GULAG

„Let’s just play cards…“

Gulag ~ USA 1985
Directed By: Roger Young

Der Ex-US-Athlet Mickey Almon (David Keith) ist als TV-Journalist in Moskau, um über die dort stattfindende Spartakiade zu berichten. Dummerweise fällt die Wahl auf ihn, als der KGB ein Exempel statuieren will, aus dem Westen stammenden Gästen zu demonstrieren, dass man sich besser nicht auf spionagenahe Beziehungen zu Sowjetbürgern einlässt: Almon erklärt sich bereit, für den Russen Yuri (Eugene Lipinski) einige Geheimpapiere in den Westen zu schmuggeln. Yuri erweist sich jedoch als Strohmann und Almon wird verhaftet und genötigt, fälschlicherweise zuzugeben, dass er als CIA-Agent ins Land gereist ist. Nachdem man ihn zermürbt hat, lässt man ihn jedoch nicht wie versprochen frei, sondern schickt ihn für eine zehnjährige Haftstrafe in einen sibirischen Gulag. Rasch wird Almon klar, dass es hier nurmehr zwei Alternativen gibt: Brechung oder Entkommen. Gemeinsam mit einem ebenfalls inhaftierten Engländer (Malcolm McDowell) und zwei russischen Freunden (Warren Clarke, David Suchet) plant er die waghalsige Flucht aus dem unmenschlichen Strafvollzug.

Früher war es nicht unüblich, dass etwas „besser“ produzierte und halbwegs erfolgversprechende TV-Filme aus den USA überseeische Leinwandeinsätze  erlebten. Dazu zählt auch „Gulag“, der von HBO koproduziert wurde und durchaus reelles Leinwandpotenzial aufweist. In Deutschland startete er im September 85 im Kino.
Die Systemik von Youngs Film erweist sich zunächst als recht simpel und durchschaubar. Er projiziert das typisierte, stets für eine spannend erzählte Geschichte gute Gefängnis- und Ausbruchsszenario (vordringlichster Einfluss dürfte Alan Parkers „Midnight Express“ gewesen sein, an dessen einst von Brad Davis gespieltem Hauptcharakter Billy Hayes sich auch die Figur des Mickey Almon in groben Zügen orientiert) auf die Konfliktsituation des Kalten Krieges und nutzt dieses Element, um, durchaus im Sinne der Reagan-Administration, das Sowjetregime als durch und durch inhumanen, restlos menschenrechtsbefreiten Apparat zu diffamieren. Symbolisch für die politische Unmöglichkeit des Systems steht der titelgebende Gulag, eine noch aus stalinistischer Zeit stammende Lagerform, in der vom Kleinkriminellen über Religionspraktizierende bis hin zu Dissidenten und der Spionage angeklagten Ausländern alles gepfercht wurde, was dem Kreml in irgendeiner Form schädlich, also konterrevolutionär oder zersetzend vorkam. Nicht wenige Gulags befanden sich in der Weite Sibiriens, dort also, wo sich ein Ausbruch aufgrund der äußeren und klimatischen Bedingungen möglichst unattraktiv gestaltete. Dennoch findet Almon einen cleveren Weg, Wachpersonal und Aufpasser zu narren: Er baut eine doppelte Wand aus Sperrholz, die es ihm und den ihn begleitenden Kameraden ermöglichen, sich ungesehen in einem Güterzugwagon zu verstecken. Ein zusätzlich geschaltetes Ablenkungsmanöver, das bei der Sträflingszählung stört, sorgt dafür, dass sie zunächst auch unentdeckt bleiben. Als schwierigster Teil jedoch erweist sich der Weg zur norwegischen Grenze durch Schnee und Stürme. Der gemeinsam mit Almon und dem Engländer geflohene Kosak Hooker (Clarke) bricht sich ein Bein und stirbt kurz darauf. Hier entwickelt „Gulag“ noch zusätzlich transgressive Qualität, indem er einen kannibalistischen Akt der beiden Überlebenden andeutet, dessen möglicherweise notwendiger Vollzug bereits in der ersten Filmhälfte mehr oder weniger dialogisch angekündigt wird, als es um den Nahrungsmangelausgleich bei einer Flucht geht. Auch sonst erfordert der Film sehr viel Gutgläubigkeit seitens des Publikums, Story und Wendungen möglichst widerspruchslos zu akzeptieren. Das beginnt bereits mit der Art und Weise, die den Protagonisten in die politische Enge treibt und findet seinen Höhepunkt in der Beschreibung der Flucht, die trotz aller Entbehrungen doch allzu reibungslos vonstatten geht. Den Status von „Gulag“ als ein zumindest dramaturgisch spannendes, ordentlich gefertigtes und gespieltes Stück Spannung und medialer Zeitgeschichte vermögen diese Zweifelhaftigkeiten allerdings nicht zunichte zu machen.

6/10

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