BABY DOLL

„Yes sir, it sho‘ is tit for tat!“

Baby Doll ~ USA 1956
Directed By: Elia Kazan

Für den Baumwollspinner Archie Lee Meighan (Karl Malden) sind die Zeiten alles andere als rosig. Er bewohnt ein verfallenes Anwesen in Tiger Tail County, Mississippi, seine Fabrik ist marode und seine etwa halb so alte Frau Baby Doll (Carroll Baker) hat ihn in einem Jahr Ehe nicht ein einziges Mal rangelassen. Eine Abmachung zwischen den beiden sieht vor, dass Baby Doll den „ehelichen Pflichten“ mit Beginn ihres 21. Lebensjahres nachkommt – entsprechend heiß sehnt der zusehends mürbe werbende Archie Lee ihren nahenden, zwanzigsten Geburtstag herbei. Als sich jedoch die Möbelfirma das unbezahlte Mobiliar aus dem Haus der Meighans zurückholt, verweigert sich die schmollende Baby Doll weiterhin. Um die Situation zu retten, steckt Archie Lee die hiesige, konkurrierende Industriespinnerei in Brand, so dass der Plantagenbesitzer Vacarro (Eli Wallach) gezwungen ist, seine Baumwolle bei Meighan verarbeiten zu lassen. Rasch findet der wütende Vacarro heraus, bei wem es sich um den Brandstifter handelt und ersinnt in aller Eile einen perfiden Racheplan, in dem Baby Doll eine entscheidende Position einnimmt…

Dieser erste nach einem Originalscript von Tennessee Williams entstandene Film trägt all die wunderbaren Züge, die man in einer Südstaatengeschichte mit dem Flair des großen Dramatikers erwarten darf: Beißende Satire, schwitzige Lust und vor allem unbändigen Hass – destillierte Emotionalität also. Bei Williams gibt es ja stets mindestens eine besonders in psychische Mitleidenschaft gezogene Figur – oftmals sind dies vereinsamte oder altjüngferliche Southern Belles, hier ist es der Möchtegernpatriarch Archie Lee Meighan, von Karl Malden bedauernswert makellos dargegeben. Der offensichtlich einer unerquicklichen, pädophilen Spinnerei anheim gefallene Mann, dessen aufgestaute „Energie“ ihn zunehmend aus dem Ruder laufen lässt, derweil die sich in ihrer buchstäblich unschuldigen Lolitarolle suhlende Baby Doll ihn immer wahnsinniger macht, entspricht dem vervollkommneten, inkarnierten Abziehbild des verfallenden, alten Südens. Er trinkt heimlich, seinem gepflegt-obsoleten Rassismus begegnen die schwarzen Arbeiter mit offener Belustigung und selbst, wenn der Kerl, von dem Weibchen und ihrem neuen, sizilianischstämmigen Lover zur Weißglut getrieben, am Ende Amok läuft, bleibt er eine lächerliche Gestalt. Egal, was Archie Lee Meighan begehrt, er bekommt es garantiert nicht. Dabei ist Baby Doll allerdings kaum besser dran – ein unreifes Dummchen mit mangelhafter Schulbildung, das in seiner auf reine Physis beschränkten Rolle als Nachwuchs-Pomeranze gefangen ist und sich daher mehr oder weniger bereitwillig mit dieser arrangiert, bis ihr in der Person Silva Vacarros  zum ersten Mal im Leben ein wahrer Schurke begegnet, der nicht bereit ist, sich für sie zum dressierten Affen zu machen.
Ein bravouröses Trio Infernale – von Kazan vor karg-theatralischer Kulisse zu Höchstleistungen angespornt. Man mag sich allerdings nicht wundern, wenn man keine Figur zum wirklichen Gernhaben findet. Eine solche enthalten uns Williams und Kazan nämlich ganz bewusst vor. Schließlich sind wir hier im Süden, und da ist offenbar höchstens jeder Vierte sympathisch.

9/10

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