THE COMFORT OF STRANGERS

„Good evening. You need help?“

The Comfort Of Strangers (Der Trost von Fremden) ~ USA/I/UK 1990
Directed By: Paul Schrader

Colin (Rupert Everett) und Mary (Natasha Richardson), ein unverheiratetes englisches Paar, reist nach Venedig, um seine im Abflauen begriffene Liebe zu retten. Während sich auch in der sommerlichen Lagunenstadt bei den beiden Routine und Gewohnheit spürbar macht, lernen sie den mysteriösen Robert (Christopher Walken) und seine Frau Caroline (Helen Mirren) kennen, zwei wohlsituierte und zugleich höchst seltsame Menschen. Der einer weinseligen Nacht folgende, verkaterte, halbverschlafene Tag in ihrem großzügig eingerichteten Appartment weckt bei Mary und Colin neue Leidenschaft und sogar Hoffnungen auf eine erfüllte Zukunft, bis ein neuerlicher Besuch bei Robert und Caroline deren wahre Natur offenbart.

Paul Schrader nennt „The Comfort Of Strangers“ in einem Interview in einem zumindest leicht abwertend scheinendem Tonfall „the Italian movie“, was möglicherweise damit zusammenhängen mag, dass er den Film als Auftragsarbeit mit nicht von ihm selbst verfasstem Script (jenes stammt, basierend auf einem Roman von Ian McEwan, von Harold Pinter) inszenierte, das Projekt Schraders ehern gepflegtem Auteur-Selbstverständnis also gewissermaßen widersprach. Dennoch waren außer Regisseur und Autor noch weitere Großmeister an Bord; Dante Spinotti als dp etwa oder Angelo Badalamenti als Komponist, von den vier großartigen HauptdarstellerInnen gar nicht zu reden.
Das in internationaler Wahrnehmung ja stets so romantisch konnotierte Venedig als morbider Schauplatz für Tod und Irrsinn bildet indes kein Kino-Novum, da waren ja schon Nicolas Roegs Daphne-du-Maurier-Verfilmung „Don’t Look Now“, ohnehin ein wesentlicher Vorfahr von „The Comfort Of Strangers“, oder einige Gialli, von denen mir vor allem Lucidis „La Vittima Designata“, Lados „Chi L’Ha Vista Morire?“ und Bidos „Solamente Nero“ im Gedächtnis wabern. Ob man Schraders Film nun im erweiterten Sinne als „global giallo“ bezeichnen möchte, wäre zu beratschlagen; die Conclusio-Elemente um den von sadomasochistischer Triebfeder gespeisten Stalker-Wahnsinn des Paares Robert/Caroline greifen in ihrer Umfänglichkeit ja erst in den letzten Minuten. Zuvor ahnt man nichts oder nur wenig von deren wahren Obsessionen und bewegt sich eher mit Mary und Colin durch ihr Beziehungs-Ab und -Auf, wobei letzteres sich ausgerechnet erst durch Roberts Intervenierung einstellt; der letzte, inbrünstige Koitus vor dem Tode gewissermaßen – ebenfalls eine klare Analogie zu Roeg/ du Maurier. Überhaupt scheint mir die Spiegelung von Rupert Everett – vermutlich der schönste Schauspieler jener Ära – und dem wie eh und je faszinierenden Christopher Walken, der als Robert jeder und jedem, ob sie/er es hören will, oder nicht, seine immergleich geschilderte Selbstanalyse aus Kindheitstagen vorträgt, besonders inspiriert. Licht und Schatten symbolisieren sie; bourgeoise, britische Spießigkeit und adelsgeprägten Wahn; Eros und Thanatos letzten Endes. Dazu passend insbesondere die von praller byzantinischer Gotik gekennzeichnete, von multipler Kunst vollgepfropfte Wohnung Roberts und Carolines als Widerpart zum blassen Touri-Hotelzimmer Colins und Marys, der Badalamenti seine arabisch anmutenden, verführerischen Klänge anheim stellt.
Gleichgültig insofern, ob „The Comfort Of Strangers“ für Schraders Gesamtwerkskorpus nun einen wesentlichen oder eher zu vernachlässigenden Beitrag darstellt – ein ziemlich toller, verschrobener Film ist er allemal.

9/10

2 Gedanken zu “THE COMFORT OF STRANGERS

  1. Das in internationaler Wahrnehmung ja stets so romantisch konnotierte Venedig als morbider Schauplatz für Tod und Irrsinn bildet indes kein Kino-Novum […]

    Henry James‘ Novelle „The Aspern Papers“ ist auch so ein schöner und oft verfilmter (meist für das Fernsehen) Venedig Stoff. Die Hollywood-Fassung von 1947 lässt es lange offen, ob man es mit natürlichen oder übernatürlichen Dingen zu tun hat. Zwar wurde komplett im Studio gedreht, aber die Ausstatter und Kameramann Hal Mohr erzeugen trotzdem eine morbide Venedig-Atmosphäre. Das ist wohl schon bei Henry James angelegt. „Hier verbindet er [James] die perspektivisch-dramatische Darstellung mit einem eindringlichen atmosphärischen Bild von Venedig, dessen verfallende Pracht in bedeutungsvoller innerer Beziehung zu den geschilderten Schicksalen steht.“ (Dr. Klaus Ensslen in Kindlers Literaturlexikon)

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar