A FACE IN THE CROWD

„A guitar beats a woman every time.“

A Face In The Crowd (Ein Gesicht in der Menge) ~ USA 1957
Directed By: Elia Kazan

Rein zufällig entdeckt die Radiomoderatorin Marcia Jeffries (Patricia Neal), für ihre Morgensendung „A Face In The Crowd“ stets auf der Suche nach außergewöhnlichen Interviewpartnern, in einem kleinen Knast in Arkansas den Tagedieb Larry Rhodes (Andy Griffith), der vor Ort die Nacht zwecks Ausnüchterung verbracht hat. Larry, dem Marcia flugs den Spitznamen ‚Lonesome‘ verpasst, ist im Grunde bloß ein ordinäres Landei: Keinen Cent in der Tasche, abgerissen und versoffen, vermag er es dennoch, sich mit seiner Gitarre, seinem lauten Lachen und seiner ausnehmend großen Südstaatenklappe Gehör zu verschaffen. Als Mann der Massen wird Lonesome Rhodes, von der faszinierten Marcia gepuscht, bald auf lokaler Ebene zum Star. Die Leute hören ihm zu und befolgen seine Ratschläge, so löst ein kleiner, improvisierter Spendenaufruf für eine arme Witwe einen regelrechten Erdrutsch aus. Bald flattern hochdotierte Werbeaufträge ins Haus und die großen Fernsehanstalten im Norden werden, durch den geschickten Support von Larrys Agenten DePalma (Anthony Franciosa) auf ‚Lonesome Rhodes‘ aufmerksam. Dessen rustikaler Hillbilly-Charme hat auch in New York Erfolg und mit dem großen Geld erweitern sich auch Einfluss und Macht, so fungiert Larry bald als personifizierte PR-Maschine für einen alternden Senator (Marshall Neilan). Larry wird derweil zunehmend größenwahnsinnig und verklärt sich selbst zur ultimativen vox populi. Als Marcia, die auf privater Ebene längst grob von Larry enttäuscht wurde, begreift, dass sie da ein sich verselbstständigendes Monster geschaffen hat, sieht sie sich gezwungen, zu handeln…

Aufstieg und Fall des Larry ‚Lonesome‘ Rhodes: eine feine, sich dramatisch zuspitzende Americana, wie „On The Waterfront“ nach einer Idee von Budd Schulberg entstanden. Andy Griffith, der später als TV-Anwalt Matlock zu einigen Seniorenehren kommen und damit auch bei uns Popularität scheffeln sollte, ist unglaublich als mittelloser Tramp, der, als sich ihm die Chance bietet, Manipulation und Demagogie zu seinen vordringlichen Instrumenten macht. In Griffiths Spiel liegt ein Maß an Identifikation und Authentizität, wie man es sonst höchstens bei den frühen method actors dieser Jahre bewundern kann. Zudem muss man dem Akteur ein gerüttelt‘ Maß an Mut zusprechen, in einer Phase als relativer Neuling in der Branche (er war zuvor lediglich als Vortragskünstler und bei einer TV-Show aufgetreten) mit solcher Chuzpe einen Part übernommen zu haben, der ihn schlussendlich fernab von jeder dankbaren Sympathie verortete. Auch Patricia Neal als Lonesome Rhodes‘ Entdeckerin und Förderin ist großartig: Sie repräsentiert sozusagen die öffentlichen Massen, die sich von Larry und seinem so betont naturbelassenen Auftreten einfangen und Honig ums Maul schmieren lassen. Voller Bewunderung himmelt sie Larry an und entwickelt gleichfalls ein immenses erotisches Interesse für ihn. Einzig der Autor Mel Miller (Walter Matthau) blickt recht früh hinter Larrys breit grinsende Maske und entdeckt den wahren Menschen darunter: Einen egozentrischen, vom Leben enttäuschten und ausschließlich auf den eigenen Vorteil bedachten Misanthropen, dessen Anhimmelung durch die Menschen keinesfalls auf aufrichtiger Gegenseitigkeit beruht, sondern von Verachtung und Instrumentalisierungsgedanken geprägt ist. Fast unmittelbar nach einem Heiratsantrag lässt er Marcia schließlich für eine siebzehnjährige Cheerleaderin (Lee Remick) sitzen. Endlich ist auch seine vormalige Gönnerin bereit, den „wahren“ Lonesome Rhodes hinter der von ihr gepushten Fassade zu erblicken. So ist es dann an ihr, ihm vor aller Welt den Stöpsel zu ziehen.
Einmal mehr wird Elia Kazan mit „A Face In The Crowd“ seinem spezifischen Renommee als actor’s director gerecht, der als einer der wenigen großen amerikanischen Filmemacher seine Inszenierung dem von ihm selbst zum Optimum getriebenen Spiel der Darsteller unterordnete und damit seiner Arbeit als Regisseur eine besondere Subtilität verlieh.
Ein weiteres Meisterwerk in einer Reihe von Meisterwerken.

9/10

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