LUKE CAGE: SEASON 1

„Sweet Christmas.“

Luke Cage: Season 1 ~ USA 2016
Directed By: Paul McGuigan/Phil Abraham/Andy Goddard/Marc Jobst/Clark Johnson/Magnus Martens/Sam Miller/Vincenzo Natali/Guillermo Navarro/Tom Shankland/Stephen Surjik/George Tillman Jr.

Einige Monate nach seiner Trennung von der superstarken Privatdetektivin Jessica Jones ist der mit ebenfalls beachtlicher Körperkraft und einer nahezu unverletzbaren Haut ausgestattete Luke Cage (Mike Colter) bei dem alten Harlemer Barbier Pop Hunter (Frankie Faison) untergekommen, wo er sich incognito ein paar Dollar verdient. Zeitgleich arbeitet Luke noch nächtens als Küchenkraft für den Clubbesitzer, Gernegroß und Waffenschieber Cornell Stokes (Mahershala Ali), genannt „Cottonmouth“. Als ein paar Kids, die häufig auch in Pops Salon herumhängen, einen Waffendeal von Cottonmouth überfallen, bricht in Harlem die Hölle los. Nachdem Pop zum Opfer von einem von Cottonmouths blindwütigen Schlägern wird, sieht sich Luke gezwungen, einzugreifen. Dabei gerät er nicht nur an die harte Polizistin Misty Knight (Simone Missick), die Cottonmouth auf den Fersen ist, sondern auch an dessen in der Lokalpolitik tätigen Cousine Mariah Dillard (Alfre Woodward), den Gangster Shades (Theo Rossi) und den großen Strippenzieher im Hintergrund, Willis „Diamondback“ Stryker (Erik LaRay Harvey), mit dem Luke eine gemeinsame Kindheit verbindet. Zudem begegnet er der in Superheldenfragen mittlerweile erfahrenenen Krankenschwester Claire Temple (Rosario Dawson) wieder, die gemeinsam mit Luke tief in dessen Vergangenheit eintaucht.

Wortwörtlich eine Serie mit Soul. „Luke Cage“, das nächste von Netflix produzierte Marvel-Format, macht die kleineren Schwächen, die „Jessica Jones“ hier und da etwas ausbremsten, wieder vergessen und entwickelt eine veritable Eigenkraft, die die erstmals 1972 in Erscheinung getretene Comicfigur zurück zu ihren einst von Archie Goodwin und John Romita Jr. kreierten Wurzeln führt. Luke Cage, der als Superheld „Power Man“ debütierte, wurde in seiner Eigenschaft als einer der ersten afroamerikanischen Helden als Comicpendant zur Blaxploitation-Welle im Kino erschaffen. Nach dem gebürtigen Zentralafrikaner T’Challa alias „Black Panther“ und dem Captain America – Sidekick Sam „Falcon“ Wilson debütierte Luke Cage ferner als erster farbiger Superheld mit eigenem Serienlabel. Heute tritt er, zwischenzeitlich Mitglied der „Avengers“, freilich ohne seinen kaum mehr zeitgemäßen, damals typischen Dress auf, zu dem sich die Serie jedoch einen liebevollen Gag leistet. Auch sonst ist die dreizehn Episoden starke Staffel reich an geschickten Querverweisen und Hintertürchen nicht nur zu Cages eigener Comic-Historie, sondern ebenfalls zu den bisherigen Entwicklungen im MCU und natürlich den beiden bereits etablierten Formaten. So gibt es ein Wiedersehen mit dem schmierigen, nach wie vor stets auf der Verliererspur befindlichen Kleingangster Turk Barrett (Rob Morgan). Die wunderbare Rosario Dawson als „Night Nurse Claire Temple wird jetzt – endlich und verdient – wesentlich prominenter inszeniert als bis dato und erwächst in den späteren Episoden zu einer der wichtigsten Figuren des Serials. Der bibelfeste, schwer gewalttätige und ziemlich verrückte Diamondback setzt die junge Tradition der First-Class-Villains nach Wilson Fisk und dem „Purple Man“ Kilgrave nahtlos fort, nachdem der zunächst als Hauptschurke aufgebaute Cottonmouth Stokes mehr oder minder überraschend das Zeitliche segnen muss. Überaus viel Wert legt „Luke Cage“ auf das Lokalkolorit: Harlem und seine schwarze Kultur sind ein wichtiges Sujet für die Reihe; immer wieder kommt es zu ausführlichen Zitaten und name droppings betreffs dunkelhäutiger Künstler und Vordenker, die die Seele des Stadtteils jenseits der 110ten so geprägt haben. Einige von ihnen, so die Rapper Method Man und Fab 5 Freddy, geben sich dann gleich auch höchstpersönlich die Ehre mittels einer Stippvisite. Und erst recht der Musikeinsatz: Gerade diesbezüglich bildet die Serie eine wahre Schatztruhe. Von Jazz und Soul über Funk bis hin zum Hip Hop kredenzt man dem Rezipienten Formidables, nicht zuletzt dank der motivstiftenden Idee, einen musikbesessenen Gangster und Clubbesitzer zu installieren, der in seinem Laden ein stetes Forum für Acts aller Couleur bietet. So kommt man in den Genuss, nahezu komplette Live-Nummern von Charles Bradley, der erst kürzlich verstorbenen Sharon Jones oder den unkaputtbaren Delfonics zu bewundern.
Jetzt schon legendär dürfte insbesondere die Szene am Ende der von Vincenzo Natali inszenierten Episode 4 sein, in der Luke zum privaten Kopfhörer-Sound „Bring Da Ruckus“ vom Wu-Tang Clan den inoffiziellen Geldspeicher seines Widersachers auseinandernimmt. Traumhaft.

9/10

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