FÜNF UNTER VERDACHT

„Nehmen Sie ’ne Karte.“

Fünf unter Verdacht ~ BRD 1950
Directed By: Kurt Hoffmann

Palsberg (Josef Sieber), der Pedell eines Privatgymnasiums in einer kleinen, dänischen Küstenstadt, wird ermordet aufgefunden. Der gewiefte Kriminalrat Thomsen (Hans Nielsen) ermittelt vor Ort. Es gibt fünf Hauptverdächtige, die durchweg ein Motiv hatten, den selbst nicht ganz koscheren Schuldiener zu beseitigen: Der Schüler Klaus Eriksen (Lutz Moik), der, ebenso wie sein Bruder Jacob (Wilhelm von Petersson), von Palsberg unter der Hand diverse Alkoholika zu erwerben pflegte, Palsbergs geschwätziger Mitbewohner und Adlatus Jensen (Franz Nicklisch), der Lehrer Dr. Berling (Friedrich Schoenfelder), um dessen Verhältnis mit einer Schülerin (Ina Halley) Palsberg wusste und ihn damit erpresste, Palsbergs Zwillingsbruder Erik (Josef Sieber), der bei dem Ermordeten in der Kreide stand.

Hoffmanns sehr atmosphärischer Kriminalfilm ist eines Kinostücke, die mit dem beliebten, geflügelten Terminus „seiner Zeit voraus“ geadelt werden dürfen. In „Fünf unter Verdacht“, der auch unter dem ebenso schönen Alternativtitel „Stadt im Nebel“ die bundesrepublikanischen Leinwände beehrte, liebäugelt Kurt Hoffmann mit dem gothic crime eines Robert Siodmak, bemüht in der Zeichnung seines Protagonisten und dessen zwischen Genialität und Überheblichkeit befindlichem Ermittlungsstil die RomanheldInnen Agatha Christies und entwirft darüber hinaus das Miniaturabbild eines von Geheimnistuerei, Vertrauensbruch und Schuldkomplexen verseuchten Sozialkomplexes. Die Primanerschaft einer Privatschule und ihre erwachsenen Zubringer dienen sich dafür als Figureninventar überaus passend an: Es beginnt mit dem unliebsamen Pedell, der Augen und Ohren überall hat und über jede sich hinter den ehrwürdigen Kulissen abspielende Schweienerei Bescheid weiß, seien es die halbstarken Bankdrücker und ihre sich in Saufereien äußernde Generationsrebellion, sei es die ebenso hochgeschätzte wie renommierte Lehrkraft Dr. Berling, der, um Reputation und Ehe zu schützen, zum leicht erpressbaren Opfer wird. Seine unselige Affäre mit der minderjährigen Ingrid kommt einem Skandal gleich, der die moralischen Grundfesten jener den schweren Nebelschwaden und der Lichtarmut unterworfenen Kleinstadt empfindlichst ins Wanken bringen könnte. Nicht nur, dass sich Palsberg von Berling die Prüfungsklausuraufgaben abschreiben lässt und diese gegen Bares an seine willfährige Kundschaft weiterverkauft; er lässt sich für seine „Diskretion“ von Berling auch sonst großzügig entgelten. Es wäre vermutlich zu weit gegriffen, in diesem Mikrokosmos eine Symbolzeichnung für die demografischen Befindlichkeiten und Unsicherheiten innerhalb der Nachkriegsjahre auszumachen – wer verbirgt was, wer war Täter, wer Mitwisser? – aber mir gefällt der Gedanke, dass die prinzipielle Möglichkeit dazu besteht.
Kompetent spielt Hoffmann mit dem Verdächtigenquintett und, analog dazu, wunderbar manipulatorisch auf der Rate-Klaviatur seines Publikums. Die Überzeugensmomente, den Mörder ausfindig gemacht zu haben, wechseln im Minutentakt und auf Thomsens taktisch genialischen Geniestreich gegen Ende folgt natürlich eine letzte Überraschung, die dann auch noch mit ein wenig Aktion einhergehen darf. Ein beachtlicher Genrebeitrag, der unbedingt zu den besten hiesigen seiner Jahre gezählt werden muss.

8/10

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