ENIGMA

„I think these two go together.“

Enigma ~ UK/F 1982
Directed By: Jeannot Szwarc

Der Kalte Krieg brodelt vor sich hin. Ausgerechnet am Weihnachtstag will der KGB als abschreckendes Exempel für potenzielle Überläufer fünf aus der Sowjetunion geflohene Dissidenten liquidieren, die überall auf der Welt verteilt sind. Im Gegenzug plant die CIA, ein jenseits der Mauer befindliches Modul zu stehlen, das für die Funktion der berühmten „Enigma“-Dechiffriermaschine von entscheidender Bedeutung ist. Damit will man schließlich die Aufenthaltsorte und Identitäten der fünf Anschlagsopfer herausbekommen und die geplanten Morde so verhindern. Für die waghalsige Aktion heuert der US-Geheimdienst den aus Ostberlin stammenden Systemflüchtling Alex Holbeck (Martin Sheen) an, der mittlerweile in Paris einen antikommunistischen Radiosender leitet. Holbeck willigt ein, da er sich von dem Engagement nicht zuletzt ein Wiedersehen mit seiner verflossenen Liebe Karen (Brigitte Fossey) erhofft, die in der DDR als Anwältin einen tapferen Kampf gegen die regierenden Windmühlen kämpft. Die Gegenseite bekommt von Holbecks Einsatz Wind und versucht, des mittlerweile in Berlin-Ost angelangten Amateurspions mithilfe des ebenso systemtreuen wie narzisstischen KGB-Agenten Dimitri Vasilikov (Sam Neill) habhaft zu werden. Wovon weder Holbeck noch Vasilikov etwas ahnen: Die Amerikaner sind längst im Besitz des Enigma-Moduls und kalkulieren die Festsetzung Holbecks, der tatsächlich ausschließlich als Lockvogel fungiert, fest ein…

Jeannot Szwarcs in seiner Gesamtheit schönes Spionagedrama hat mir in mehrerlei Hinsicht sehr gut gefallen, wenngleich – so viel vorweg – sich einige berechtigte Kritikpunkte gewiss nicht ohne Weiteres wegdiskutieren lassen.
Zunächst einmal wird die Atmosphäre des Kalten Kriegs bestens passend zu seiner Nomenklatur gleich in einen kalten, grauen DDR-Dezember versetzt. So und nur so stellt man sich Spionageeinsätze hinter den damals feindlichen Linien vor, was nicht minder für die westlichen Fantasien vom Arbeiter- und Bauernstaat gilt (tatsächlich wurde in Frankreich gedreht, was allerdings bestens durchgeht). Vor dieser Kulisse gibt es ein spannendes Katz- und Mausspiel zwischen den intellektuell ebenbürtigen Duellanten Sheen und Neill, in dem der pro-westliche Überläufer Sheen allerdings stets (und bis zum Finale) eine Nasenlänge voraus ist, eine tiefromantische, involvierende Dreiecksgeschichte, die besonders gegen Ende (gewiss als solche intendierte) Erinnerungen an „Casablanca“ weckt, damit direkt verknüpft ein vorzüglich ausbuchstabiertes Figurenensemble und eine Besetzung auf der Höhe ihrer Kunst.
Auf der anderen Seite nimmt sich die Darstellung des einstigen Ostblocks allgemein und die der DDR im Besonderen extrem undifferenziert aus: Mit dem Moment, in dem Holbeck in Ostberlin anlangt, rutscht man gemeinsam mit ihm in ein von Sonnenlicht übersehenes, förmlich lebensfeindliches, zutiefst faschistisches Loch fauliger Korruption und Boshaftigkeit, das jedweden Anflug von autonomem Denken sofort entdeckt und gnadenlos ahndet. Nicht selten musste ich an ZAZs „Top Secret“ denken (in dem Nebendarsteller Warren Clarke ebenfalls auftritt). Im Gegenzug stellt die sozialistische Hierarchie sich durch ihre diversen Wadenbeißer permanent selbst ein Bein nach dem anderen, weshalb Holbeck sie infolge seiner freigeistigen Cleverness auch stets erfolgreich ausbooten kann. Um diese „Überlegenheit“ darzustellen, wählt das Script allerlei Volten, die zuweilen ins Irreale bis Lächerliche ausarten und „Enigma“ dann wiederum doch eher zu einem Märchenfilm als einem ernstzunehmenden Politthriller formen. Den Gipfel erreicht das Geschehen in einer Szene, in der Holbeck die mittlerweile als zersetzend denunzierte, seedierte Karen im Alleingang aus einer Irrenanstalt befreit und mit ihr entkommt, die halbe Stasi auf den Fersen. Der Schluss wiederum, für den sich speziell diese Episode dann doch wieder als immanent wesentlich erweist, rührt zu Tränen und steht den vorhergehenden Ereignissen geradezu diametral entgegen. Man muss sich also gewissermaßen entscheiden, ob man all die dramaturgischen Übertreibungen des Plots gewillt ist, um der ebenso vorhanden Qualitäten des Films Willen zu übersehen. Ist man dazu bereit, mag man „Enigma“ gewiss mögen. Ist man’s nicht, wird man in ihm vielleicht auch vorsätzlich verursachten, groben Unfug ausmachen. Wie so oft gilt: Entscheiden Sie selbst.

8/10

Hinterlasse einen Kommentar