THE KREMLIN LETTER

„I can assure you of one thing: Intelligence and espionage have no size, no shape and no rules.“

The Kremlin Letter (Der Brief an den Kreml) ~ USA 1970
Directed By: John Huston

Plötzlich Spion: Der Navyoffizier Charles Rone (Patrick O’Neal) weiß kaum wie ihm geschieht, da eröffnet ihm sein Vorgesetzter (John Huston), dass er von jetzt ab ohne Dienstgrad und für den Geheimdienst tätig sei. Zusammen mit einer Gruppe von Spezialisten soll Rone den Verbleib eines diplomatischen Dokuments klären, das dem Kalten Krieg eine brisante Wendung geben könnte. Zu diesem Zwecke schickt man ihn und seine Kollaborateure nach Moskau, wo man sich gewinnbringende Informationen erhofft. Vor Ort muss Rone nach und nach feststellen, dass er im Spionagezirkus eine ganz andere Rolle spielt als die bislang von ihm angenommene. Es geht nämlich mitnichten um den Brief, sondern um eine Privatvendetta seines Kollegen Ward (Richard Boone).

Fernab jedweder Bond-Romantik entlarvt John Huston in dieser Romanverfilmung das Spionagegeschäft als opportunistische, menschenverachtende Maschinerie, die mitnichten irgendeiner wie auch immer gearteten Staatsräson dient, sondern sich längst verselbstständigt hat und deren Protagonisten durchweg daran interessiert sind, ihre persönlichen Machtbefugnisse auszuweiten. Insofern ist der moderne Agent, ganz gleich für welche Regierung er tätig ist oder welchem System er dient, im Grunde auch bloß ein Kapitalist, dessen Grad an Skrupellosigkeit seine Austiegschancen bestimmt. Er hat im Dreck zu wühlen, im privaten und emotionalen, sieht sich mit Drogen, Prostitution und sexueller Subkultur konfrontiert, um zum Ziel zu kommen. Charles Rone wird dem Zuschauer als Held angepriesen: Überaus intelligent, halbwegs gutaussehend und mit diversen speziellen Fertigkeiten gesegnet ist er genau der Mann, dem man sich zwei Erzählstunden lang gern anvertraut. Huston spielt mit diesem typologischen Profil, das sich in den Jahren zuvor im Kino nur allzu erfolgreich etabliert hat, denn am Ende erweist sich Rone als Rädchen im Getriebe einer ganz anderen Agenda als der ihm bislang weisgemachten; er muss die Tatsache hinnehmen, dass er, da es ihm gelungen ist, zu überleben, selbst in der Spionagehierarchie angekommen ist – auf dem alleruntersten Treppchen, auf dem nur Befehle von oben kommen und das seinen Beherberger zwingt, selbst zum Ränkeschmied zu werden, wenn man von ihm weg möchte. In einigen Jahren wird vermutlich Rone an die Stelle von Ward treten, der es just seinem alten Intimus Kosnov (Max von Sydow) heimgezahlt hat. Dann wird es an Rone sein, sich für seinerzeit erlittene Schmach zu rächen und sich dadurch endgültig zu entmenschlichen. Der Weg dorthin wird allerdings ein blutiger, soviel ist sicher.

8/10

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