THE GIFT

„You just need to keep doing what you are doing.“

The Gift ~ USA 2000
Directed By: Sam Raimi

Die seit einem Jahr verwitwete, dreifache Mutter und Hellseherin Annie Wilson (Cate Blanchett) bildet für einige der einfacher gestrickten Menschen ihres Heimatnests Brixton, Georgia eine stille Institution. Viele vertrauen auf Annies kartenbasierte Weissagungen und Eingebungen, die sich in der Regel als zutreffend erweisen. Anders steht es da mit dem üblen Proleten Donnie Barksdale (Keanu Reeves), dessen ihm hörige Gattin Valerie (Hilary Swank) Annie allenthalben aufsucht, um sich von ihr wohlgemeinte Trennungsratschläge einzuholen, die sie dann am Ende doch nicht befolgt. Als Donnie davon Wind bekommt, bedroht er Annie und ihre Söhne (Lynnsee Provence, Hunter McGilvray, David Brannen) und bezichtigt sie der Hexerei. Dann verschwindet die stadtbekannte Pomeranze Jessica King (Katie Holmes), deren Leiche mit Annies Hilfe in einem Bayou hinter dem Haus der Barksdales gefunden wird. Gegen Donnie wird Mordanklage erhoben. Obgleich er seine Unschuld beteuert, sprechen alle Indizien gegen ihn und er wird verurteilt. Doch Jessicas Geist ruht noch immer nicht in Frieden…

Mit seinem 98er-Neo-Noir „A Simple Plan“ hatte sich der vormals als einschlägiger Genreauteur zu Ruhm gekommene Sam Raimi als differenzierter denn gewohnt zu Werke gehender Filmemacher empfohlen, der seine Fühler auch in andere Regionen auszustrecken vermochte. Der verschneite, kleine Thriller weckte eher Assoziationen an die Arbeiten der Coens, bekanntermaßen ja lange Karriereweggefährten Raimis. In „A Simple Plan“ spielte der gebürtig aus Arkansas stammende Billy Bob Thornton einen etwas minderbegabt wirkenden Hillbilly-Typen; eine Rolle, die gewissermaßen bereits klare Avancen an „The Gift“ vorformuliert. Dessen Scriptidee stammt wiederum von Thornton, der darin Erfahrungen um und mit seine/r Mutter verarbeitet, angeblich selbst eine Wahrsagerin. „The Gift“ taucht tief in das Südstaatenmilieu von Georgia ab, in dessen sumpfnahen Kleinstädten noch stillschweigend die alte Antebellum-Glorie geatmet und gelebt wird. Die Leute haben die jahrhundertealten Feudalstrukturen nie ganz vergessen, kennen ihren ständischen Platz, sind zumeist gottesfürchtige Kirchgänger. Die reichlich vorhandenen, familiären Missstände werden im gutnachbarschaftlichen Sinne totgeschwiegen. Gewiss wäre auch der nicht totzukriegende Rassismus ein sich dringend anbietender Topos, doch den spart „The Gift“ wohlweislich aus – tatsächlich hätten diesbezügliche Diskurse den ohnehin schon gespannten Rahmen gewiss gesprengt. Ohnedies werden bereits mehrere kleine Plotepisoden miteinander verflochten – da wären der traumatisierte Autoschrauber Buddy Cole (Giovanni Ribisi), der den sexuellen Missbrauch durch den eigenen Vater (Erik Cord) nicht verarbeiten kann; der sympathische Vertrauenslehrer Wayne Collins (Greg Kinnear), der sich um Annies verhaltensauffälligen Ältesten bemüht, den der Verlust des Vaters besonders hart trifft und der wiederum mit dem späteren Mordopfer Jessica King verlobt ist. Die sich libertin wähnende Jessica wiederum, deren Verhältnis zu ihrem Vater, dem Stadtreichen und Salonlöwen Kenneth King (Chelcie Ross), ebenfalls nicht ganz koscher erscheint, vögelt alles, was ihr vor die Plinte kommt, darunter den Staatsanwalt David Duncan (Gary Cole) und – Donnie Barksdale. Ein gerütteltes Panoptikum unseligen, mikrokosmischen Filz‘ bietet dieses Brixton somit, für die zarte, unfreiwillig im Zentrum all dessen stehende Annie und auch für den Film vielleicht ein etwas zu umfassend. So scheint die Lösung der meisten Konflikte doch immer nur angedeutet und nie wirklich befriedigend psychologisch ausgearbeitet. „The Gift“ hätte, um sich selbst ordentlich auserzählen zu können, noch eie gute Stunde länger sein mögen – so bleibt allzu viel in unbefriedigend akzentuierten Ansätzen stecken. Ob Raimi seinen Selbstansprüchen damit gerecht werden konnte, bleibt fraglich.
Als kleines Stück southern gothic nebst einer Wagenladung wohlabgehangener Klischees und einigen erstklassigen Darstellerleistungen (Ribisi und Holmes haben mir am besten gefallen) ist „The Gift“ okay, nicht wesentlich mehr. Innerhalb Raimis Gesamtœuvre wäre er qualitativ wohl im unteren Drittel anzusiedeln.
Welches Potenzial wirklich in der Paarung Blanchett/Ribisi steckt, hat uns Tom Tykwer mit „Heaven“ dann zwei Jahre später nochmal treffsicher aufzeigen können.

6/10

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