaus und Sozialunterstützung kommen für sie nicht in Frage. Mittlerweile sind all die durchgedrehten Kiez-Gestalten zu ihrer neuen Familie avanciert, allen voran Transe Mae (Dick Shawn) und der alte Filmcowboy Kit (Rory Calhoun). Als jedoch ein durchgedrehter Serienkiller (John Diehl) sein Unwesen auf dem Kiez zu treiben beginnt, wird es für Molly brenzlig. Gut, dass ihre Freunde und auch Cop Andrews (Cliff Gorman) sie nach Kräften schützen.

Was nach wilder Exploitation klingt, ist vergleichsweise harmloses, extrem zeitverhaftetes Schillerkino – Robert Vincent O’Neill umgeht jedes sich noch so weit auftuende Fettnäpfchen von Schlüpfrigkeit und inszeniert seine Coming-of-Age-Geschichte mit verhaltenem Bahnhofskino-Flair als liebenswertes Kiezmärchen, das auch in punkto Moralinsäure angenehm zurückhaltend bleibt. Der sich erst nach und nach Bahn brechende Killerplot wirkt diesbezüglich eher aufgesetzt und wurde offensichtlich vor allem deshalb eingeflochten, um der Blitzidee mit der doppellebigen Babyhure und ihrer episodisch angelegten Geschichte einen konkreten Genrekurs zu verleihen. Nicht von ungefähr erinnert dieser Teil der Story an Friedkins sehr viel angründigeren „Cruising“. Sehr viel mehr Wert legt O’Neill infolge dessen auf sein illustres Rotlicht-Ensemble, das in Kombination eine funktionale Familie von liebenswerten Außenseitern ergibt, die sich im Notfalle bestens zu helfen weiß. Neben Mae und Kit Carson sind das vor allem die kernige Susan Tyrell als exzentrische Künstlerin Solly Mosler oder der Jojo-Artist Charlie (Steven M.Porter), allesamt Gestrandete, die das Beste aus der Endstation Milieu und ihr Viertel zu einem quirligen Zuhause des respektablen sozialen Scheiterns machen. Natürlich sind Angel und ihre Kolleginnen (Donna McDaniel, Graem McGavin) nebenbei gewieft und wählerisch genug, sich die Rosinchen aus dem fetten Freierkuchen herauszupicken und die große Restmenge – etwa ein paar aufdringliche Schulkameraden von Molly – ganz cool abblitzen zu lassen. Der verbleibende, minimale „Skandalfaktor“ des Ganzen, so man überhaupt einen solchen herauszufiltern geneigt ist, liegt somit am Ehesten darin, das Prostitutionsgewerbe in einem verharmlosenden bis romantisierenden Licht erscheinen zu lassen – O’Neills märchenhaft verbrämte Kieznacht ist voll von lustigen Anarcho-Vögeln und existenzieller Autonomie und macht suggestiv sogar Spaß, wenn man sich in ihr bloß halbwegs zurecht findet. Außerdem sei ja eh alles bloß halb so schlimm, so lange man auf eigene Faust und ohne Freier arbeite und auf gute Freunde zählen könne. Ich glaube trotzdem nicht, dass „Angel“ in den 34 Jahren seit seiner Premiere irgendein Teenager-Mädchen auch nur implizit dazu angestiftet hat, auf den Strich zu gehen.

6/10

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