THE HANDS OF ORLAC

Zitat entfällt.

The Hands Of Orlac (Die unheimlichen Hände des Dr. Orlak) ~ UK/F 1960
Directed By: Edmond T. Gréville

Just auf dem Wege zu seiner Hochzeit in Paris crasht das privat gecharterte Flugzeug des gefeierten Konzertpianisten Steven Orlac (Mel Ferrer) im dichten Nebel. Ausgerechnet die filigranen Hände des Musikgenies werden dabei schwer beschädigt. Nur durch das eifrige Insistieren seiner Verlobten Louise (Lucile Saint-Simon) wird eine eilends anberaumte Notoperation möglich, die der Chirurg Professor Volchett (Donald Wolfit) durchführt: Er transplantiert Orlac die Haut der Hände des unmittelbar zuvor hingerichteten Frauenmörders Vasseur. Nachdem Orlac aus dem Krankenhaus entlassen ist, begeht er mit seiner Braut die Flitterwochen an der Côte d’Azur. Doch der brillante Pianist ist nicht mehr derselbe: Seine „neuen“ Hände scheinen ein unheimliches Eigenleben zu führen und ihren Besitzer zu sinistren Taten anzustiften, anstatt wie vor dem Unfall die Muße erklingen zu lassen. Bevor es zu einem größeren Unglück kommen kann (die Hauskatze wurde bereits mit gebrochenem Genick aufgefunden), flieht Orlac nach Marseille und stürzt sich incognito in das verruchte Nachtleben des hiesigen Hafenviertels. Dort werden der abgehalfterte Varieté-Zauberer Nero (Christopher Lee) und seine ihm hörige Gehilfin Li Lang (Dany Carrel) auf den Verzweifelten aufmerksam und wollen seinen instabilen Zustand ausnutzen.

Die dritte Adaption von Maurice Renards berühmtem Schauerroman entstand als englisch-französische Koproduktion in Konkurrenz zu den just im Erstarken begriffenen Horrorfilmen von Studios wie Hammer oder Anglo-Amalgamated, die häufig psychologischen Grusel mit campigem Grand Guignol zu vermengen pflegten. Dazu passte auch Renards Stoff, der streng genommen keinerlei übernatürlichen Duktus besitzt: Orlacs allmählich aufkeimender Wahn ist lediglich seiner psychischen Labilität sowie neurotischen Imagination geschuldet und wird von dem eigentlichen Unhold Nero noch zusätzlich forciert. Im Gegensatz zu Robert Wienes expressionistischer Version von 1924 und Karl Freunds MGM-Horrordrama „Mad Love“ (das ohnehin eine ganz andere inhaltliche Entwicklung vornimmt) geriert sich der Plot als zusehends konfus: Wie der finstere Nero an Orlacs Vermögen kommen will, bleibt weithin nebulös; auch sein Plan, den irrlichternden Musikus zum Mord an seiner Frau Louise anzustiften, misslingt. Orlac kann noch rechtzeitig in Erfahrung bringen, dass sein Organspender Vasseur gar kein Mörder war und unschuldig exekutiert wurde, womit er selbst zugleich von allem potenziellen Wahnsinn sowie jedweder Schuld entlastet wird. Immerhin bekommt Nero noch sein gerechtes Fett weg – nicht ohne zuvor öffentlichkeitswirksam auf der Bühne seine abtrünnige Partnerin ermordet zu haben, was ihn endgültig zum veritablen Bösewicht stempelt.
Die Konstellation Ferrer/Lee ist noch das Sensationellste an Grévilles über weite Strecken etwas ziellos vor sich her mäanderndem Film: die zwei Darsteller befinden sich auf dem jeweiligen Zenit ihrer Kunst und besonders Lee kann abseits seiner diversen Monster- und Mörderrollen unter dicker Maske zeigen, was wirklich in ihm steckt. Nicht zu vergessen Donald Pleasence in einer Minirolle als leicht entglittener Künstler, der Orlacs Hände modellieren will. Gewiss ist fürderhin auch der charmante Spekulationsfaktor nicht zu unterschätzen, der besonders in den Marseille-Szenen mit ihren schummrigen Matrosenspelunken zum Tragen kommt, in denen Ferrer seine dräuende Verkommenheit mittels Dreitagebart, speckigem Jacket und angetrunkenem Schlafzimmerblick simuliert. Natürlich rettet die Liebe am Ende alles, nur die arme Katze, die bleibt tot. Aber das könnten auch die Zigeuner gewesen sein.

