HOUSE BY THE RIVER

„You must be very, very ill, Stephen…“

House By The River (Das Todeshaus am Fluss) ~ USA 1950
Directed By: Fritz Lang

Der wenig erfolgreiche Autor Stephen Byrne (Louis Hayward) ist ein Hallodri, der immer wieder in Schräglage gerät, nur, um sich dann mal wieder von seinem immens pflichtbewussten Bruder John (Lee Bowman) aus der Patsche helfen zu lassen. Als John eines Tages das Hausmädchen Emily (Dorothy Patrick) zu vergewaltigen versucht, erstickte er die Hilfeschreie, indem er ihr die Kehle zudrückt. John lässt sich verzweifelt überreden, Stephen bei der Entsorgung der Leiche im benachbarten Fluss zu helfen.
Während John an seiner Schuld und Mitwisserschaft zu zerbrechen droht, entwickelt Stephen bessere Laune denn je und verleumdet die von ihm ermordete Emily sogar in aller Öffentlichkeit, indem er bekanntgibt, sie sei mit einigen Wertsachen seiner Gattin Marjorie (Jane Wyatt) durchgebrannt. Als der Fluss Emilys Leiche anspült, gerät John unter indizienbedingten Mordverdacht, kann jedoch in Ermangelung von Beweisen nicht verurteilt werden. Dennoch wird er zur persona non grata und verzweifelt immer mehr. Nur Marjorie hält noch zu ihm. Derweil wird Stephens Geisteszustand immer besorgniserregender…

Eine kleine Reise in den Wahnsinn: Langs weniger bekannter „House By The River“, den er ohne große Stars und für das kleine Studio Republic inszenierte, ist ein übersehenes Meisterwerk des expressionistischen film noir. Geflissentlich zeit- und ortsentrückt (es lässt sich lediglich mutmaßen, dass die Geschichte irgendwann um die Jahrhundertwende an der südlichen Ostküste angesiedelt ist) sind es vor allem die Spiele mit Licht und Schatten (dp: Edward Cronjaher), die dem Film seine entrückte irrealis verehren. Das titelgebende Haus des Ehepaars Byrne gleicht von Anfang an einer verwinkelten Mördergrube, die zudem innen sehr  viel größer zu sein scheint als außen. Eher vernachlässigt findet sich hingegen die psychologische Komponente, wobei davon ausgegangen werden darf, dass es Lang auch gar nicht so sehr um selbige ging. Gleich von Anfang an wird Stephen Byrne als latenter Psychopath exponiert; der Mord an dem unglückseligen Hausmädchen ereignet sich schon in den ersten fünf Minuten. Damit sind die Fronten einmal geklärt; die eigentliche Motivationslage jedoch mitnichten. Das Script macht schlussendlich lediglich Stephens Freigeistigkeit nebst seiner offen ausgelebten Affinität zur Existenz des Bohémien für seinen durch und durch schlechten Charakter verantwortlich; sein Bruder John, im Prinzip ein grauer, spießiger Buchhalter mit Klumpfuß und ohne echte Lebensfreude, entwickelt sich indes zur moralischen Instanz und gewinnt somit auch verdientermaßen das Herz seiner ebenso liebenswerten wie unglücklichen Schwägerin, die einmal sagt, dass sie naiverweise einst auf Stephens Blenderei hereingefallen sei und ihn lediglich daher geheiratet habe.
Der (namenlose) Fluss, wie bald darauf bei Renoir und bei Laughton Symbol einer vitalen, aber höchst eigensinnigen, zudem mysteriösen Naturgewalt, belässt es nicht bei seiner stummen Mitwisserschaft – er spuckt seine Geheimnisse über kurz oder lang wieder aus, unerbittlich. Dazu zählt am Ende selbst der von Stephen tot geglaubte John, der mitnichten als Geist zurückkehrt, Stephen jedoch in Todesangst versetzt und ihn schließlich, in der ausweglosen Sackgasse seines sittlichen Verfalls, vor sein verdientes, göttliches Gericht führt.

9/10

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