STAR 80

„Together we could be somebody.“

Star 80 ~ USA 1983
Directed By: Bob Fosse

Vancouver, 1976. Dorothy Hoogstraten (Mariel Hemingway), sechzehnjährige Kellnerin in einem kleinen Diner, lernt während der Arbeit den narzisstischen Zuhälter Paul Snider (Eric Roberts) kennen. Snider ist überzeugt, Dorothy zu einem Star machen zu können. Nachdem er sich das naive Mädchen mehr oder wenig gefügig gemacht hat, lässt er erotische Fotos von ihr erstellen und sorgt mittels gefälschter Unterschriften für eine Bewerbung beim „Playboy“. Nachdem man gemeinsam nach Kalifornien gezogen ist und Dorothy zunächst ihren Nachnamen in „Stratten“ geändert hat, heiratet sie Paul und bringt es tatsächlich zum Centerfold. Sie wird zum gern gesehenen Gast in Hugh Hefners (Cliff Robertson) Mansion. Dorothy gelingt schließlich sogar der Sprung nach Hollywood, wo sie nach ein paar kleineren Auftritten in Film und Fernsehen schließlich den renommierten Regisseur Aram Nicholas (Roger Rees) kennenlernt und eine Affäre mit ihm beginnt. Analog zu Dorothys steigender Prominenz zieht es dem larmoyanten Paul, der eifersüchtig erkennen muss, dass er längst kaum mehr denn ein Klotz an Dorothys Bein ist, zusehends den Boden unter den Füßen weg. Er besorgt sich ein Gewehr und lädt Dorothy zu einer letzten Aussprache zu sich nach Hause ein.

Bob Fosses letzte von fünf Regiearbeiten, bevor er vier Jahre später mit nur 60 Jahren an seinem zweiten Herzinfarkt verstarb. Spätestens mit dem 1979 veröffentlichten Kronjuwel „All That Jazz“, in dem Roy Scheider Fosses semibiographisch konturiertes alter ego spielte, verdeutlichte sich bereits jene Besessenheitsfacette des Multitalents, sich vornehmlich mit Charakterstudien zu befassen, die seiner eigenen, selbstzerstörerisch-manischen Persönlichkeit besonders nahe kamen. In Paul Snider, dem „Erfinder“, Ehemann und Mörder des Playmates Dorothy Stratten, fand er eine gewissermaßen analoge Figur. So ist „Star 80“ mindestens zu gleichen Teilen ein Porträt beider Ehepartner, das Fosse mit der ihm eigenen Meisterschaft als collageartige Melange aus chronologisch arrangierten Spielszenen und pseudodokumentarischen Retrospektiv-Interviews Revue passieren lässt.
Dabei war Dorothy Strattens ebenso aufsehenerregende wie tragische Geschichte bereits zwei Jahre zuvor im Rahmen einer konventionellen TV-Inszenierung mit Jamie Lee Curtis in der Titelrolle verfilmt worden, ein veritabler kommerzieller Erfolg diesbezüglich also durchaus fragwürdig. Dennoch ist „Star 80“ als New-Hollywood-Spätausläufer, der sich eigentlich noch ganz in der Tradition jener anno 83 bereits kläglich versiegten Kreativexplosion lesen lässt, ein annähernd makelloses Kunstwerk. Ohne sich moralinsaurer Didaktik hinzugeben, zeichnet er den gleichermaßen vergänglichen wie buchstäblich gefährlichen Ruhm eines unversehens aus der unteren Mittelschicht ins Rampenlicht katapultierten Sternchens nach, das zudem nicht etwa durch ausgesprochenes Talent, sondern die bloße Beharrlichkeit seines „Entdeckers“ reüssiert, selbigen selbst damit jedoch paradoxerweise zu bloßer Redundanz degradiert. Streitbare Figuren wie der Titten-Hearst Hugh Hefner (nominell) oder der stets wesentlich jüngeren Damen zugeneigte Regisseur Peter Bogdanovich (nicht nominell) haben in diesem konzentriert arrangierten, auf das obligatorisch angekündigte, tragische Ende hinauslaufende Psychogramm ebenso ihren Platz wie der schmierige Photograph (Hugh-Bruder Keith Hefner), der nicht minder schmierige Privatdetektiv (Josh Mostel) oder Dorothys mit der Siuation hoffnungslos überforderte Mutter (Carroll Baker). Ernest-Enkelin Mariel Hemingway hatte sich kurz vor dem Film Brustimplantate einsetzen lassen, was nach eigenem Bekunden jedoch nichts mit ihrer Rolle zu tun gehabt haben soll. Nachdem die Dinger ein paar Jahre später Leck schlugen, ließ sie sie dann wieder entfernen. C’est la vie.
Eric Roberts indes, der in seiner strapaziösen Darstellung glänzt wie in kaum einer seiner anderen und mich nicht selten unwillkürlich an Joe Spinnells Frank Zito in „Maniac“ erinnerte, hätte danach eigentlich aller Ruhm der Welt, zumindest aber ein Oscar gebührt. Tatsächlich war nichtmal eine Nominierung drin, für den gesamten Film im Übrigen nicht. Hollywood hofiert seine schärfsten Kritiker eben nur selten. Was dann am Ende aus Roberts‘ Karriere wurde, ist ja wiederum nur allzu bekannt. Immerhin, er ist noch da. Im Gegensatz zu Bob Fosse, Dorothy Stratten und Paul Snider.

9/10

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