6/10

NEVER TAKE SWEETS FROM A STRANGER

„This isn’t an ordinary crime.“

Never Take Sweets From A Stranger (Vertrau keinem Fremden) ~ UK 1960
Directed By: Cyril Frankel

Peter Carter (Patrick Allen) zieht mit Frau Sally (Gwen Watford) und der neunjährigen Tochter Jean (Janina Faye) nach Nova Scotia, um dort in einer Kleinstadt den Posten als Schulleiter anzutreten. Nach einem herzlichen Empfang folgt rasch der Schock: Jean und ihre neuen Freundin Lucille (Frances Green) waren im Haus des hiesig als pädophil bekannten, alten Clarence Olderberry (Felix Aylmer), der sie um die Belohnung von ein paar Süßigkeiten veranlasst hat, nackt vor ihm zu tanzen. Die kleine Jean zeigt sich zeitnah traumatisiert von den Ereignissen und die Carters sind fest entschlossen, den zudem senilen Olderberry gerichtlich zu belangen und so weitere Taten dieser Art zu verhindern. Der Haken: Die Olderberrys sind die erste und mächtigste Familie am Platz, die gesamte Stadt konnte einst allein wegen ihrer hier gegründeten Fabrik prosperieren. Olderberrys Sohn (Bill Nagy) kündigt erbost an, die nahende Verhandlung mit allen mitteln für sich zu entscheiden und tatsächlich wird die Anzeige, nachdem Lucilles für die Olderberrys arbeitender Vater (Robert Arden) eingeknickt ist und der Verteidiger (Niall McGinnis) Jean vor Gericht rücksichtslos ins Kreuzverhör nimmt, fallengelassen. Die Carters wollen die Stadt daraufhin umgehend wieder verlassen, doch zuvor treffen die Mädchen im Wald abermals auf den Alten…

Diese leider weitgehend übersehene und vergessene Produktion der britischen Hammer zählt zu den bestechendsten, spannendsten und engagiertesten Arbeiten des Studios. Der Horror rekurriert hier ausnahmsweise einmal nicht aus den Auftritten übernatürlicher Monster oder konspirativer Intriganten, sondern aus einer zwar furchtbaren, im Grunde jedoch alltäglichen Tragödie: Sexueller Missbrauch von Kindern im Verbund mit sich pathologisch äußernder Pädophilie sind die vor allem in Anbetracht der Entstehungszeit herausfordernden Themen des wie bei Hammer üblich in knappster Erzählzeit und dabei kompakt abgehandelten Dramas, das Cyril Frankel mit ebenso schmuckloser wie vorbildlicher Kompetenz inszenierte.
Eine zusätzliche, jedoch geschickt umschiffte Klippe erwächst aus der Darstellung des Täters (wobei hier wiederum zugleich die vielleicht einzige relevante Schwäche der Handlung erwächst): Der altehwürdige englische Akteur Felix Aylmer spielt den alten, schwerkranken Mann ohne jedwede Dialogzeile und mit der analog dazu umso diffizileren Aufgabe, ihn als bar jeder Sinne und somit auch Sozialkompetenz, Mündigkeit und Selbstverantwortung darzustellen, ohne ihn zu dämonisieren. Gewiss macht das Script es sich hier streckenweise relativ leicht, wenn es als letztmögliche Lösung das komplette Fortsperren des alten Olderberry wähnt („eine Therapie“, so wird einmal gesagt, sei „in seinem Falle sowieso nicht mehr möglich“). Umso aufrüttelnder gestaltet es sich in der Zeichnung der bürgerlichen Korruption; letzten Endes üben nicht die Staatsgewalten die Macht in der kanadischen Kleinstadt aus, sondern die Reichen, die Gründerväter, von deren Wohlmeinen alles andere vor Ort abhängt. Die eigentlich Schuldigen sind demnach nicht der längst verwirrte Greis, sondern einerseits sein Sohn, der Skandal und Schande scheut und den Dingen somit ihren schlussendlich katastrophalen Hergang erst ermöglicht, sowie die allgemein vorherrschende Korrumpiertheit der bourgeoisen Kleinstädter.

9/10

LA VÉRITÉ

Zitat entfällt.

