TOWER OF LONDON

„Who possesses the greater evil, my mother? You who made me this way, or I who have to bare it?“

Tower Of London (Der Massenmörder von London) ~ USA 1962
Directed By: Roger Corman

London im Jahre 1483. Nachdem König Edward IV (Justice Watson) das Zeitliche gesegnet hat, schickt sich sein buckliger Bruder Richard (Vincent Price) an, Edwards Nachfolge als Monarch anzutreten. Zu diesem Zwecke entledigt er sich zunächst seines zweiten Bruders, des designierten Reichsberaters George (Charles Macauly), um dann gegen seine Schwägerin (Joan Freeman) und seine beiden kleinen Neffen, von denen einer (Donald Losby) der designierte König ist, zu intrigieren. Nachdem sein Versuch, die Jungen fälschlich als illegitime Königskinder zu denunzieren, scheitert, bringt er sie eigenhändig um. Doch die Geister seiner Opfer lassen Richard nicht los und treiben ihn weiter in den Wahnsinn bis zu seinem Tode in geistiger Umnachtung auf dem Schlachtfeld von Bosworth.

Inmitten seines farbenprächtigen, siebenteiligen Poe-Zyklus inszenierte Roger Corman mit seinem Star Vincent Price diesen wunderbaren, zwischen Shakespeare und Trivialhorror angesiedelten, kleinen Historienfilm, für den ihm zu seinem großen Bedauern nur kostengünstiges Schwarzweißfilm-Material zur Verfügung gestellt wurde. Tatsächlich schadet dies der Geschichte keineswegs, im Gegenteil: Vincent Price, sichtlich hingerissen von der Option, einen der großen shakespeare’schen Antihelden geben zu können, offenbart einen der schönsten Auftritte seiner gesamten Karriere. Mühelos oszilliert sein ganz privater Richard III. zwischen sadistisch-bösem Monster, machtgierigem Opportunisten, irrlichterndem Angsthasen und nach Liebe lechzendem Ausgestoßenen. Wenn er den Geistern seiner beiden Neffen bereitwillig in den Tod folgen will und, bereits auf den Zinnen des Towers stehend, lamentierend, dass die anderen Kinder ihn früher nie mitspielen ließen und wegen seiner Deformierungen gehänselt haben, dann wirkt das niemals bemüht oder lächerlich, sondern zeugt ernstlich von großer Schauspielkunst. Nicht minder souverän gibt Price sich in einer unbewussten Vorstudie seines Matthew Hopkins, wenn er lüstern dabei zuschaut, wie der Folterknecht ein schönes, unschuldiges Kindermädchen (Sandra Knight) zu Tode streckt, weil sie sich weigert, ein falsches Geständnis abzulegen. Auf Außenaufnahmen praktisch zur Gänze verzichtend, mögen Interieurs und Kostüme nicht die großartigsten gewesen sein. Sie stimmen aber nichtsdestotrotz und fügen sich nahtlos in das nur selten über Gebühr theatralisch wirkende Geschehen. „Tower Of London“ ist, wenngleich von seinem Regisseur selbstweniger gut gelitten, eines der schönsten Beispiele dafür, wie effektiv Corman es vor allem als Regisseur zu arbeiten verstand und welches Maximum an Wirkung er bei einem Minum an Etat zu erzielen vermochte.
Dunkel funkelnd, grausam schön.

8/10

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