THE HARDER THEY COME

„No business, no show.“

The Harder They Come ~ JM 1972
Directed By: Perry Henzell

Nach dem Tod seiner Großmutter kommt der junge Ivan Martin (Jimmy Cliff) aus dem Inselhinterland nach Kingston, wo er sich eine Karriere in der boomenden Musikindustrie Jamaikas verspricht. Doch weit gefehlt; reguläre Arbeit gibt es so gut wie keine und die musikalische Szene wird von dem profitgierigen Produzenten Hilton (Bob Charlton) kontrolliert. Eine Stelle als Bursche für Alles bei einem Prediger (Basil Keane) verliert Ivan, weil er mit dessen Mündel Elsa (Janet Bartley) anbendelt. Dennoch gelingt es Ivan, für eine Minigage in Hiltons Studio eine Single aufzunehmen, über deren Vertrieb er jedoch nicht selbst bestimmen kann. So bleibt nurmehr der Gang in den zwar illegalen, aber polizeilich geduldeten Ganja-Vertrieb, ein gefährliches Geschäft ohne Aufstiegschancen. Ein Streit über Ivans kärglichen Wochenverdienst mit dem Pusher Jose (Carl Bradshaw) endet übel: Plötzlich hat Ivan die Polizei auf dem Hals und wird zum Outlaw, der mehrere Cops erschießt und gezwungen ist, sich zu verstecken. Die Bevölkerung der Slums hat derweil nur auf ihren Messias gewartet – bei ihr wird Ivan zum Helden, dessen Song auf heavy rotation gespielt wird. Um Ivans Popularität zu brechen, dreht Detective Jones (Winston Stona) der Gras-Zufuhr nach Kingston den Hahn ab, bis Ivan gefunden wird. Schließlich stellt ihn eine eigens auf ihn angesetzte, militärische Abordnung, bevor er nach Kuba fliehen kann. Ivan stirbt im Kugelhagel der Soldaten.

„The Harder They Come“ ist einer der wenigen Filme, die ein wahrhaft umwälzerisches Potentzial beherbergten. Als bis heute einzig wirklich nachhaltiger Beitrag des karibischen Films zum Weltkino ist die Erklärung dafür allerdings rasch gefunden; die Story von Henzells zeitlosem midnight movie ist keine regionalspezifische, sie spricht vielmehr die universelle Sprache der Rebellion, die seit den frühen Gangsterfilmen der Warner Brothers in den beginnenden Dreißigern überall verstanden wird, egal, ob deren Protagonisten-Hautfarbe weiß, gelb, braun oder schwarz ist und ob sich via Jamaican English oder in einer anderen Sprache verständigt wird. Den Archetypen des ungebildeten Slumkindes aus prekären Verhältnissen, das an jeder Straßenecke Ungerechtigkeit und Übervorteilung erlebt und dem trotz möglicher anderer Talente keine Wahl bleibt, als in den Untergrund zu gehen und seine Geschicke von dort aus zu lenken, kennt jeder, der die Trivialkultur und das Kino kennt. Jimmy Cliffs Ivan Martin entspricht diesem Prototypen so exakt wie nur eben möglich, wenngleich Setting und Form sich der Geschichte wesentlich passgenauer angleichen als man es aus den meisten thematisch analogen, vergleichsweise glatt produzierten US-Filmen kennt. Henzells Bildsprache ist rau, hektisch und ultraauthentisch; sie stammt direkt aus den Verschlägen, Hütten und Straßen, von denen sie erzählt. Einen Score gibt es nicht, die Begleitmusik stellen zeitgenössische Reggae- und Ska-Klassiker; allen voran natürlich das unvergesslich meisterliche, synkopische Titelstück. Damit bot „The Harder They Come“ auch einen der ersten Song-Soundtracks, deren medienhistorische Bedeutung mit der des ursprünglichen Filmwerks einhergeht.
Dass Ivan und seine Freunde sich zu Beginn des Films im Kino ausgerechnet Sergio Corbuccis „Django“ ansehen (der Film konzentriert sich auf jene denkwürdige Szene, in der Django hinter dem querliegenden Baumstamm auf Major Jacksons rotmaskierte Schergen wartet, um sie dann mit seinem aus dem Sarg befreiten MG niederzumähen), ist natürlich kein Zufall: Henzell verdankt der unmittelbaren, dreckigen Inszenierung der Spaghetti-Western besonders von Corbucci oder Questi eine Menge und mochte dies sicherlich auch zum Ausdruck bringen Die während der Kinobetrachtung herausgebellte Erkenntnis, dass der Held immer erst zum Schluss stirbt (die freilich just auf „Django“ nicht zutrifft, da dieser weiterziehen wird), darf zudem als Leitmotiv verstanden werden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt weiß der Zuschauer, wohin das Schicksal Ivan Martin führen wird: dahin nämlich, wo es dereinst schon Tom Powers, Rico und Tony Carmonte führen sollte.

9/10

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