La Vérité (Die Wahrheit) ~ F/I 1960
Directed By: Henri-Georges Clouzot

Die junge Dominique Marceau (Brigitte Bardot) steht vor Gericht. Sie hat den Dirigenten Gilbert Tellier (Sami Frey), ihren früheren Liebhaber und späteren Verlobten ihrer Schwester Annie (Marie-José Nat) erschossen. Der öffentlichkeitswirksame Prozess soll klären, welche Motivation Dominique zu der Tat getrieben haben mag und ob diese möglicherweise im Affekt verübt wurde. Im Laufe der Verhandlung wird Dominiques Lebensgeschichte aufgerollt und sie selbst durch die vielfachen Denunziationen ihrer Person mehr und mehr gedemütigt.

In seinem formal strengen Gerichtsdrama (das eigentlich sehr viel mehr als Porträt der Kollateralopfer einer verlorenen Generation gelten mag) inszeniert Henri-Georges Clouzot seinen Star Brigitte Bardot gerade so, wie das Kinopublikum sie vergötterte: Als promisk-verführerischen Sex-Maniac von stellarer Schönheit und Erotik, triebgesteuerte Nymphomanin und doch bedauernswertes Opfer ihrer Umstände. Doch halt – ganz so einfach macht es sich Clouzot dann doch wieder nicht. Vielmehr transzendiert er genau dieses öffentliche Image der Hauptdarstellerin, indem er unter der allseits begehrten und bewunderten Fassade einen schwachen Charakter herausschält, der Sex (stets verfügbar) mit Zuwendung (stets versagt) verwechselt und somit zu dem wird, was im neopsychiatrischen Jargon als „Borderline-Persönlichkeit“ bezeichnet wird. Dominiques Leben ist eine Ansammlung von – zumeist eher halbherzig und als Hilferuf inszenierten – Suizidversuchen. Von Familie und Pädagogen primär als zur Subordination unfähige, renitente Göre erlebt, zieht es das schöne Mädchen noch in den Teenagerjahren vom bürgerlichen Elternhaus in Rennes geradewegs in die verruchte Pariser Bohème, wo Studenten und Nachwuchsexistenzialisten sich im Quartier Latin die Nächte mit allem um die Ohren schlagen, was dazu angetan ist, die Bourgeoisie gegen sich aufzubringen. Die mit ihrer biederen, Musik am Konservatorium studierenden Schwester geteilte Wohnung verlässt sie, nachdem sie Annies Kommulitonen Gilbert kennenlernt, der ihrer offenen Verführungskunst mit Haut und Haaren verfällt. Die sich rasch entwickelnde Liaison erweist sich jedoch als höchst toxisch; während Dominique noch nicht bereit ist, ihr vormaliges Lotterleben einfach hinter sich zu lassen und eine nach klassischem Muster modulierte Beziehung einzugehen, erwartet Gilbert von ihr bedingungslose Treue, die er auf jede denkbare einzufordern versucht. Nachdem sie ihm jedoch immer wieder die kalte Schulter zeigt, löst er sich endgültig von ihr. Es kommt zur Gewalttat, einem Akt der Hilflosigkeit, der im Grunde Dominiques ganze soziale Unangepasstheit zur Kulmination führt. Das sich durchweg aus saturiertem Bürgertum zusammensetzende Gericht, allen voran der Anwalt der Nebenklage, Éparvier (Paul Meurisse), sieht in ihr nurmehr das Sinnbild einer undisziplinierten, verachtenswert aufmüpfigen Junggeneration, die aus dem Ruder zu laufen droht. Die Rekapitulation ihres Lebens, die unentwegte Konfrontation mit all ihren Fehlern, lässt Dominique das Ende der Verhandlung nicht mehr erleben – ihr letzter Selbstmordakt ist erfolgreich. Ihr Verteidiger Guérin (Charles Vanel) ist davon überraschend wenig affiziert. „Das sind die Schattenseiten unseres Berufs“, meint er zu Éparvier, mit dem er sich in den Tagen zuvor erbitterte Wortgefechte geliefert hat, und klopft ihm freundschaftlich auf die Schulter.
Gerade diese letzte Geste zeigt unmissverständlich, dass der ewig schwelende Generationskonflikt von einer Vehemenz ist, die sich kaum jemals endgültig lösen lassen wird.

8/10

THE MAGNIFICENT SEVEN

„We deal in lead.“

The Magnificent Seven (Die glorreichen Sieben) ~ USA 1960
Directed By: John Sturges

Ein mexikanisches Bauerndorf wird regelmäßig von dem Banditen Calvera (Eli Wallach) heimgesucht und um seine Ernte gebracht. Also engagiert man sieben Revolverhelden (Yul Brynner, Steve McQueen, Charles Bronson, Horst Buchholz, James Coburn, Robert Vaughn, Brad Dexter), die den Desperados vor Ort den Garaus machen sollen.

Obschon gewiss einer der populärsten und meistgesehenen Western überhaupt, hat John Sturges‘ beleumundeter Klassiker der Motivgeschichte des Genres im Wesentlichen kaum Neues hinzuzufügen. Als Remake des Kurosawa-Films um sieben Samurai bzw. Söldner (die selbe Geschichte wurde später noch mehrere Male im B-Film-Sektor variiert und Sturges‘ Western-Variante erhielt drei Sequels und wurde sogar von Antoine Fuqua neu verfilmt) ist „The Magnificent Seven“ vielmehr zum historisch gewandeten Actionfilm geraten. Als ein solcher allerdings ist er meisterlich. Selten zuvor war eine Inszenierung, die vornehmlich auf den Transport von kinetischer Aktion und die Erzeugung hautnah spürbarer Bleigefechte bedacht ist, derart dynamisch. Die Charakterzeichnung ist ungeheuer präzise und es gelingt dem Buch, jeden Einzelnen der sieben gunslinger [selbst die im Prinzip nur recht peripher vorgestellten Harry (Dexter) und Lee (Robert Vaughn)] eine mythifizierende Aura zu verleihen, was dann gewissermaßen doch die eigentlichen Gattungswurzeln bedient. Hinzu kommen etliche Szenen, Schnittfolgen und Dialoge, die bereits jede für sich berühmt und unvergesslich sind. Für Bernsteins später zum Zigarettenkitsch restverwerteten, sinfonischen Titelmusik gilt dies ohnehin.
Ein prachtvoller, perfekter Film, tatsächlich makellos und frei von jedweder Schwäche.

10/10

SEVEN THIEVES

„So you’re American, aren’t you?“

Seven Thieves (Sieben Diebe) ~ USA 1960
Directed By: Henry Hathaway

Auf Einladung seines alten Freundes Theo Wilkins (Edward G. Robinson) hin kommt Ex-Con Paul Mason (Rod Steiger) nach Monte Carlo. Wilkins, genannt „Der Professor“, konfrontiert Mason ziemlich unmittelbar mit einem von ihm minutiös ausgetüftelten Plan – gemeinsam mit fünf Helfern (Joan Collins, Eli Wallach, Alexander Scourby, Michael Dante, Berry Kroeger) will er den Tresor eines mondänen Küstencasinos plündern. Nach einigem anfänglichen Zaudern erklärt sich Mason bereit, bei der Sache mitzumachen.

Ein formal eher routiniertes Werk von Regie-Allrounder Henry Hathaway, der eine Art Bindeglied zwischen den häufig fatalistisch endenden urban heist movies der orginären Noir-Welle wie „The Asphalt Jungle“ oder „The Killing“ und den flockigeren, oftmals mit komödiantischer Verve und exotischen Schauplätzen versetzten Vertretern der Sechziger Marke „Topkapi“ und „Ad Ogni Costo“ (in dem Robinson seine Rolle aus „Seven Thieves“ faktisch gleich noch einmal interpretiert). Hathaways Film trägt Merkmale beider Flügelspitzen in sich; er handelt einerseits mit tragischen, nicht per se durchsichtigen Charakteren, entwirft komplexe Beziehungsgeflechte zwischen ihnen, gefällt sich aber andererseits in seiner sonnigen, mediterranen Scope-Szenerie, die bereits immanent lebensbejahende Assoziationen zu evozieren scheint. So entlässt „Seven Thieves“ seinem aus den Turbulenzen gestärkt herausgehenden Liebespaar trotz aller vorausgehenden Dramatik in ein schönes, verdientes happy end, das nur zehn Jahre zuvor im Genre noch unmöglich hätte erscheinen müssen.
Beim Ensemble muss man ein paar Zugeständnisse machen; mit Ausnahme des wie immer göttlichen Edward G. Robinsons wirkt jeder der besetzten Darsteller, allen voran die üblicherweise höchst zuverlässigen Steiger und Wallach, wie Zweitgarnitur, was mir mancherlei Kopfzerbrechen hinsichtlich der alten Formel des „type casting“ bereitete. Über kurz oder lang gewöhnt man sich an die zunächst eher unpassend scheinende Besetzung, allerdings erst, nachdem es bereits beginnt, einem sowohl um die Figuren wie auch um die Akteure ein wenig leidzutun. Ob jener unweigerliche Reibungsfaktor „Seven Thieves“ letzten Endes schadete oder nicht, darüber bin ich mir selbst noch nicht recht im Klaren.

