WHERE’S POPPA?

„Poppa’s dead.“

Where’s Poppa? (Wo is‘ Papa?) ~ USA 1970
Directed By: Carl Reiner

Der New Yorker Strafverteidiger Gordon Hocheiser (George Segal) ist eine arme Socke. Er ist nämlich Junggeselle und als solcher für die Pflege seiner Mutter (Ruth Gordon) zuständig, die sich, gemäß ihres fortgeschrittenen Alters, in einem transitiven Wesenszustand zwischen Senilität, Eifersucht und Boshaftigkeit bewegt. Im Gegensatz zu Gordons älterem Bruder Sidney (Ron Leibman), der bereits eine Familie sein Eigen nennt, ist jeder Ansatz Gordons, eine gesunde Beziehung zu einer Frau aufzubauen, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Da Mutter Hocheiser außerdem bereits diverses Pflegepersonal verschlissen hat und in der gesamten Berufsszene entsprechend berüchtigt ist, fällt es zudem schwer, eine passende Kraft zu finden. Abhilfe taucht eines Tages in der Person der etwas naiven, aber lieben Schwester Louise (Trish Van Devere) auf, in die sich Gordon stande pede verguckt. Aber da ist dann noch die Mama…

Carl Reiners omniversaler Attacke auf den guten Geschmack gelingt das seltene Mirakel, eine denkbar böse Komödie zu sein, ohne in plumpe Vulgarismen oder Infantilismen zu verfallen. Nachdem die Synopse bereits erahnen lässt, dass Reiner vor allem die Unsitte auf die Schippe nimmt, mental abdriftende Familienmitglieder möglichst lange zu Hause zu beherbergen und damit die eigene Existenzqualität grotesk zu schmälern, darf man erfreut zur Kenntnis nehmen, dass noch etliche andere New Yorker Heiligtümer liebevoll von ihm mit Füßen getreten werden, sei es die sterotyp-obligatorische Gang sadistischer Schwarzer, die nächtens im Central Park abhängt und mit Gordons Bruder Sidney genau das masochistische Opfer für ihre Gemeinheiten erhält, nach denen sie verlangt; seien es also urbane Kriminalität, Ethno-Klischees, die Familie als Hochburg psychischer Stabilität, Homosexualität, Paraphilie oder der Strafvollzug: Reiner liefert ein unglaubliches Kaleidoskop bizarrster Typen, Szenen und Situationen und denunziert sie alle mit solch luftig-leichter Gelassenheit, dass es eine einzige, erquickliche Freude ist. Nicht nur, dass ich angesichts manch derber Wahr- und Weisheit des Films gegrinst und gelacht habe, wie schon lange nicht mehr, gehört der brillante „Where’s Poppa“ von nun an zu meiner persönlichen, unerlässlichen Liste des klassischen New-York-Kinos und symbolisiert gleichsam eines der wenigen Fanale einer anscheinend längst vergessenen Kunst: der der politisch betont unkorrekten, dabei intelligenten und vor allem zeitlosen Komödie. Ein Wunderwerk.

9/10

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