CRY FREEDOM

„I just expect to be treated like you expect to be treated.“

Cry Freedom (Schrei nach Freiheit) ~ UK 1987
Directed By: Richard Attenborough

East London, Südafrika, in den frühen siebziger Jahren: Der liberale Journalist Donald Woods (Kevin Kline) trifft sich auf Initiative der Bürgerrechtlerin Dr. Mamphela Ramphele (Josette Simon) hin mit dem unter Bann stehenden BCM-Aktivisten Steve Biko (Denzel Washington), den der trotz seiner systemkritischen Auffassung voreingenommene Woods als schwarzen Rassisten einschätzt.
Die beiden Männer lernen sich gegenseitig schätzen, kommen sich bald näher und sie und ihre Familien werden gute Freunde. Als Biko, der ohnehin permanent von den Repräsentanten der Apartheidsregierung schikaniert wird, ankündigt, zu einem BCM-Treffen in Kapstadt zu reisen, wird er unterwegs von uniformierten Ordnungshütern gestellt und in der nachfolgenden Gefangenschaft fast zu Tode gefoltert. Der polizeilich angeordnete Transport in ein weit entferntes Hospital kostet ihn schließlich das Leben. Der zutiefst empörte Woods, der sich zuvor infolge seiner Sympathiebekundungen für Biko bereits den Polizeipräsidenten Kruger (John Thaw) zum persönlichen Feind gemacht hat, plant eine Vortragsreihe in den USA, wird jedoch an der Ausreise gehindert und selbst unter Bann gestellt. Als ein offensichtlich von radikalen Beamten initiierter Säureanschlag auf Woods Kinder stattfindet, beschließt der Journalist, mit seiner gesamten Familie am Silvestertag 1977 endgültig die Flucht aus Südafrika anzutreten.

Richard Attenboroughs erste Regiearbeit nach „Gandhi“ packt wiederum ein heißes historisches Eisen an: das – damals noch existente – Apartheidssystem Südafrikas. Für den dramaturgischen Überbau seines Films ließen sich Attenborough und sein Scriptautor John Briley von den später erschienen Sachbüchern Donald Woods‘ inspirieren und der Autor selbst nebst seiner Frau Wendy ließ es sich nicht nehmen, dem Projekt als enger Berater zur Seite zu stehen.
„Cry Freedom“ ist ein kluger, episch ausladender Film der gerechten Empörung, ein aufrichtiges Plädoyer für Verständigung und Freundschaft. Ich erinnere mich an (zeitgenössische) Kritiken, die ihm vorwarfen, im letzten Viertel (das primär die Fluchtumstände Donald Woods‘ und seiner Familienangehörigen schildert) Konventionen zu bedienen und „Cry Freedom“ somit stark in seinem ursprünglichen Ansinnen abzuschwächen. Dem halte ich entgegen, was ich den meisten Verurteilern von humanistischen Stoffen im westlichen Mainstreamkino (die Beispiele dafür sind ja Legion) entgegenhalte: Jeder einzelne (junge?) Zuschauer, der sich, vielleicht erstmals in seinem Leben überhaupt, infolge der Betrachtung eines Films wie diesem mit derlei dunklen Menschheitskapiteln auseinandersetzt und sich vielleicht von persönlichen Studien im Anschluss daran weiterführen lässt, sie vertieft, intensiviert; jeder Zuschauer, dessen Verstand und Seele, und sei es nur ein kleines bisschen, infolge eines Films wie „Cry Freedom“ in Bewegung gerät, jeder, der sich, wenngleich möglicherweise zunächst zaghaft, Reflexion und Diskussion öffnet, dessen späteres Engagement oder dessen Haltung vielleicht in der Rezeption dieses Films wurzelt, rechtfertigt nicht nur seine bloße Existenz, sondern bestätigt zugleich auch die Berechtigung der gewählten Form. Natürlich erzählt Attenborough auch eine dramatische, spannende Geschichte und wählt dafür die klassische Dramaturgie des Unterhaltungskinos. Natürlich gibt es kalkulierte Suspense-Momente, wenn man mit dem als Geistlicher verkleideten Woods/Kline bangt bei seinen Grenzübertritten. Was aber soll daran bitte verwerflich sein? Wo steht geschrieben, dass Betroffenheitskino (ich wähle diesen anrüchig konnotierten Terminus ganz bewusst und ohne Anführungszeichen, denn ich habe seine ja sehr käsige Konnotation eh noch nie begriffen) dröge, langweilig und elliptisch-verschwurbelt erzählt daherkommen muss? Aus „Cry Freedom“ kann man lernen. Man kann lernen, dass es großartige Menschen wie Bantu Stephen Biko gab, von dem, mit Ausnahme von Peter Gabriel vielleicht, etliche Allerweltsleute zuvor nie gehört hatten und ohne Attenboroughs Film auch nie gehört hätten? Menschen, die unter widrigsten Umständen gelebt und gelämpft haben und die für ihre gerechte Überzeugung sterben mussten, auch wenn sie später in Biopics von reichen und berühmten Hollywoodstars wie Denzel Washington dargestellt werden. Das enthebt sie keinesfalls ihres historischen Status‘, sondern verschafft ihnen im Gegenteil weitflächigere, höchst verdiente Reputation. Ein eminentes – ich sage das nicht leichtfertig – Meisterwerk.

10/10

Hinterlasse einen Kommentar