VERBRECHEN NACH SCHULSCHLUSS

„Ich werd’s denen allen zeigen!“

Verbrechen nach Schulschluss ~ BRD 1959
Directed By: Alfred Vohrer

Der Oberschüler Fabian König (Christian Wolff) fühlt sich durchweg von der Elterngeneration verraten: Einer seiner Lehrer instrumentalisiert ihn gnadenlos für Privatzwecke und leugnet dies später; Fabians Vater (Richard Münch) ist ein Kommisskopf, der am Liebsten pausenlos weiter Weltkriege führte. Seine Chance zum Ausbruch sieht Fabian in der Hinwendung zum Verbrechen. Zusammen mit vier Freunden (Claus Wilcke, Wolfgang Koch, Corny Collins, Jörg Holmer) dreht Fabian als Anführer immer größere Dinger. Bei dem Hehler Bregulla (Walter Clemens) lernt er schließlich die liebe Ulla Anders (Heidi Brühl) kennen, ein Heimmädchen, dass von Bregullas Freundin Erna (Erica Beer) ausgenutzt wird. Als Ulla von Fabians kriminellen Umtrieben erfährt, sagt sie sich nach zarter erster Annäherung wieder von ihm los. Dann wird Pegulla erschlagen und Fabian als Täter verurteilt. Der Gefängnisarzt Knittel (Peter van Eyck) setzt sich jedoch für den Jungen ein und deckt die Wahrheit auf. Fabian und Ulla steht die Tür zu einer besseren Zukunft offen.

Kurz vor dem von Artur Brauner ins Rennen geschickten, thematisch nicht unähnlich angelegten Jugenddrama „Am Tag als der Regen kam“ präsentierte sich Christian Wolff in einer anderen der vielen Außenseiterrollen seiner frühen Karrieretage. In „Verbrechen nach Schulschluss“ ist er allerdings der tonangebende Nachwuchs-Gangster, dessen kriminelle Umtriebe jedoch nicht aus einem entsprechenden Wesen erwachsen, sondern eine Antwort auf die Verkorkstheit seiner Ära sind. 1959, das war die Zeit von nationalmentaler Reparation und Wirtschaftswunder; eine verlogene Zeit, eine des Leugnens und Schweigens, des Eskapismus und der Sublimierung. Für die Jugendlichen dieser Ära, die Krieg, Verlust und Wiederaufbau bestenfalls im Kleinkindalter miterlebt hatten, vielleicht eine besonders unsichere Zeit, in der die Findung einer vollständigen Identität sich äußerst schwierig gestaltete. Fabian König erlebt die Generation der Väter und Mütter nicht nur als völlig verständnislos, sondern zudem als rückständige Verfilzte, deren Alltag primär aus falschem Stolz und Ausflüchten zu bestehen scheint. Fabians Vater Dr. König ist ein Offizier der noch jungen Bundeswehr, für den ein guter deutscher Junge stramm zu stehen und nichts zu hinterfragen hat – fraglos ein geistiges Relikt seiner eigenen Erziehung, was auch Fabian treffend erkennt. Seine Mutter (Alice Treff) derweil hat gelernt zu schweigen, und, wenn überhaupt, leise und ungehört vor sich hin zu weinen. In jener Zeit ohne subkulturelle Ausprägungen blieb wohl nur das Gangstertum, um der Gesellschaft die kalte Schulter zu zeigen. So geht Fabian seinen unguten Weg, verbrennt sich die Finger, verzweifelt bis hin zum Suizidversuch und findet in dem kriegsversehrten Dr. Knittel schließlich den lang vermissten, verständnisvollen Zuhörer und Ersatzvater, der ihn nicht nur persönlich, sondern auch gesellschaftlich wieder teilaufrichtet.
So verbleibt dieser wichtige, bedeutende deutsche Film auch als ein gutes Stück Versöhnung, das nicht allein um Verständnis für den Nachwuchs buhlt, sondern seine gut hörbare Kritik am „Vaterland“ auch durchaus konstruktiv formuliert.

8/10

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