7/10

TESEO CONTRO IL MINOTAURO

Zitat entfällt.

Teseo Contro Il Minotauro (Theseus, Held von Hellas) ~ I 1960
Directed By: Silvio Amado

Der Minotaurus (Milo Malagoli), ein angeblich von dem erbosten Zeus persönlich gesandtes, pelziges Monster mit gewaltigen Pranken und dem Kopf eines Stiers, haust in einem Labyrinth auf Kreta. Um ihn zu besänftigen, werden dem Minotaurus von König Minos (Carlo Tamberlani) zu dessen großem Bedauern allenthalben Jungfrauen geopfert. Minos‘ Gattin Pasiphae (Tina Lattanzi) nimmt dem König auf ihrem Totenbett sodann das Versprechen ab, dem Minotaurus keine weiteren Mädchen mehr zum Frass vorzuwerfen und offenbart ihm nebenbei, dass die gemeinsame Tochter Phaedra (Rosanna Schiaffino) noch eine geheimgehaltene Zwillingsschwester names Ariadne (Rosanna Schiaffino) hat, die auf dem Lande lebt und nicht um ihre Herkunft weiß. Just bei ihrer Heimkehr nach Athen retten die zwei Recken Theseus (Bob Mathias) und Demetrios (Rik Battaglia) Ariadne, die gerade im Begriff ist, einem Rank der bösen Phaedra zum Opfer zu fallen, das Leben. Über Umwege erfahren sie von Phaedras Machtbesessenheit und reisen nach Kreta, um der Insel den Frieden wiederzugeben.

Dieser hübsche Peplum-Vertreter muss ausnahmsweise ohne einen der ehedem oftmals eingesetzten Titelhelden wie Herkules, Ursus und Maciste auskommen und folglich auch ohne ein Exemplar der vielen, derzeit in Cinecittà umtriebigen Bodybuilder aus Amerika. Stattdessen konnte man über einen gewissen Bob Mathias in der Hauptrolle des seltener bespielten Mythologieheros Theseus verfügen, seines Zeichens zweifacher Olympia-Goldmedaillenpreisträger im Zehnkampf und lange Zeit Rekordhalter als jüngster Leichtathletikgewinner des Spiele. Dies erklärt dann auch eine Filmszene, in der Theseus und sein Spezi Demetrios zu einem freundschaftlichen Wettkampf gegeinander antreten. Mathias hatte sich sechs Jahre vor „Teseo“, im Zuge eines seiner anderen drei Kinoauftritte, in seiner eigenen Hollywood-Filmbiographie selbst gespielt. Weniger Erfolg war ihm in späteren Jahren in seiner angestrebten Drittkarriere als republikanischer Politiker beschieden.
Die diesem leichtfüßig gefertigten Abenteuer zugrundeliegende Sage wird zugunsten einer möglichst entschlackten Narration zwar recht reduziert und simplifiziert nacherzählt, wesentliche Elemente wie der berühmte „Ariadnefaden“ jedoch bleiben enthalten. Der erzählerische Unterbau ähnelt indes den meisten der nach Griechenland schielenden Sandalenklopper aus Italien: Ein Tyrann bzw. eine Tyrannin wird durch den tapferen Einsatz eines superstarken Heros seiner bzw. ihrer Macht enthoben. Einige phantastische Elemente, wie die schöne Meeresgöttin Amphitrite (Susanne Loret), die Theseus das Leben rettet, sich in ihn verliebt und ihn daher unbedingt zum Bleiben bewegen will, sowie eben die zentrale Figur des Minotaurus, ergänzen den üblichen Mythologieschnack um ein paar sehr unterhaltsame Züge. Besonders das erst zum Ende hin sichtbare Titel-Ungetüm in seinem Labyrinth macht Freude, wobei es im um einige Popreverenzen reicheren Nachhinein ein wenig an die Monsterriege der Muppet-Show erinnert. Es sich bei ihm nämlich um nichts weniger Spektakuläres denn um einen in einem Pelzkostüm nebst riesigem Haupt steckenden Schauspieler, der sich unter seiner massigen Wolle so unbehende und lahmarschig bewegt, dass seine durch Dramaturgie und Gebrüll sehr schön angekündigte Ungeheuerlichkeit sich stante pede in Wohlgefallen auflöst. Fast tut das Tierchen einem leid, als Theseus ihm einen dicken Pappmaché-Felsen auf die Rübe knallt. À propos Pappmaché: Auch das mit grünen und lilafarbenen Strahlern ausgeleuchtete Labyrinth ist im Kontrast zu den mediterranen Olivenhainen der Außensettings eine echte Augenweide und hätte (oder hat?) einem Mario Bava bestimmt manch wohlwollende Respektsbekundung abgenötigt. For kids mainly.

6/10

THE LOST WORLD

„Live dinosaurs!“

The Lost World (Versunkene Welt) ~ USA 1960
Directed By: Irwin Allen

Von einer Amazonas-Expedition zurück in London behauptet der exzentrische Professor Challenger (Claude Rains), ein Dschungelplateau entdeckt zu haben, auf dem die Zeit seit Jahrmillionen stillsteht und es daher noch urzeitliche Vegetation und Tiere. Sein Kollege und Konkurrent Summerlee (Richard Haydn) bezichtigt ihn der Phantasterei, woraufhin Challenger ihn und zwei weitere Freiwillige veranlasst, ihn auf seine nächste Reise zur „versunkenen Welt“ zu begleiten, um sich vom Gegenteil überzeugen zu lassen. Vor Ort müssen Summerlee und die übrigen Mitgereisten feststellen, dass Challenger vollkommen Recht hatte: Mitten im Urwald Venezuelas begegnet man leibhaftigen Dinosauriern. Doch es gibt auch eingeborene Kannibalen und die Spuren einer anderen, verschollenen Expedition, über die der Adlige Roxton (Michael Rennie) einiges zu berichten weiß…

Die Zweitverfilmung des phantastischen Romans von Arthur Conan Doyle wurde anders als das Originalwerk nicht mithilfe von Stop-Motion-Effekten realisiert, sondern mit echten Echsen – Waranen, Leguanen und Krokodilen, die für ihren Einsatz vor der Kamera in besonderer Weise ausstaffiert wurden: Sie bekamen etwa Plastikhörner aufgesetzt oder künstliche Schildplatten auf Schwanz und Rücken „montiert“, was zugegebenermaßen asus der Ferne sogar halbwegs ordentlich aussieht. Dass man diese per mehr oder weniger gelungener Rückprojektionen ins Riesenhafte vergrößerten Kriechtiere mit ihren kurzen Beinen dem Publikum allerdings als „Brontosaurier“ oder „Tyrannosaurus Rex“ zu verkaufen trachtet, dürfte bereits jede dreijährige Dino-Koryphäe zutiefst verärgern. Sehr viel mehr Freude bereitet da schon das illustre Staraufkommen, das sich für den ganzen Schmarren nicht zu blöd war und Allens tatsächlich am Ehesten für Vorschüler geeignetes Abenteuer enthusiastisch mitträgt. Nicht von ungefähr erinnert „The Lost World“ besonders an die um diese Zeit entstandenen Jules-Verne-Adaptionen (davon wiederum mehrere von der Fox, die auch dieses einfältige Kinostück verantwortete), die von ganz ähnliche Koloratur sind: Weltfremde Wissenschaftler, todesmutige Abenteurer, exotische Schauplätze, kreischende Damen, mysteriöse Kreaturen – all das bekam jeder phantasiereiselustige Steppke auch hier geboten. Allens nunmal stark effektbasierter Film hat sich vielleicht nicht ganz so super gehalten und wird heuer bei den meisten Betrachtern eher für nostalgischen Spaß denn für Spannung sorgen (wo das Verhältnis vor 56 Jahren sicherlich noch umgekehrt war). Das ist zu verschmerzen. Putzig ist er ja doch noch.

6/10

DER ROTE KREIS

„Was haben Sie zu gestehen?“

Der rote Kreis ~ BRD/DK 1960
Directed By: Jürgen Roland

Wer oder was sich nun wirklich hinter der Bezeichnung und dem dazu passenden Symbol „Der rote Kreis“ verbirgt, das ist selbst Scotlad Yard nicht klar. Sicher ist nur, dass eine Organisation oder eine Einzelperson, die sich mit jenem Titel schmückt, ganz London in Atem hält. Etliche Menschen sind dem erpresserischen Terror des roten Kreises bereits zum Opfer gefallen. Inspector Parr (Karl-Georg Saebisch) vom Yard droht die Suspendierung, wenn er den roten Kreis nicht schleunigst dingfest machen kann; der Privatdetektiv Yale (Klausjürgen Wussow) heftet sich im Auftrtag seines Klienten Beardmore (Alfred Schlageter) ebenfalls an die Fährten des oder der Kriminellen.

Der zweite Rialto-Wallace, inszeniert vom Krimi-Experten Jürgen Roland, steht noch ganz im Besitz der einstigen Qualitätsmerkmale der Reihe: Ohne die selbstreferenziellen Albernheiten späterer Beiträge und sogar weitestgehend ohne die kommenden Stammschauspieler vom Edgar-Brettl (mit Ausnahme des notorischen Eddi Arent, der hier allerdings noch am Profil seiner Typisierung arbeitet), entstand ein pointierter, konzentrierter Kriminalfilm nebst halbwegs überraschendem Ausgang (zumindest für den eher unsensiblen Stimmenerkenner). Dass auch ein alternder Ermittlerheld Freude machen kann, und es eben nicht immer ein Blacky Drache oder Heinz Fuchsberger sein muss, der den Bösewicht hopps nimmt, beweist der ergraute, aber sehr sympathische Herr Saebisch auf ergiebige Weise. Außerdem ist das Intro mit dem besoffenen Scharfrichter prima. Insgesamt betrachtet vielleicht nicht in der allerersten Reihe der Sechziger-Wallatzen – dafür fehlt es dann doch an der einen oder anderen signifikanten Extravaganz, aber dafür dann gleich in der zweiten.

7/10

DER RÄCHER

„Was war den das für ein Tier?“

Der Rächer ~ BRD 1960
Directed By: Karl Anton

Ein Serienmörder, dem die Behörden den Spitznamen „Der Rächer“ verabreicht hat, ist in und um London unterwegs. Der Täter wählt stets Kriminelle als Zielscheibe, schreckt jedoch auch vor jenen nicht zurück, die ihm allzu dicht auf den Fersen sind. Dabei enthauptet er jeweils sein Opfer und lässt den Kopf in einer gut auffindbaren Schachtel zurück. Infolge des Mordes an einem Beamten des Außenministeriums setzt man Michael Brixan (Heinz Drache) auf den Rächer an. In Winchester, wo gerade Filmaufnahmen für ein Kostümdrama im Gange sind, nimmt Brixan die Spur auf. Gleich mehrere zwielichtige Verdächtige fallen diesem ins Auge, so der exzentrische Adlige Penn (Benno Sterzenbach) nebst seinem animalischen Hausdiener Bhag (Al Hoosman) oder der Dramaturg Voss (Klaus Kinski).

Der dritte Wallace-Film der damals erst im Anlaufen begriffenen deutschen Reihe ist tatsächlich eine Konkurrenzproduktion und gehört nicht zu den Beiträgen der von Rialto produzierten und Constantin verliehenen Serie. Tatsächlich konnten Philipsen und Wendlandt die Rechte an zwei Romanen des Kriminalautoren nicht mehr erwerben, weil diese bereits zuvor abverkauft worden waren. So wurde „Der Rächer“ als der eine der beiden betreffenden Fälle von der Kurt-Ulrich-Film hergestellt und von Europa-Film verliehen. Ähnlich wie im Falle der Karl-May-Adaptionen, bei denen der findige Trittbrettfahrer Artur Brauner Horst Wendlandt immer wieder in die Parade fuhr, dürfte dies dem gemeinen Publikum jedoch herzlich egal gewesen sein. Damit nicht genug verdanken Philipsen und Wendlandt dem „Rächer“ sogar gleich drei ihrer späteren Regeldarsteller, nämlich Heinz Drache, Siegfried Schürenberg und Klaus Kinski, die hierin jeweils ihren Wallace-Einstand gaben, und zwar in exakt jenen typischen Rollen, für die sie später immer wieder hinzugezogen werden sollten. Formal betrachtet lassen sich marginale Unterschiede feststellen: „Der Rächer“ ist etwas weniger sorgfältig ausgeleuchtet und wirkt in seinem Bemühen um expressionistische Kameraspielereien noch relativ unbemüht und nachlässig, insbesondere im Vergleich zu den kommenden Arbeiten von Karl Löb oder Richard Angst. An Humor fehlt es Antons Film weitgehend, was ihm nicht unbedingt zum Schlechten gereicht. Im Gegenteil verstärkt sich dadurch der ohnehin sehr viel prononciertere „Gruselkrimi“-Faktor, für den nicht nur die rigorose Vorgehensweise des Mörders, sondern auch Al Hoosman in seiner ziemlich rassistisch verbrämten Darstellung eines gorillaartigen, grunzenden Schwarzafrikaners mitsamt Latzhose und scheppernden Kettenresten an Fuß- und Handgelenk zuständig sind. Benno Sterzenbach als allenthalben alkoholisierter, der prallen Dekadenz anheim gefallener Blaublütiger ist allerdings die größte Schau, nimmt er doch quasi Fröbes bald darauf folgenden Abel Bellamy vorweg und pflegt darüber hinaus die eine oder andere exotische Marotte, die ihm sein ausgelassenes Weltenbummlertum über die Jahre hat angedeihen lassen. Ihm gehören die besten Momente des Films.

7/10

ENDSTATION ROTE LATERNE

„Diese Spießertöchter werden später die Schlimmsten!“

Endstation Rote Laterne ~ BRD 1960
Directed By: Rudolf Jugert

Ohne um die wahre Profession des bzw. der Anderen zu ahnen, begeben sich die Enthüllungsjournalistin Verena Linkmann (Christine Görner) und der Kölner Kriminaler Martin Stelling (Joachim Fuchsberger) in Amsterdam auf die Spur eines Mädchenhändlerrings, der von dort aus unschuldige Revuegirls und sogar jungfräuliche Kidnappingopfer nach Havanna in den Luxuspuff der fiesen alten Estella (Annemarie Holtz) verschifft. Dreh- und Angelpunkt vor Ort ist der Nachtclub „Casino Rio“, der von dem gewissenlosen Ex-Zahnarzt Jan Fabrizius (Klausjürgen Wussow) geleitet wird. Die Logistik und die geschäftstüchtige Fassade des Unternehmens hält derweil Henrik van Laan (Werner Peters), ein nur vermeintlich aalglatter Firmeninhaber in der Hand. Als Van Laan jedoch ohne dessen Wissen Fabrizius‘ Geliebte Uschi (Nana Osten) nach Kuba verschachert und diese dort den Freitod sucht, will Fabrizius Rache. Er macht sich an Van Laans minderjährige Tochter Irene (Eva Anthes) heran und verschifft sie, mitsamt des Papas unwissentlicher Unterschrift und gemeinsam mit der undercover arbeitenden Verena. Glücklicherweise befindet sich bald auch Inspektor Stelling in Havanna und räumt im Hause Estella auf.

Höchstform-Kolportage wie sie für einen formidablen Handwerker wie Jugert ein echtes Präsent dargestellt haben muss. Kreischende Trompeten (Willy Mattes) säumen die klatschspaltige Sensationsatmosphäre, die das „brandheiße Eisen“ Mädchenhandel freilich a priori impliziert: Meine Güte, so was gibt es, bei uns, hier, in Mitteleuropa? Ist ja fürch-ter-lich! So fürchterlich allerdings auch nicht, denn die herrliche Besetzung entschädigt mehr denn reichlich für die dräuende Sozialkritik. Blacky Fuchsberger lässt die Platzpatronen knallen und spielt als liebenswerter Polizist eine seiner Standardrollen, der junge Wussow mit geheimnisvoller Sonnenbrille erinnerte mich vehement an Herbert Lom und „Untertan“ Werner Peters ist sowieso ein womöglich noch viel zu unbesungener Gott der Choleriker. Annemarie Holtz performt super als knittrige, alte Bordellhexe, die sich ein paar virile Einheimische als Lustknaben hält und Wolfgang Büttner entblödet sich nicht, mit einiger diabolischer Verbissenheit einen sadistischen Messerwerfer und Peitschenschwinger zu geben. In einer kleinen Nebenrolle als evil goon zeigt sich Synchronlegende Herbert Weicker, der tatsächlich so aussah, wie seine Stimme klang.
Das Schönste an „Endstation Rote Laterne“ sind jedoch sein wunderbar biederer Habitus und die vorwurfsvolle Ernsthaftigkeit, mit der er allen ebenso leichtgläubigen wie bourgeoisen Eltern, die sich in ihn verirrten, ans Herz legte, ihre geschlechtsreifen Töchter doch bitteschön nicht freimütig ins bitterböse Nachtleben zu entlassen, denn dort lauert nichts weniger als das pure Böse!

8/10